Allenfalls an Genre-Komplettisten richtet sich Rafael Romero Marchent („Blei ist sein Lohn“, „..und Santana tötet sie alle“) mit seinem wenig individuell gestalteten Italo-Western „Ein Schuss zuviel“, der sich darüber hinaus phasenweise auch noch an die U.S. – Gegenstücke anbiedert und während der frühen Phase der Filmbewegung produziert wurde. Überdurchschnittlich sind hier allenfalls die Kompositionen des kompetenten Francesco De Masi („Lone Wolf McQuade“, „Thunder“).
Die beiden erfahrenen Regisseure / Autoren Mario Caiano (u.a. „Der Mann mit der Kugelpeitsche“) und Eduardo Manzanos Brochero (u.a. „Sartana kommt“) schicken Pietro Martellanza („Die Cobra“, „Seine Waffe war Dynamit“) als Ringo (in der deutschen Fassung Blyth oder so ähnlich...) auf die Jagd nach einer Gruppe von Kriegsverbrechern, die nach dem Bürgerkrieg durch Missouri streunen und speziell die Kleinstadt Springfield terrorisieren. Die dortigen, finanzkräftige Oberschicht sieht ihr Gebiet deswegen in der wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt und engagiert diskret die Pinkerton-Detektei anstatt Unionstruppen für Ordnung sorgen zu lassen, weil die dann auch gleich das Land mit verwüsten würden. Neben Ex-Soldat Ringo, der sich ohnehin für die Band interessiert, trifft alsbald unter dem Deckmantel eines trinkenden Goldsuchers Kopfgeldjäger Samuelson ein, der die Lage peilt.
Rafael Romero Marchent inszeniert technisch auf der Höhe der Zeit, erweist sich aber nicht als Regisseur, der einen gewöhnlichen Stoff so umsetzen kann, dass daraus mehr als ein ansehbarer, aber gleichzeitig auch interessanter Genrebeitrag wird. Deswegen ist „Ein Schuss zuviel“ keine Zeitverschwendung oder ein Ärgernis, er lohnt sich nur nicht unbedingt.
Denn so richtig in Fahrt kommt die Geschichte nie und auch die sich eigentlich nie einprägenden Darsteller wecken wirkliches Interesse beim Zuschauer. Der Plot plätschert gemächlich vor sich hin und selbst als Ringo mitsamt seinem neuen Partner Samuelson den reichen, zwielichtigen Corbett, der mit den Banditen gemeinsame Sache macht, tötet, keimt nicht ansatzweise Spannung auf. Vorherige Szenen wie die kompromisslosen Versuche des Banditenanführers Bill Anderson (Armando Calvo) unter der Gefolgschaft des Sheriffs den möglichen Pinkerton-Detektiv ausfindig zu machen, sind genauso undramatisch umgesetzt. Selbst die Einführung des zunächst nur aus weiter Ferne beobachtenden, schweigsamen Ringo, dessen Antrieb erst in den letzten Minuten des Films klar wird, verschenkt Marchent.
Viele Umwege auf sich nehmend, die unter anderem einen Gefängnisaufenthalt von Ringo und Samuelson mit anschließender Flucht wegen des Mordes an Corbett (Wie kann so ein ausgeschlafenes Duo auch so dumm vorgehen?) beinhalten und auch über die Romanze von Kid, das Mitglied der Bande auf das es Ringo abgesehen hat, mit Corbetts Tochter, fehlt „Ein Schuss zuviel“ die nötige Stringenz, um den Genrefan bei Laune zu halten. Viele Überraschungen gibt es nämlich nicht und von Spannung ist nie die Rede.
Die Flucht der Banditen nach Westen, wo sie einen Mormonen-Zug überfallen, um deren Identitäten anzunehmen, läutet dann das letzte Drittel ein. Wie das ihnen hinterherreitende Duo überhaupt folgen kann, ist dabei auch ein Witz für sich.
Auch hier werden wieder Rafael Romero Marchent Defizite deutlich, weil er weder den erbarmungslosen Massenmord an den friedlichen Siedlern die nötige Dramatik abringt, noch die spätere Barschlägerei zwischen den verkleideten Banditen und Ortsansässigen in einer Bar kurz und ernst genug meint.
So ist der Schluss auf der Ranch von den vielen Schwächen des spannungslosen Films gekennzeichnet, als Ringo und Samuelson ihre Zielobjekte aus überlegener Position in einem Farmerhaus festsetzen und sie geduldig dezimieren, bis es zu einem persönlichen, tragischen Schluss kommt, den Genreerfahrene aber längst zur Filmmitte erahnt haben. Der Twist kam damals einfach zu oft.
Fazit:
Routinierter, akzentloser Italowestern, der den rechten Kick vermissen lässt. Das Drehbuch unterschlägt gleich Unmengen Informationen, die die Geschichte interessanter hätte machen können (Warum ist Kid zum Beispiel so versessenen darauf mit Anderson zu ziehen? Warum ist das „sein“ Krieg?“) und so belanglos ohne Höhepunkte, wie Rafael Romero Marchent hier inszeniert, könnte man meinen, er hätte bereits früh das Interesse am Stoff verloren. „Ein Schuss zuviel“ ist letztlich beileibe kein verkorkster Western, ihm fehlt es nur eindeutig an Klasse. Vor sich hin plätschernde, weder spannende noch actionreiche Western, die nicht einmal über interessante Figuren verfügen oder zumindest mit den elementaren Motiven zu hantieren wissen, gibt es leider zu viele. Kurz gesagt: Nicht verhunzt, aber dafür langweilig.