„Geschichten aus der Gruft“ ist der vierte aus einer Reihe von acht Episodenhorrorfilmen der britischen Filmschmiede „Amicus“ und erschien im Jahre 1972 unter der Regie von Routinier Freddie Francis („Die Todeskarten des Dr. Schreck“, „Der Foltergarten des Dr. Diabolo“, „Draculas Rückkehr“). Grundlage dieses Films waren, wie auch der Ende der 1980er gestarteten TV-Serie gleichen Namens, die Horrorcomics aus dem E.C.-Verlag.
Mit gleich fünf Episoden plus Rahmenhandlung reichlich vollgepackt, ist allen der moritatische Ton gemein, der wie in vielen Episodenhorrorfilmen üblich bitterbösen, schwarzen Sarkasmus aufweist, der sich aus den comichaft-moralischen Pointen als Konsequenz aus der über Leichen gehenden kriminellen Energie der jeweiligen Missetäter ergibt. Die Rahmenhandlung lässt fünf Personen während der Besichtigung von alten, großen Gruftkatakomben vom Weg abkommen und auf den „Cryptkeeper“ (Ralph Richardson, „Doktor Schiwago“) treffen, der über die finsteren Pläne der Herrschaften Bescheid weiß und ihnen in Form der fünf Episoden jeweils ein grausames Ende prophezeit
In der ersten Episode bringt Joanne Clayton (Joan Collins, „Nacht kommt die Angst“, „Geschichten, die zum Wahnsinn führen“) ihren Mann um die Ecke, hat jedoch die Rechnung ohne einen aus dem Irrenhaus entflohenen Serienmörder und die kindliche, von der Vorweihnachtsstimmung geprägte Naivität ihrer Tochter gemacht. Hingucker dieser Episode ist nicht etwa die Collins, sondern die unheimlich geschmacklos, quietschbunt eingerichtete Wohnung, die in ihren schreienden Farben ein Paradebeispiel dafür ist, wie ästhetisch grausam die 1970er gewesen sein können. Selbst das neonfarbene, fast pinke Kunstblut fügt sich darin perfekt ein. Die Handlung indes ist sehr vorhersehbar, angenehm makaber dabei die Umkehrung des Weihnachtskitsches in eine todbringende Gefahr. In Episode Nr. 2 will Familienvater Carl Maitland (Ian Hendry, „Kronos“) mit seiner Affäre (Angela Grant) durchbrennen, wird jedoch in einen Autounfall verwickelt. Schwerverletzt schleppt er sich zur Wohnung seiner Geliebten. Weit weniger vorhersehbar, punktet dieser Teil mit einer düstereren Stimmung und subjektiver Kameraführung.
Beide Episoden waren jedoch lediglich Appetithappen für den dritten Streich: Der skrupellose Spekulant Elliot (Robin Phillips, „David Copperfield“) will den armen Witwer Arthur Grimsdyke (Peter Cushing, „Frankensteins Fluch“, „Dracula“, „Horror-Express“) von dessen Haus und Grund vertreiben und treibt ihn durch Mobbing und Verleumdung in den Selbstmord. Doch Arthur ruht nicht in Frieden… Der einzigartige, unnachahmliche Peter Cushing mimt hier den kinder- und tierlieben, doch bemitleidenswerten Mr. Grimsdyke mit emotionalem Tiefgang und erobert einmal mehr die Herzen seines Publikums im Sturm. Gelungene Maskenarbeit lässt Grimsdyke gebrechlich und harmlos erscheinen, während Robin Phillips als Elliot als schmieriger, herzloser, eiskalter Makler den Hass auf sich zieht. Das menschliche Herz bzw. Herzlosigkeit spielen sodann auch in der überraschend blutigen Pointe eine entscheidende Rolle. Meines Erachtens stellt diese Episode den Höhepunkt des Films dar.
In der vierten Episode wird eine fernöstliche, drei Wünsche erfüllende Statue dem vor dem finanziellen Kollaps stehenden Paar Ralph (Richard Greene, „Das schwarze Schloss“) und Enid (Barbara Murray, „Der Fluch des Tut-Ench-Amun“) zum Verhängnis. Nachdem Ralph bei einem Autounfall stirbt, wünscht sich Enid ihren Mann zurück – mit ungeahnten Folgen. Gut, auch diese Episode ist recht vorhersehbar, jeder Genrefreund dürfte schon einmal mit „bösen“, jedoch Glück verheißenden Wunscherfüllungsgehilfen konfrontiert worden sein. Dank des rasanten Tempos jedoch überschlagen sich die Ereignisse dieser äußerst makabren Episode und werden grafisch zudem voll in Szene gesetzt, getragen von guten, an Hysterie grenzenden schauspielerischen Leistungen. Ein kleiner, fieser Spaß für Zwischendurch, bis es an die letzte und zugleich längste Episode geht: Ex-Major William Rogers (Nigel Patrick, „Der Mackintosh Mann“) wird neuer Leiter eines Blindenheims, das er fortan mit eiserner, militärischer Hand führt, die Budgets gnadenlos zusammenstreicht, Wasser predigt und Wein trinkt – und nach einem Todesfall infolge der von ihm verursachten menschenunwürdigen Lebensbedingungen den Hass der Blinden auf sich zieht. Warum man auch vermeintlich schwächere Mitmenschen besser gut behandeln sollte, zeigt der ausgeklügelte Racheplan, den die Blinden unter Anführung George Carters (Patrick Magee, „Asylum“) entwickeln und durchführen. Während die Rolle des Majors fast bis ins Groteske überzeichnet wird, bemüht man sich im Falle der Blinden um eine möglichst realitätsnahe Darbietung. Was zunächst nur schwer miteinander vereinbar erscheint, entpuppt sich als Rechtfertigungsversuch für den bei den Bewohnern zutage tretenden Sadismus, die mit kaltem Kalkül in einer Weise vorgehen, die sich anderenfalls kaum hätte begründen lassen. So wird man als Zuschauer von der Wehrhaftigkeit der Gehandicapten überrascht und ist fast geneigt, Mitgefühl für den Major zu entwickeln – aber eben nur fast.
Auch wenn der Cryptkeeper in diesen „Geschichten aus der Gruft“ noch menschlich aussieht und keine Psychopathenlache aufsetzt, ist der grundsätzliche Stil dieser Art von Comicverfilmungen bereits in dieser unter Zuhilfenahme viel britischen Charmes umgesetzten Produktion eindeutig zu erkennen, die wunderbare kurzweilige Unterhaltung sowie einen für das Entstehungsjahr nicht unbedingt üblichen Härtegrad bietet. Zumindest in meiner subjektiven Erinnerung variiert die Spieldauer der einzelnen Episoden nach Relevanz und Anspruch; die etwas schwächeren versuchte man nicht künstlich aufzublasen, sondern spendete den interessanteren dafür mehr Aufmerksamkeit. Dass bei fünf Episoden innerhalb normaler Spielfilmdauer keinerlei nennenswerten Längen auftreten, dürfte sich von selbst verstehen. Freddie Francis‘ Comicverfilmungen fügen sich nahtlos in das Amicus-Episodengesamtwerk ein lohnen sich allein schon aufgrund des Auftritts des ehrwürdigen Peter Cushings.