„Ooh Rah! - Aus einem Soldatenleben"
Clint Eastwood ist bekennender Republikaner. Wenn ein solcher einen Kriegsfilm mit sich selbst in der Hauptrolle inszeniert, meint man das eindimensionale Ergebnis schon im Voraus sattsam zu kennen: Amerikas Kriege sind gerecht, seine Soldaten verwegene Haudegen, gestählt durch knüppelharte Ausbildung und unerschütterlichen Patriotismus. Der gerne gesichtslose Gegner ist dagegen feige, hinterhältig und in seinen soldatischen Kernkompetenzen bzw. Grundtugenden wie Mut, Tapferkeit und Kampfkraft hoffnungslos unterlegen. Natürlich denkt man dabei fast schon reflexartig an John Waynes Vietnam-Trauma-Klitterung „The Green Berets" (1968). Bei Eastwood hört das vermeintliche Äquivalent auf den klingenden Namen „Heartbreak Ridge".
Allerdings lagen auch schon anno 1986 Regie-Welten zwischen den beiden Western-Ikonen. Während Wayne vor „Berets" lediglich die zwiespältig aufgenommene Helden- und Freiheitskampf-Eloge „Alamo" (1960) vorzuweisen hatte, konnte Eastwood bereits auf ein so umfangreiches wie interessantes Oeuvre zurückblicken, das vom psychologischen Thriller („Sadistico", 1971) über Mythen-demontierende Western („The Outlaw Josey Wales", 1975, „Pale Rider", 1985), Komödien („Bronco Billy", 1980) und grimmige Action-Dramen („The Gauntlet" 1977) eine enorme Bandbreite und Vielschichtigkeit aufwies. Für seine 12. Regiearbeit „Heartbreak Ridge" durfte man also trotz Thematik und Gesinnung zumindest darauf hoffen, nicht die zu erwartende Stereotypen-Breitseite serviert zu bekommen.
Oberflächlich betrachtet wird man in dieser Hoffnung schnell enttäuscht. Der erste Auftritt von Eastwoods Protagonisten Sergeant Thomas Highway befeuert zunächst einmal mögliche Machismo-Befürchtungen. Nicht nur fesselt der wegen Trunkenheit einsitzende Highway eine ganze Horde von Mithäftlingen mit launigen Kriegsabenteuern und zotigen Sprüchen, sondern schickt auch einen deutlich jüngeren, streitlustigen Muskelprotz mit einem beherzten Faustschlag auf die Gefängnis-Bretter. Das hat natürlich hohen Unterhaltungswert, ist aber kaum dazu angetan ein differenziertes Soldatenportrait zu erwarten. Zumal Eastwood diesem Stil weiter treu bleibt.
Nachdem Highways Versetzung zu seiner alten Marines-Einheit zur Überraschung seines aktuellen und zum Ärger seines neuen Vorgesetzten - sein Ruf als trinkfester Raufbold und erzkonservativer Militär-Hardliner war ihm vorausgeeilt - durchgeht, wird er als Ausbilder auf einen verlotterten Rekrutenhaufen losgelassen. Diesen eigentlich als Abschiebung gedachten Job nimmt er todernst und bringt die müde Truppe mit einer Mischung aus eiserner Disziplin, gnadenloser Härte und erniedrigenden Sprüchen langsam aber sicher auf Vordermann. Diese Schinderei kommt bei seinen neuen Schützlingen natürlich nicht gut an und auch sein kommandierender Offizier Major Powers (Everett McGill) hält Highways Methoden für anachronistisch und antiquiert. Zudem wird ihm mit dem hibbeligen verhinderten Musiker und „Anti-Marine" „Stitch" Jones (Mario Van Peebles) ein allzu deutlicher Kontrastpartner an die Seite gestellt, was zahlreiche derb-humoristische Zusammenstöße v.a. auch verbaler Art hervorbringt.
