Im Winter 2024, als ich diesen Film zum wiederholten Male gesehen habe, überschattet die Realität die Filmhandlung auf merkwürdige Weise. Im Oktober 2023 hat die palästinensische Hamas einen grauenhaften Terrorakt gegen die israelische Zivilbevölkerung gestartet, der an Menschenverachtung und Brutalität kaum zu überbieten ist. Als Reaktion setzte die israelische Regierung einen Feldzug gegen die palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen in Gang, der wohl erst dann beendet zu sein scheint, wenn kein Palästinenser mehr am Leben ist.
Und was macht der Maulwurf? Der schaut sich einen Film an, in dem ein weißer Rassist sich mit seinem jüdischen Chauffeur und einem Araber verbünden muss, um gegen die Mordbuben eines Diktators bestehen zu können. Monsieur Buntspecht, seines Zeichens stolzer französischer Fabrikant, gerät in eine schlimme Sache: Aus Versehen stört er die Kreise einiger Geheimpolizisten, die versuchen, den arabischen Revolutionär Slimane zu töten. Buntspecht und Slimane können entkommen, müssen sich aber auf der Flucht als Rabbiner verkleiden und landen prompt im jüdischen Viertel von Paris, wo sie als lang erwarteter Besuch aus den USA ein großer Bahnhof erwartet, sie Kinder segnen und tanzen müssen, und sie auf unerwartete Hilfe durch Buntspechts früheren Chauffeur Salomon stoßen.
Es gibt da diese Szene, wenn die beiden falschen Rabbis auf einem Moped sitzen und sich von Salomon verabschieden. Ausgerechnet Buntsprecht ist es, der dann die beiden anschaut: „Slimane - Salomon. Salomon – Slimane. Da könnte man doch meinen … Seid ihr beiden eigentlich verwandt?“ Slimane und Salomon, der Araber und der Jude, schauen sich an, und Slimane meint nur „Entfernte Cousins. Vielen Dank für die Hilfe“, und die beiden lächeln und geben sich die Hand. Meine Frau meinte dazu, dass der Film ja eigentlich ein Märchenfilm sei. Ja, das ist er, ein Märchenfilm. Und wie so viele Märchenfilme einer, den man sich immer wieder anschauen kann, und der einem den Glauben an eine bessere Welt wiedergibt.
Dabei reden wir hier von einem Louis de Funès-Film! Aus den frühen 70ern! Also eigentlich sollte man ein Nonstop-Feuerwerk an Grimassen, Kalauern und cholerischen Wutausbrüchen erwarten können. Aber de Funès nimmt sich hier angenehm zurück, aus gesundheitlichen Gründen, wohl aber auch, um der an sich ernsten Geschichte mehr Raum geben zu können. Natürlich ist die Verfolgungsjagd durch die Bottiche mit flüssiger Kaugummimasse purer Slapstick, und natürlich ist das Erscheinen des lange erwarteten Rabbi Jacob in der kleinen jüdischen Gemeinde ein einziger boshafter Spießrutenlauf für de Funès, der hier zu wahrer Hochform auflaufen kann. Ich liebe die Szene, wenn er, den Tod vor Augen, den Geheimpolizisten vorspielt, wie er morgen von ihnen einen Sprengstoffbrief erhalten wird, und alle Bösewichter völlig gebannt zuschauen, sich an seinen Ratespielen beteiligen, und niemand mehr schlimme Dinge tun will weil jeder ganz fasziniert ist von de Funès‘ Pantomime. Und natürlich ist alles, was bis dahin passiert ein einziges Fest der grotesken Komik.
Aber es hat eben auch diese andere Seite, diese politische Dimension, und die gibt DIE ABENTEUER DES RABBI JACOB eine Tiefe, die man bei einem de Funès-Film überhaupt nicht erwarten würde. Der Film gibt diesem ernsten Thema einen heiteren Rahmen, ohne aber den Blick auf die Schrecknisse in der Welt zu vermeiden. Er kommt bei weitem nicht so überkandidelt daher wie etwa OSCAR oder HASCH MICH, ICH BIN DER MÖRDER, sondern bleibt bei allem Irrsinn immer mit wenigstens einem Bein auf dem Boden der Tatsachen. Und gerade in den ersten Monaten des Jahres 2024, wenn Palästinenser und Israelis sich gegenseitig abschlachten, vielleicht sollte man sich diesen Film gerade dann anschauen und von einer besseren Welt träumen.