Review

Main Entry: come·up·pance
Function: noun
Etymology: come up + -ance
A punishment or retribution that one deserves; one's just deserts: "It's a chance to strike back at the critical brotherhood and give each his comeuppance for evaluative sins of the past"


Wohlverdiente Strafe.
Das ist es, was die Triadenbosse in Derek Chius Comeuppance hinwegrafft; verursacht durch den Attentäter des Himmels [ Arbeitstitel ].
Dieser ist natürlich nicht von einer höheren Macht gesandt, um sich um die Probleme auf der Erde zu kümmern, aber Sung [ Patrick Tam ] nimmt die Geschehnisse in die eigenen Hände. Er bewirkt etwas, auch wenn es nicht dem Moralischen Code entspricht und er die meiste Zeit auch gar nichts mit den Opfern zu tun hatte. Sie haben ihm nichts getan, in Ruhe gelassen, ja überhaupt keinen Kontakt gehabt. Aber es war allgemein bekannt, zu welcher Organisation sie gehören und dass sie Dreck am Stecken haben.
Sung - obwohl bloss biederer Filmentwickler - kümmert sich darum.

Rauschen.
Filmrisse.
Farbschwankungen und –verfremdungen.
Die Korrektur- und Trackingfunktion scheitert an dem grisslig – verschlissenen Bild, kurz vorm Auslaufen des Filmes wird endlich etwas Klareres erkennbar. Ein Mann mit einer ausgestreckten Waffe in der Hand, offensichtlich zum Feuern bereit und auch ebenso deutlich in einer prekären Lage.
Der Vorspann gibt bereits den Ton vor und wechselt dann in die eigentliche Erzählung über; obwohl das Bild dann ohne Beeinträchtigungen sichtbar wird, geht der Film keinen linearen Ablauf und kümmert sich weniger auf eine chronologisch – rationale Erzählung.
Zeitebenen werden geöffnet und bleiben auch aufgeweitet, andere kommen hinzu und ergänzen bereits bekanntes Wissen aus einem anderen Blickwinkel. Oder kehren es um oder führen neues ein.
Allerdings wirft man keine Brocken hin, sondern identifizierbare Einstellungen und legt es nicht darauf an, Kunst um der Kunst willen als Versteckspiel anzulegen.
Die Übersicht wird nicht verloren; das Drehbuch und sein Regisseur wissen was sie erzählen wollen und was sie auch dafür benötigen, nicht den Zuschauer zu verlieren. Sie tischen ihm alle Einzelheiten auf, nur das Menü und seine Reihenfolge bestimmen sie selber; ohne aber das Publikum unmündig zu machen. Man kann eigene Auslegungen und Interpretationen einwerfen und bekommt durch die Anhaltspunkte der Handlung weitere Sichtweisen und Standpunkte als Hinweise angeboten.
Lesart und Deutung werden durch mehrere Positionen unterstützt; der Film steht auf einem Dreibeiner:

Sung führt die Taten aus.
Polizist Michael [ Sunny Chan ] untersucht den Fall.
Reporter Hak [ Jordan Chan ] ist dazu verdammt worden, eine Artikelserie über “Die Könige der Unterwelt” zu verfassen. Nichts reales, sondern etwas, dass die Leserschaft fesseln soll. Er wird nach Worten bezahlt.

Dieses System der drei Vektoren geht von dem ersten Tatort aus; in einem VIP Raum einer Bar sind drei Toten gefunden worden, die mit Zyanid vergiftet wurden. Sie hatten einen Waffendeal vor. Dieser Scheitelpunkt wird mit Wiederholungen, Abänderungen, Befragungen und Rückblenden verstärkt und zeigt schnell die weitere Vorgehensweise der Handlung auf. Auch dort verbindet sich bereits die Gegenwart mit der Vergangenheit; die jeweils jetzt ablaufenden Phasen wechseln rapide mit den bereits vollzogenen Intervallen. Cop Michael stellt die Fragen auf und interviewt die Angestellten und Anwesenden; während Sung uns zeigt, wie er zu der Idee kam, wie er sie plante und ausführte. Erst danach bekommt man in einer weiteren Rückblende überhaupt eine Art Motiv nachgereicht und dabei auch gleich etwas mehr über den Täter erklärt.
Aufgrund der klaren Regieweise verliert man nie die Gesamtschau über Ursachen, Wirkung und Abfolge; sondern bekommt nur eine andere Form der Spannungserzeugung und der
Deutlichmachung von Einzeltaten im Gesamtumfeld offeriert.
Also kein narratives Vabanquespiel, sondern die Betonung über mehrere Personen und diversen Methoden. Vor allem auch das Wechselverhältnis zwischen den unterschiedlichen Charakteren und ihre jeweilige Verbindung zu den noch folgenden Morden bringt dem Film ein ganzes Stück Anreiz mit hinzu.