Nach und nach wird allerdings deutlich, dass es sich bei „Gunny" Highway nicht um den üblichen klischeehaften Arschloch-Schleifer zahlreicher US-Kriegsfilme handelt, den harten Ausbilder-Hund, der seine Rekruten körperlich stählen und seelisch brechen will, um sie zu blind funktionierenden Kampfmaschinen zu formen.
Die harte Schale verbirgt nicht nur einen weichen Kern, sondern auch eine tiefe Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Existenz und Rolle, im privaten wie im beruflichen Leben. Trotz all seiner militärischen Erfolge und Auszeichnungen in zwei Kriegen (Korea und Vietnam), fühlt sich Highway als Soldat missverstanden und nicht genügend wert geschätzt. Sein rauflustiges Verhalten sowie sein erhebliches Alkoholproblem sind Ausdruck wie Kompensation dieser Unsicherheiten. Während seiner beruflichen Glanzzeit waren Krieg und Militär in den USA in eine bis dato nie gekannte Popularitätskrise geraten, für Vollblutsoldaten wie Highway ein schwer zu verstehendes und noch schwerer zu verarbeitendes Phänomen.
Da wäre ein harmonisches Privatleben ein möglicher Rettungsanker gewesen, aber ausgerechnet da hat Highway vollständig versagt. Die Ehe mit Aggie (Marsha Mason) war ein einziges Fiasko, verursacht durch Highways völliges Unverständnis für die weibliche Psyche und seiner einseitigen Fokussierung auf den Soldatenberuf. Der inzwischen gealterte Highway versucht dieses Manko durch das Lesen von Frauenzeitschriften und einschlägigen Ratgebern auszugleichen, scheitert aber bei den unbeholfenen Versuchen seine Ex-Frau zurück zu gewinnen immer wieder kläglich.
Eastwood zeichnet mit Sergeant „Gunny" Highway das komplexe Bild eines einsamen, unsicheren Mannes, geplagt von Selbstzweifeln und Zukunftsängsten. Stets versucht er das Richtige zu tun, scheitert aber häufig an den eigenen Unzuöänglichkeiten. Erfüllung und Bestätigung findet er nur im Soldatenhandwerk, eine äußerst beunruhigende Aussicht für jemanden, der kurz vor der Pensionierung steht. „Heartbreak Ridge" funktioniert daher neben all seinen Eskapismus- und Männerkino-Qualitäten auch als Charakterstudie eines alternden Soldaten bzw. als mehrdimensionale Sicht auf den US-amerikanisch geprägten Soldatenberuf. All dies kommt für einen überzeugten Republikaner wie Eastwood zudem erstaunlich unpathetisch und weihrauchgetränkt daher.
Dass das Unterhaltungsmoment dennoch im Vordergrund steht, belegt nicht nur der klare Fokus auf der launig inszenierten Ausbildungs-Episode, bei der sich „Täter" und „Opfer" gegenseitig immer mehr ans Herz wachsen, sondern auch das in jeder Hinsicht positive angelegte Ende. Dort erfahren nicht nur die durch Highway verkörperten konservativen Werte sowie seine vermeintlich altmodische Auffassung vom Kriegshandwerk ihre unbedingte Berechtigung, sondern hier wird auch auch der durch Powers verkörperten neuen Genration von engstirnigen Paragraphen-Fetischisten und Schreibtisch-Strategen eine mehr als deutliche Abfuhr erteilt. Das mag für Manchen in seiner simplen Plakativität schon etwas enttäuschend sein und ein wenig den ansonsten durchweg positiven Eindruck schmälern. Mit anderen Worten, wer vornehmlich auf ein flottes Kriegsabenteuer mit derben Sprüchen, harten Kerlen und strammer Gesinnung hofft, wird von „Hearbreak Ridge" auch nicht enttäuscht werden. Eastwoods besondere Leistung ist es aber, hier eine zweite Ebene eingezogen zu haben, die dazu keineswegs im Widerspruch steht, sondern als nachdenkenswertes Spiegelbild fungiert wie funktioniert.