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Heinrich Schlüter ist selbständiger Fuhrunternehmer, und fährt die Strecke München-Stuttgart-Karlsruhe-Frankfurt im Linienverkehr. Heinrich hat viel gearbeitet, dann kam der Krieg, und jetzt, ganz plötzlich, ist die Tochter Lisi 21 und hat geheiratet. So einen mit Brille! Nun ist sie aus dem Haus, und Heinrich fühlt sich plötzlich ganz schön alt. Und obwohl er seine Anna seit 25 Jahren liebt, macht die Anhalterin, die er eines Nachts nach Frankfurt mitnimmt, doch ziemlichen Eindruck auf ihn. So sehr, dass er, nachdem sie bei der nächsten Fahrt wieder in seinem LKW saß, beginnt über sie nachzudenken. Sich mit Inge, so ihr Name, zu treffen. Und ihr Geschenke zu machen. Heinrich verliebt sich mit seinen deutlich über 50 Jahren nochmal in ein 24-jähriges Mädchen, und er ahnt nicht einmal, dass Inge von ihrem Mann Kurt auf ihn angesetzt wurde, um in drei Wochen eine Ladung geschmuggelter Pelze aus der Ostzone störungsfrei nach Karlsruhe zu bringen. Doch wie die Dinge so gehen, auch Inge verliebt sich, denn Kurt hat sich schon längst zu einem egoistischen und drogenabhängigen Schwein entwickelt, und mit Heinrich an ihrer Seite fällt Inge das überhaupt erst auf. Und bei all den Dingen, die frisch Verliebte so tun, vergisst Heinrich doch glatt seine Anna. Und Inge vergisst, Heinrich dazu zu bringen, die Fuhre mit dem Schmuggelgut zu übernehmen …

Räder rollen durch die Nacht, und eine traurige und eindrückliche Melodie geleitet uns in die Welt einsamer Männer. Die bei Nacht und Regen über verlassene Autobahnen rollen, kein Problem mit dem Alleinsein haben, und die Welt aus einer anderen Perspektive erleben. Wie ein Passagier fährt Heinrich durch das gerade beginnende Wirtschaftswunder und versucht, die Raten für seinen Anhänger abzustottern. Eines Nachts kommt er an eine Unfallstelle, ein Cabrio, das ihn gerade noch halsbrecherisch überholt hat, liegt zerstört auf der Straße. Der Fahrer ist tot, eine Pistole liegt auf der Fahrbahn herum, und ein aufgerissener Umschlag offenbart 20.000 Mark. Eine Menge Geld, und Heinrich nimmt sich dieser Menge Geld an. Endlich kann er seiner Anna den Pelzmantel schenken, den sie sich seit 27 Jahren wünscht. Und seiner Lisi kann er eine goldene Uhr kaufen. Dieser Teil des Films ist ein klassischer Noir, der in ruhigen und eindringlichen Farben das Schicksal eines Mannes erzählt, der feststellt, dass das Leben allmählich an ihm vorbeigeht. Der den Wink des Schicksals aufgreift und erst sehr viel später merkt, dass er in Wirklichkeit der Versuchung des Teufels erlegen ist.

Den Begriff Midlife Crisis gab es damals noch nicht, aber Heinrich befindet sich genau an dieser Stelle. War das jetzt schon alles? Und wenn man nochmal anfangen könnte? Die Liebe zu Inge beflügelt ihn, gibt ihm neue Kraft und Hoffnung, und es schmerzt den Zuschauer sehr zuzusehen, wie er seine brave und gutbürgerliche Anna zuhause in München im kleinen Häuschen immer mehr vergisst. Doch so richtig überzeugend ist dieser Teil der Story nicht, die Liebesgeschichte wird lang und breit erzählt, und überdeckt an der Stelle zum einen die Krimihandlung, nimmt aber vor allem demjenigen Part die nötige Luft, die die erste halbe Stunde so eindrücklich gemacht hat. Diese ruhige und fast meditative Erzählung um den einsamen Trucker, die wird fallengelassen zugunsten einer Liebesgeschichte, die wehtut und zwar die Handlung mühsam voranbringt, aber viel zu ausführlich dargestellt wird. Kurts Drogenabhängigkeit wird viel Raum gegeben, dagegen wird sein Schicksal als Kriegsteilnehmer, der sich offensichtlich nicht so richtig wieder eingliedern konnte, zu kurz gehalten. Gut möglich, dass damals zu viele einstige Kriegsteilnehmer mit solchen Problemen im Publikum saßen, aber der erhobene Zeigefinger der Marihuana-Abhängigkeit bremst die Stimmung da leider etwas aus.

Gegen Ende, wenn der Krimianteil wieder in Fahrt kommt, und Kurt mit der Pistole auf den renitenten Heinrich losgeht, dann jubelt der Noir-Fan im Zuschauer wieder. Es ist Nacht auf den einsamen Straßen, der Gangster bedroht den aufrechten Einzelgänger in der abgewetzten Lederjacke, und Filme wie GEWAGTES ALIBI schießen einem durch den Kopf. Klassiker, vor denen sich NACHTS AUF DEN STRASSEN in diesen Momenten überhaupt nicht verstecken muss, wenn da halt nicht diese zu lange Liebesgeschichte wäre. Genauso wie das deutsch-biedere Ende, das ein Robert Siodmak sicher düsterer und tragischer hinbekommen hätte. Aber 1952 war im deutschen Film halt nunmal nicht die Zeit für düstere und tragische Enden, und in diesem zeitlichen Kontext ist NACHTS IN DEN STRASSEN ein starker und packender Film geworden, der mit einigen sehr nachdrücklichen Szenen punktet: Der verheiratete Heinrich und die 30 Jahre jüngere Inge, die nachts gemeinsam auf sein Pensionszimmer gehen, das dürfte den Skandalstatus der Knef mindestens genauso beflügelt haben wie ihre sekundenlange Nacktszene ein paar Jahre vorher in DIE SÜNDERIN. Auch die Einführung von Kurt ist bemerkenswert: Der Mann liegt völlig zugedröhnt auf einem Sofa und sonnt sich im Drogenrausch. Nicht Alkohol, Marihuana ist das Mittel, und 1952 dürfte man noch keinen Schauspieler gesehen haben, der in seiner ersten Szene in einem Film stoned auf einem Sofa liegt und völlig weggetreten ist. Ehebruch, Drogenmissbrauch, Kriminalität – Hey, wir reden hier von einem deutschen Film der Adenauer-Ära (Was dem Ende ja auch deutlich anzusehen ist), da waren solche Themen normalerweise eher Tabus, zumindest nach heutiger Wahrnehmung …

Die starken und einfühlsamen Schauspieler, die provokante Handlung, die perfekt passende Musik, die feine Kameraarbeit des altgedienten Profis Václav Vich, die uns das Frankfurt der Nachkriegszeit ohne Scheuklappen vor Augen führt, alles diese führt zu einem wirklich starken Noir, der leider in der Mitte ein wenig vom Pfad abweicht, und das Ende den zeitlichen Erfordernissen unterordnet. Nichtsdestotrotz großartiges (deutsches) Kino, das einem thematisch ähnlich gelagerten Actioner wie Gilles Grangiers GAS-OIL problemlos überlegen ist.


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