Review

Einiges erstmal vorweg: Ich habe das erste Buch nur bis zur Hälfte gelesen, kann also nur bis zum Eintreffen in Rivendell sagen, was gegenüber der Vorlage verändert wurde. Außerdem könnten in dieser Review Spoiler für Nichtkenner des Buches enthalten sein.

Seit dem ersten Internet-Trailer war ich gespannt, ob Peter Jackson es schaffen würde, ein derartiges Mammutprojekt wie den "Herrn der Ringe" adäquat für die Leinwand umzusetzen. Zu episch erschien mir die Vorlage, an der Ralph Bakshi schon in den 70ern mit seiner Zeichentrickversion gescheitert ist. Immerhin ist "Der Herr der Ringe" sozusagen die Mutter aller Fantasygeschichten, und Rollenspielen wie "Dungeons & Dragons". Allerdings hat Jackson einen entscheidenden Schritt gemacht, der das Projekt retten konnte: Der Roman wurde nicht in einem zweistündigen Werk verheizt, sondern von vorneherein als Trilogie (entsprechend der Originalaufteilung des Buches) konzipiert. Um die Kosten relativ niedrig halten zu können, drehte man kurzerhand alle drei Teile in einem Aufwasch, was außerdem der Kontinuität zugute kommt.
Natürlich wurden für die Verfilmung einige (teils recht drastische) Änderungen gegenüber dem Buch vorgenommen, die meiner Meinung nach aber mehr als nötig waren, um erstens die Laufzeit auf (stattliche) drei Stunden zu reduzieren, und zweitens das Publikum nicht unnötig durch noch mehr Handlung und Dialoge zu verschrecken. Wie schon erwähnt habe ich das erste Buch nur zur Hälfte gelesen. Es liest sich ziemlich zäh, weshalb ich vorzeitig abgebrochen habe. Unter dieser Zähigkeit leidet auch der Film an manchen Stellen, die sich aber glücklicherweise in Grenzen halten.
Kommen wir kurz zu den Veränderungen gegenüber der Vorlage: Der Anfang in Hobbiton, sowie Frodos (Elijah Wood) Aufbruch und Reise nach Bree wurden drastisch gestrafft. Auch Gollums Vorgeschichte hat man vereinfacht, da es einfach nicht möglich ist, dermaßen viel in drei Stunden zu erzählen. Opfer der Kürzungen wurde auch der gesamte Abschnitt mit Tom Bombadil, dem von mir verhassten dauersingenden Waldschrat. Echte Tolkien-Fans werden überhaupt die Lieder vermissen: Nicht mal im Wirtshaus in Bree wird gesungen, wobei diese Schlüsselszene anderweitig (und sehr gut) umgesetzt wurde. Der weitere Verlauf der Geschichte, in dem "Strider" Aragorn (Viggo Mortensen) die Hobbit-Truppe über Weathertop (kommt auch sehr kurz) nach Rivendell geleitet, wurde ziemlich kurz gehalten, und auch der hier auftauchende Charakter Glorfindel wurde komplett gestrichen, und durch Arwen (Liv Tyler) ersetzt, die normalerweise erst später auftauchen würde. Hiermit erschöpft sich dann auch meine Kenntnis des Buches, und zum weiteren Verlauf des Films kann ich diesbezüglich keine Angaben machen.
Wenn man den Film mit dem Buch vergleicht, kann er nur verlieren. Das habe ich gemerkt, als ich automatisch mit der Vorlage verglichen habe. Doch ab dem Aufbruch aus Rivendell konnte ich ihn wieder genießen. Mir offenbarte sich ein wunderbarer Fantasyfilm mit bombastischer Ausstattung, tollen Effekten (die überschätzte "Episode 1" wird hier meilenweit überflügelt), glaubwürdigen Charakteren, und einer spannenden Handlung. Der Detailreichtum der im Film erschaffenen "Middle Earth" ist überwältigend! Alles wirkt absolut überzeugend, kein Vergleich zu sterilen Machwerken wie "Dungeons & Dragons". Die Charaktere werden schmutzig, alles sieht aus, als wäre es schon jahrelang in Gebrauch gewesen... eben realistisch ;-)
