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Sean Veil wurde vor 10 Jahren des Mordes an einer vierköpfigen Familie angeklagt, wurde aus Mangel an Beweisen, aber mit der gesellschaftlichen Brandmarkung nicht erwiesener Unschuld aus der Untersuchungshaft entlassen. Um eine erneute Festnahme zu verhindern, dokumentiert Sean sein ganzes Leben auf Videobändern, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr und jetzt 10 Jahre. Die Paranoia in die er sich hineinsteigert, leugnet er sich selbst gegenüber, denn die Symptome Wahn und Misstrauen und die Unfähigkeit klar zu Denken seien keine ihm eigenen Wesenszüge. Sein Verhalten sei im Gegensatz zu dem von Paranoiden gerechtfertigt und nachvollziehbar.
Trotzdem mutet von außen betrachtet zunächst alles so an, als sei seine Reaktion etwas überzogen, denn wie groß ist schon die Wahrscheinlichkeit zweimal unschuldig vor den Kadi gezerrt zu werden. Zweitrangig; denn Fakt ist: in seinem Fall tritt das Unmögliche ein.
Sean wird des Mordes an Mary Shaw verdächtigt, deren Leiche nach 5 Jahren auftaucht, aber ... die entlastenden Bänder sind spurlos verschwunden.

Die Personen, die Sean für seine Verleumdung verantwortlich macht, spielen auch im weiteren Verlauf eine große Rolle. Die Polizei, in Person der Detectives Mountjoy und Emeric, die Medien, die durch einseitige Berichterstattung die öffentliche Meinung gegen ihn lenkten, vertreten durch die Journalistin Katie Carter, die scheinbar ein persönliches Motiv bei dem Fall verfolgt und zu guter Letzt der Profiler Seger, eine Erscheinung erschreckender Fettleibigkeit, der Sean auf Basis seiner Analyse schuldig spricht, dem es aber weniger auf die Wahrheit anzukommen scheint, als vielmehr darauf, seine Kredibilität und seine Reputation als Forensiker und Schriftsteller zu wahren.
Diese ganzen Faktoren kulminieren im Finale des Filmes, das sich über einen ungewöhnlich langen Zeitraum ausdehnt und vom Grundton wie ein invertiertes Possenspiel anmutet.

Seine penible Akribie macht Sean zum Gefangenen seines Wahns statt zum Insassen eines Gefängnisses. Seine von ständiger inhaltlicher Redundanz geprägten inneren Monologe sind Ausdruck seiner ausschließlichen Fixierung auf ein permanentes Gefühl der Bedrohung.
Leider scheint er aber - verblendet von seiner Paranoia - nicht beachtet zu haben, dass der Möglichkeit Rechnung getragen werden müsse, die Polizei könne ihn der Fälschung seiner Bänder bezichtigen.

Der depressive Grundton und die düstere Atmosphäre, erzeugt durch die melancholische Musik, die mehrheitlich konventionelle Kameraführung (mit Ausnahme der Kameras, die Veil aufzeichnen) und die fast ausschließliche Verwendung kalter und dunkler Farben, schaffen es das Mystische der Geschichte und die Verzweiflung ihres Protagonisten in mehr als zufriedenstellendem Maße zu vermitteln.

Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass FREEZE FRAME während seiner 95 Minuten Laufzeit einige Längen zu überwinden hat und dass die Geduld des Zuschauers sukzessive stärker der Gefahr ausgesetzt wird, über die immer neuen Fallstricke des Plots zu stolpern, die die Handlung bisweilen im Kreis drehen lassen. Abgesehen davon muten einige Dialoge schon fast unfreiwillig komisch an (z.B. durch Ambiguität: Seger: "Da komm ich nicht mit." - Veil: "Sie sollen auch nicht mitkommen!"), was der Ernsthaftigkeit des Films eher schadet; einige geben sogar zum Zwecke der Effekthascherei in Form eines der etlichen Twists irreführende Eindrücke über die Redlichkeit des jeweiligen Charakters: Es bleibt beispielsweise unklar, warum Veil Überwachungskameras ausweichen muss, wo die sein Bestreben doch unterstützen. Das Gleiche gilt für die Aussage Det. Emerics am Ende des Films.
Über Veils Lebensunterhalt wird leider nichts bekannt.

FREEZE FRAME kommt mit einer in dieser Form unverbrauchten Idee daher, hinterlässt aber keinen homogenen Eindruck, denn es vereint das Geniale eines Meisterwerks mit den Markenzeichen stümperhafter B-Movies, wird aber vor allem wegen der Leistung des Hauptdarstellers Lee Evans, der bisher eher das komödiantische Fach bereicherte (z.B. in VERRÜCKT NACH MARY), im Gedächtnis bleiben. Ein Film, für den spricht, das auf ihn der Vorwurf der allgemeinen Vorhersehbarkeit nicht anwendbar ist.
Was bestehen wird, ist ein überdurchschnittlicher Thriller, der mit der, wenngleich sehr abstrakten, Furcht des Menschen spielt, unschuldig verurteilt zu werden; eine Furcht, die vergleichbar ist mit der paranoiden Angst, lebendig begraben zu werden.

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