Bevor Tinto Brass sich gänzlich dem Erotikgenre verschrieb, hat er mit einigen Genres geliebäugelt (wie dem Western) und allerlei ausprobiert, und nachdem er Antonionis „Blow Up“ gesehen hat, muss er sich gesagt haben: „Genau so was will ich machen!“ Gesagt, getan. „Col cuore in gola“ ist ein wilder Pop Art-Krimi (aber kein Giallo, wie manche Rezensenten behaupten), dessen Kriminalhandlung aber nur als Aufhänger benutzt wird, um das wilde, hektische „swinging“ London zu zeigen so wie Antonioni es in „Blow Up“ tat.
Die Handlung ist simpel: Jean Louis Trintignant spielt den französischen Schauspieler Bernard, der sich in die minderjährige Jane (Ewa Aulin) verliebt, ein „bad girl in trouble“, dem man aber doch nicht widerstehen kann. Sie bedeutet für ihn von Anfang an Ärger und er nimmt es dankend an. Doch wie gesagt, die Story ist hier weniger wichtig, als der Anlass- der Anlass für eine neue Verfolgungsjagd, eine Sexszene, Kampfszenen, die mit poppigen Lautmalereien kommentiert werden (ganz wie in der alten „Batman“-Fernsehserie!). In einer Szene sehen wir Trintignant und Aulin miteinader durch den Park flanieren, wo sie auf einen einsamen Demonstranten stoßen, der mit der Gegenkultur wenig anfangen kann und die Beatles und Stones verdammt- eine Schlüsselszene des Films, die zeigt, auf welcher Seite er steht. Außerdem redet Trintignant hier unentwegt in Zitaten (von Antonioni bis Lao Tse ist alles dabei!), und macht einen auf Tarzan, und einer der bad guys ist ein bösartiger Zwerg. Was will man mehr?
Man kann es sich bereits denken: den Film kann man nur bedingt ernst nehmen, da er sich selbst auch eher auf die leichte Schulter nimmt, aber eben das macht ihn auch so erfrischend. Das Traumpaar Trintignant/Aulin sehen wir übrigens ein Jahr später in „La Morte ha fatto l'uovo“ aka „Death laid an egg“ wieder, von Regieberserker Giulio Questi, ebenso ein ungewöhnlicher, aber auch anspruchsvoller Krimi.
„Col cuore in gola“ ist ein Zeitgeistprodukt, voller Zitate und Anspielungen (vor allem auf die Popkultur), ein lebendiger Film, der uns die swinging sixties verdammt nahe bringt, und der uns auch zeigt, dass Brass mehr mit Antonioni und Bertolucci („Prima della rivoluzione“) gemein hat als man allgemein annimmt.