Die Darsteller erfüllen ihre Rollen glaubhaft mit Leben, besonders Ian McKellen begeistert durch sein durchtriebenes Spiel in der Rolle des Magiers Gandalf. Aber nicht nur er, sondern auch der Rest (sogar Liv Tyler!) der Truppe ist mit Leib und Seele bei der Sache, und trägt einen Großteil dazu bei, daß der Film funktioniert. Andere wichtige Charaktere wie Strider und Boromir wurden mit Viggo Mortensen und Sean Bean großartig besetzt, und scheinen direkt aus den Seiten des Buches auf die Leinwand gesprungen zu sein.
DIe Kämpfe sind sehr gut und realistisch choreographiert. Wenn man allerdings mehr auf Martial-Arts-Action und Matrix-Effekte steht, dann können die altmodischen Gefechte wohl kaum beeindrucken. Vielmehr wurde hier versucht, einen Kampfstil zu kreieren, der glaubhaft wirkt, und weniger spektakulär, sondern vielmehr zweckmäßig ist. Jedenfalls scheinen die Darsteller sehr hart für die Schwertkämpfe trainiert zu haben, wobei besonders Viggo Mortensen zu seinem Schwert eine echte Beziehung zu haben scheint. Er wirbelt virtuos durch ganze Ork-Horden, und zerlegt die Gegner in ihre Einzelteile.
Womit wir beim Härtegrad des Films wären: Gorehounds, die sich von Peter Jackson ähnliche Blutbäder wie in seinem "Braindead" erhoffen, werden wohl enttäuscht werden. Außer gelegentlichen (sehr kurzen) Enthauptungen und dem unblutigen Abtrennen von Gliedmaßen gibt es in dieser Beziehung nicht viel zu sehen. Aber was soll man bei einem Film mit einer FSK 12 Freigabe in dieser Hinsicht erwarten? Abgesehen davon finde ich die 12er Freigabe sowieso etwas fragwürdig, denn die Grundstimmung ist eher düster ausgefallen: Die Orks, Ringwraiths und vor allem die Uruk-Hai wirken sehr bedrohlich, Kompliment an die Maskenbildner!
Bis auf diverse am Computer entstandene Massenszenen, Landschaften, sowie den imposanten Balrog und einen Cave-Troll wurde weitestgehend mit herkömmlichen Masken gearbeitet.
Die Computereffekte werden hier überhaupt (im Gegensatz zum Prequel einer gewissen Sternenkriegs-Saga) nicht um der Effekte willen eingesetzt, sondern um die Story voranzutreiben, und Tolkiens Visionen für die Leinwand umzusetzen. Für die Darstellung der Hobbit-Größenverhältnisse griff man z.B. auf eine Kombination aus Kamera- ("Forced Perspective") und Computertricks zurück. Genau das sollten sich die Macher von seelenlosen Effektfilmen wie "Godzilla" (Roland Emmerich), "ID4" (noch ein Emmerich, so ein Zufall), "Armageddon" (Michael Bay), sowie der schon erwähnten "Episode 1" und einigen weiteren Rohrkrepierern zu Herzen nehmen: Nicht die Effekte sollten den Film beherrschen, sondern der Film (die Story) die Effekte!
Das einzige, was mir etwas unangenehm aufgestossen ist, ist die lange Wartezeit auf die Fortsetzungen (die ich mir allerdings nicht durch Lektüre der Bücher vermiesen werde)... Und was kann mehr für einen Film sprechen, als diese Tatsache?
Wer also atemberaubende Fantasyunterhaltung in noch nie gesehener Perfektion erleben will, der ist hier vollkommen richtig. Sollte der Geschmack allerdings mehr in Richtung Mainstream und Popcornkino tendieren, könnte es sein, daß man durch die vielen Dialoge während des Films einschläft (ist in der Preview, die ich gesehen habe, passiert!).
Mehr davon!!

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