"Salon Kitty" - ein Film von Tinto Brass über ein Luxusbordell für hochrangige Personen im Dritten Reich - ist ein Erlebnis, das man sich als Freund des abwegigen Filmvergnügens gönnen sollte, auch wenn der Film als Geschichtsstunde sicherlich ungeeignet ist. Zu sehr dominieren die Obsessionen des Regisseurs gegenüber Tendenzen geschichtlicher Aufarbeitung. Die Ikonographie des Nationalsozialismus wird als düsteres Faszinosum inszeniert. Mit Helmut Berger, John Steiner und Dan van Husen als Vorzeige-Nazis bemüht sich Brass, stereotypische kaltäugige SS-Männer in monströsen Marmorsälen im Stechschritt auf- und abmarschieren zu lassen. Dies wirkt jedoch durch die morbide Gesamtstimmung und die wohlgesetzten Provokationen, die sich auch ein Paul Verhoeven hätte einfallen lassen können, nicht lächerlich wie in anderen Filmen, sondern entfaltet durchaus seine Wirkung - weniger als Historiengemälde denn als subjektive Vision abgründiger Erotik. Für die glamourösen Kostüme Bergers, die mit teils überdimensionalen Hakenkreuzen oder Siegrunen verschwenderisch ausgestattet sind, dürfte sich eine historische Vorlage schwerlich finden lassen. Am überzeugendsten ist das erste Drittel des Films, in dem der Aufbau einer arischen Prostituiertenkolonne unter dem Oberbefehl des von Berger verkörperten SS-Offiziers Wallenberg in abstrakt wirkenden Bildern gezeigt wird. Danach verfällt der Film durch die etwas wacklige Etablierung von Identifikationsfiguren zunehmend in konventionellere Bahnen: Durch den Kontakt mit einem kriegsdesillusionierten Offizier gerät eine der Prostituierten in Gegnerschaft zu Wallenberg und deckt dessen Spionagetätigkeit in Madame Kittys Luxusbordell auf. Letztere Dame wird von einer stark gealtert wirkenden Ingrid Thulin sehr verzerrt und androgyn dargestellt, ihr gegenüber steht die unschuldig-trotzköpfige Teresa Ann Savoy, die man später als Caligulas Schwester Drusilla erleben konnte. Die Parallele zwischen Bergers Wallenberg und Malcolm McDowells Caligula in der jeweiligen Schlusssequenz ist auffällig, ebenso eine mentale Ähnlichkeit zwischen Wallenberg und der männlichen Hauptfigur aus "Senso '45", einem späteren Werk von Tinto Brass - beide haben in erster Linie Macht im Sinn und scheren sich nicht um die Inhalte der NS-Ideologie. Der Film vermag beeindruckend-abgründige Bilder zu bieten, aber teilweise ist er auch weniger überzeugend, zum Beispiel beißen sich die Vorzeige-Arier in SS-Uniform mit anderen, sehr südländisch wirkenden männlichen Figuren. Es scheint auch den Versuch gegeben zu haben, eine Verbindung zwischen Physiognomie und Gesinnung herzustellen - nordisch aussehende Figuren sind kalt und berechnend, während die südländischeren entweder fröhlich-primitiv wirken oder die moralisch bessere Seite verkörpern. Wie in den meisten Filmen von Tinto Brass gibt es jede Menge rituell inszenierte Nacktheit, wobei die pasolinihafte Obsessivität, die sich hier zeigt, kaum etwas mit seinen späteren Werken zu tun hat, in denen die Kamera üppig gebaute Frauen voyeuristisch von allen Seiten beäugt. Wie bei Pasolini werden auch viele Männer nackt gezeigt. Es geht aber insgesamt nicht um den Aufbau schwüler Erotik, sondern menschliche Körper werden abstrahierend als Material präsentiert. Weder die überschminkt-transvestitenhaften Gestalten im Nachtclub noch die inmitten kalter Architektur präsentierten nordischen Mustermenschen üben einen konventionellen Reiz aus, so dass der Film bei aller Nacktheit seine Intention bewahrt - nämlich Sexualität lediglich als Instrument zu zeigen, mit dem der skrupellose Wallenberg seine Machtgier befriedigt. Hellauf begeistert bin ich von dem Film aber nicht, da vor allem das Handeln der weiblichen Hauptfigur in seiner übertriebenen Eruptivität unglaubwürdig erscheint und der Film nach einem unkonventionellen, visionären Beginn zunehmend in eine klischeehafte Spionagegeschichte abgleitet. Wer provokante Geschichtsfilme wie "Caligula" oder Verhoevens "Fleisch und Blut" mag, sollte sich auch diesen Film mal zu Gemüte führen.