Klarer kann man einen Filmtitel nicht benennen - "I banditi a Milano" (Die Banditen von Mailand) trifft es auf den Punkt, denn Carlo Lizzanis Film konzentriert sich schnörkellos auf eine Bande von Bankräubern, unter der Leitung von Piero Cavallero (Gian Maria Volonté), deren siebzehnter Überfall zu einem blutigen Fiasko wird.
Anstatt psychologische Hintergründe oder persönliche Befindlichkeiten der Täter zu analysieren, beginnt Lizzani mit einem semi-dokumentarischen Einstieg in den Film, der Kommissar Basevi (Thomas Millian) in den Mittelpunkt stellt, der einem sich im Off befindlichen Reporter die Verhältnisse in Mailand schildert. Die Kamera gleitet dabei von einem Lynch-Mob über die Dächer Mailands, blendet zwischendurch einen Gangster alter Schule ein, der davon berichtet, dass die heutigen Verbrecher keine Kinderstube mehr hätten, woran er Gewalt verherrlichenden Comics die Schuld gibt, bevor Lizzani die Zerstörung eines Nachtclubs mit entsprechenden Comiczeichnungen garniert.
Insgesamt hinterlassen diese ersten 20 Minuten, deren Bezug zur späteren Gangsterstory sich erst im Nachhinein erklären, einen absurden Eindruck, in ihrer Mischung aus der Beschreibung zunehmend gewalttätiger Verbrechen und komischen Einlagen, wenn etwa ein Gangsterboss sich mit Gewalt seinen gerade am Spieltisch verlorenen Einsatz wieder holt und dabei die Gelegenheit nutzt, sich als der bessere, zudem noch preislich günstigere, Schutzgelderpresser anzubieten, wenn ständig ein Mann in irgendwelche Unterredungen oder Verhöre platzt, weil er die ihm gestohlenen 100000 Lire von der Behörde zurück haben will, oder eine Frau den Kommissar mit ihren erotischen Fantasien als angebliche Zeugin am Telefon festhält.
Interessant sind dabei die ironischen Parallelen zu den damaligen Studentenunruhen und Veränderungen in der italienischen Gesellschaft, denn schon der Menschen - Auflauf zu Beginn hätte genauso einer eskalierenden Demonstration entnommen sein können, die konservativen Bemerkungen des älteren Gangsters stehen stellvertretend für die Haltung seiner Generation, Nachtclubs und freie Sexualität für den Verlust der Moral und nicht zuletzt gibt es hier Gian Maria Volonté, der statt seiner gewohnten Rolle als Revolutionär oder Kämpfer für die Gerechtigkeit, mit keinem Deut weniger Engagement den skrupellosen Gangster mimt.
Diese Konstellation entschlackt die Thematik in beeindruckender Weise, denn dank dieses "Vorspiels" genügt schon der hier gezeigte Zustand der Gesellschaft, um das Verhalten der Bankräuber glaubhaft erscheinen zu lassen. Selbst als die Gewalt eskaliert und Piero Cavallero (Gian Maria Volonté) auf der Flucht vor der Polizei wahllos in die Menschenmenge schießt, benötigt Lizzani dafür keinen wie auch immer gearteten psychologischen Überbau. Er kann es sich sogar leisten, die unschuldigen Opfer ihrer Anonymität zu entreißen, einen kurzen Blick auf ihr vorheriges Leben und ihre Angehörigen zu werfen, ohne damit einen Moment in den Verdacht zu geraten, emotionale Ressentiments gegenüber den Gangstern schüren zu wollen.
Im Gegenteil - es ist geradezu frappant, wie der selbstgefällige, großmäulige Cavallero, an dessen kriminellen Taten bis zum Mord kein Zweifel besteht, trotzdem die schillerndste Figur bleibt. Unterschwellig gewalttätig, betont bürgerlich auftretend, unangenehm übergriffig gegenüber Frauen und ohne jeden Zweifel an seiner Intelligenz, ist Gian Maria Volonté hier Revolutionär und Spießer in einer Person. Sein Spiel ist dabei so variabel, dass Details seiner Vergangenheit nicht notwendig sind - dieser Mann ist so sehr Teil dieser Gesellschaft, wie es Volonté Spaß macht, seinen Charakter darin frei wüten zu lassen. Lizzani betont das noch durch die gegensätzliche Darstellung seines Gegenspielers, des Kommissars, den Milian jungenhaft, intellektuell, immer eine Zigarettenspitze im Mund, äußerst rational und beherrscht darstellt. Weiter weg kann ein Kommissar kaum von seiner zu beschützenden Bevölkerung sein.
Deshalb werden auch die Verfolgungsjadgen der Polizei, die mit langen Autorasereien durch Mailands Straßen, Hundertschaften, die schwer bewaffnet jeden Quadratmeter absuchen, und Hubschraubern, mit denen Cavallero und sein noch einzig gebliebener Begleiter immer mehr in die Enge getrieben werden, nicht zum Mentekel oder zur Erniedrigung der Gangster, sondern zur Flucht zweier Verfolgter hochstilisiert. Lizzani bleibt dabei scheinbar ganz neutral, nur beobachtend, ohne äußere Betonung irgendwelcher Sympathien, aber wann jemals gönnte ein Film, der eine solche Konstellation zum Ende hin aufbaute, einem Gangster das psychologische Gefühl des Sieges, dessen Lachen dem Betrachter bis zum Schluss in den Ohren klingt? (8,5/10)