Dabei erwächst beileibe kein auf Charakterisierung bezogenes Dramaporträt daraus; man möchte nicht unbedingt was aussagen und man gestaltet die Figuren nicht durch Worte tiefer, sondern weil man sie in zahlreiche Kohärenzen setzt. Es werden diverse Genres zur Rate gezogen und auch verschiedene Fäden gezogen. Es ist kein Triadenfilm, obwohl er öfters in diesem Setting spielt und mit Speck [ Wu Hsing Guo ] und Po [ Joe Lee ] auch zwei auffallende Oberhäupter vorzuweisen hat. Es ist kein Krimi, kein Polizeifilm, keine Komödie und dennoch sind unzweifelhaft prägnante Elemente davon vorhanden; die mal Einflussbereich, mal Zuständigkeitsbereich, mal Wirkungsbereich, mal Interessensbereich usw. kennzeichnen.
Auch hierbei achtet man darauf, durch kleinere Details und Alltagsgegenstände [ und entsprechender Vernachlässigung ihrer Ausführer und Besitzer ] immer wieder erneut iterative Beziehungen zwischen dem Dreier – Stativ zu knüpfen. Geradezu zyklische Schleifen, die regelmässig wiederkehren und durch die eben jeder durchgehen muss.
Beispiel: Die öffentliche Beerdigung des ersten Gangster, die von dem Reporter und dem Polizisten als Job und dem Täter aus Neugier besucht wird. Die dabei kaputtgehende Kamera des Reporters, der seine Fotos im Labor retten will; indem auch der Täter arbeitet. Dabei vergisst der Reporter seine Zeitung, in dem sein Artikel steht; der Fotolaborant kümmert sich nicht darum und überlässt sie einer Kundin, die vor der Tür überfallen wird. Sie gibt eine Anzeige auf, der Polizist kauft ihr eine neue Zeitung und sie schwärmt ihm von dem Artikel vor.

Nun mag manches sicherlich stark von Zufällen und Schicksalsfügungen abhängen, aber es wird auch gar nicht grossartig Wert auf jede Bestimmung gelegt; die diversen Überkreuzungen der Personen sind alle mit leichter Hand und oftmals auch mit einem angenehmen, sehr leisen Witz überzogen. Understatement statt over the top. Behutsam und gleichzeitig sicher statt auf Teufel komm raus und aufdringlich. Eine Szene geht ohne Schwierigkeiten in die nächste über und reift nach und nach zu einem Ganzen heran. Erfreulich ist auch die vermischende Konkurrenz von Kunst und Leben, die sich aneinander ergänzt und später sogar die Stellungen wechselt - Hak hat im Verlauf das Problem, dass alles was er ausdenkt und schreibt zur Wahrheit wird. Speck wird zu seinem grössten Fan.
Die Leute schauen anfangs permanent und an jedem Ort Fernsehen; Gedankenaustausch und Inspiration. Das einzig klare Bild aus dem zerfetzten Vorspann entpuppt sich als eine Aufnahme von Simon Yam in Hitman.
Realität und Vorstellungskraft schwimmen in der gleichen Bahn; persönliche Träume und Phantasien kommen hinzu. Regisseur Chiu lässt uns an einem Unauffäligen, aber dennoch Markanten teilhaben.
Das Angebot sollte man annehmen. Auch wenn manche hinterher vielleicht mit leeren Händen dastehen sollten.

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