Review

Wunderbar. August Underground. Mordum!

Ein liebliches, ja fast einfühlsames Werk über tiefe Gefühle und das menschliche Begehren, mehr über das Innerste zu erfahren – das, was den Menschen im innersten zusammenhält. Ein Werk, das mit Konventionen bricht und den Vorhang öffnet, der uns bisher den Blick auf neue, bisher nie erschlossene Pfade menschlicher Dicht- und Filmkunst versperrte.

Auf! Auf, in eine neue, größere und schönere Welt, in der der freie menschliche Geist sich selbst verwirklicht. Auf in die Genesis eines neuen, höheren Miteinander.

Dicke, peinliche Menschen, die sich gegenseitig in die Gesichter erbrechen, Wunden zufügen und wie 7-jährige Mädchen kichern, während sie sich zärtlich und wohlwollend um mit Ketchup besudelte Mitmenschen und Plastikpuppen kümmern.

In meinen Recherchen nach den „most disturbing movies“ musste ich natürlich unweigerlich auf dieses Werk stoßen. Man mag mir diese Recherche zum Vorwurf machen und man tut es zurecht. Die Frage nach dem Warum ist durchaus angebracht. Genauso könnte man Eva bitten, den Biß in den Apfel zu rechtfertigen. Der besondere Reiz des Verbotenen. Menschen Grenzen überschreiten sehen, die andere nicht einmal erahnen, ist etwas, das nicht in unsere Gesellschaft paßt und es gerade deswegen so interessant macht. Ich stelle jedes Mal erleichtert fest, daß ich nicht privilegiert bin, wenn ich mich auf dieses Terrain begebe, sondern daß ich mich viel mehr unangenehm von diesen Amateurfilmern berührt fühle, weil das Betrachten ihrer Filme dem Kauen auf einem großen Knorpel ähnelt, den man nicht ausspucken kann, weil die Freundin daneben sitzt.

Es gibt tatsächlich Filme unter den „most shocking movies“ die vereinzelt unter die Haut gehen und über die man kontrovers diskutieren könnte. „Men behind the sun“, „Irreversible“ oder auch ”Salo” könnten solche Filme sein. Diese heben sich dann aber von anderen Kandidaten ab, indem die Schauspieler es schaffen, daß der Zuschauer sich mit ihnen identifiziert und mit ihnen mitleidet. Die wenigsten Filme auf diesen „most disturbung“-Listen schaffen das, weil sich natürlich nur gänzlich talentfreie Menschen darin tummeln, bei denen so ziemlich gar nichts geht. Den Schock, den die Baseball-Szene in „Casino“ oder Omaha Beach in „Saving Private Ryan“ auslösen, habe ich bei nicht einem einzigen Videonasty erlebt.

Natürlich wird August Underground jeden schocken, der nicht schon mal einen Film mit derartigen Inhalten oder Effekten gesehen hat. Aber wie man auch an den schlechten Benotungen anderer Reviewer sieht, kann diese Ansammlung dicker, hässlicher und äußerst peinlicher Gesichtsknüppel in keinster Weise auch nicht den hungrigsten Hahn hinter dem Ofen hervorlocken. Irgendwo war mal zu lesen, der Schluß dieses Films würde einen für den Rest seines Lebens verfolgen. Das ist mir nach dem Genuß dieses Films wieder eingefallen und ich mußte herzlich lachen. So etwas Dämliches habe ich lange nicht gehört. OK – das Rumgekotze der dicken Kopfbehinderten mit den Haarwurzelentzündungen am Arsch war beim Abendessen etwas unangenehm – aber so einfach lasse ich mir mein Leberwurstbrot nun auch nicht madig machen.

Wer die Jungs von Jackass kennt, wird hier einige Parallelen erkennen können – mit dem Unterschied, daß Knoxville und seine Deppen durchaus amüsant waren. Demjenigen, der nach 2 min den Ton noch nicht leise gedreht hat, weil er sich für das wirklich entsetzlich peinliche Geschrei amerikanischer Sonderschüler fremdschämt, unterstelle ich Durchhaltevermögen. Demjenigen, den nach einem Drittel noch nicht das Gefühl beschleicht, den Protagonisten für ihr Anliegen, dem Zuschauer weismachen zu wollen, sie seien ein paar ganz harte und durchgeknallte Typen, tüchtig was auf die Schnauze hauen zu müssen, bescheinige ich Gutmütigkeit. Und wer sich nicht schon die ganze Zeit über nebenbei mit anderen Sachen beschäftigt, weil ihm sonst vor Langeweile die Augen zufallen würden, verdient die Tapferkeitsmedallie.

Die Punktevergabe fällt heute aus wegen is nich und ich guck jetzt „La Boum“ mit Sophie Marceau.

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