Groß. Größer. Herr der Ringe. Eine adäquate Visualisierung von Tolkiens Mammutwerk galt Jahrzehnte, gleich ob Zeichentrick- ( 1977 scheiterte ein Versuch kläglich ) oder gar als Realfilmversion, als unmöglich. Peter Jackson aber riskierte es - und sollte gewinnen!
Die beiden "Evil Dead" und "Bad Taste"-Rabauken Sam Raimi und Peter Jackson, regieführende Leitfiguren des 80er bis frühen 90er Splatters, bewegen sich mittlerweile in gemäßigten Gefilden. Von Blut und Gedärm' kann man nicht ewig leben, und strebten schon damals höhere Weihen an. Der eine (Raimi) wagte ansehnliche Abstecher aufs Mystery- und Krimi-Terrain, übte kräftig mit "Darkman", um dann mit den "Spider-Man"-Verfilmungen an der Kinokasse einzuschlagen wie sonstwas und Popcornspachtler aller Altersstufen rund um den Globus zu beglücken. Ein gelungener Kompromiss zwischen Integrität und Liquidität. Des anderen Zielsetzungen waren jedoch bedeutend höher. Kein schnöder Comic-Strip, sondern mit der für unmöglich gehaltenen Umsetzung J.R.R. Tolkiens Jahrhundertwerks des großen Ringkrieges wollte er sich seinen Traum erfüllen und ganz nebenbei Filmgeschichte schreiben. Laut waren die Unkenrufe bei Bekanntgabe des Projekts. So bemerkte George Lucas, die Neuseeland-Posse um Jackson habe gar nicht die personellen und technischen Mittel zur Realisation des Streifens. Doch Weihnachten 2001 ließ Jackson mit dem ersten Teil "Die Gefährten" Zweifler verstummen, Kritiker erstaunen und das Publikum begeistern.
Eine Armee von Effektspezialisten erschuf gewaltige Bilderwelten, die mit Andrew Lesnies kongenialer Fotografie Neuseelands verschmelzen, darüber breitet sich Howard Shores Score sämig aus. Maskenbildner, Kostüm- und Ausstattungsdesigner leisteten übermenschliches, dirigiert von Peter Jackson, der Tolkiens Partitur ebenso gekonnt wie behutsam umsetzte, interpretierte, polierte. Denn unter streng literarischen Gesichtspunkten ist "Der Herr Der Ringe" kein besonders gutes Buch. Es besticht aber mit der ungeheuren Detailverliebtheit, die in einer außerordentlichen Lebendigkeit und Plastizität der Charaktere mündet, und einer Vielzahl von möglichen Interpretationen, die jede Lesergeneration für sich zu deuten versucht.
Jackson kürzte, wo unumgänglich, zieht das Tempo an, wo es sinnvoll ist, entschlackte Dialoge ( die zugegebener Maßen bisweilen immer noch sehr pathetisch sind ), setzt teils neue Akzente und Schwerpunkte, aber stets respektvoll vor Tolkien und im Dienste der Geschichte. Ein paar mal geht dann zwar doch die Popkultur-Sau mit ihm durch - Gimlis One-Liner z. B., über die Trilogie verteilt, hätten ruhig unter den Tisch im Schneideraum fallen dürfen. Puristen mögen sich auch am Actionreichtum stören, so ausführlich und präzise wie beispielsweise Boromirs Ende ( bestechende Leistung, wie die komplette Cast: Sean Bean ) beschrieb Tolkien die Kampfszenen nie. Doch auch darin liegt eine große Stärke des Films - gekonnte Kameraarbeit, wuchtige Schnittrhythmen und überragende Choreografie der Schlachten zeigen den Spagat Jacksons und seiner Crew zwischen werkgetreuer Umsetzung und "Eye-Candy" für den literarisch unbekrittelten Zuschauer. Für schwertklirrende Fantasy-Schlachten-Romantik zahlt sich knochenharte Splatter-Inszenierungs-Routine eben doch aus. So ergänzen sich Vorlage und Adaption, können unabhängig voneinander bestehen und bilden doch zusammen mit "Die zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" ein Gesamtkunstwerk, das seinen Schatten noch weit in die Zukunft wirft.
Ironie dabei: Was George Lucas misslang, nämlich einen neuen Kinomythos zu etablieren, ist Peter Jackson gelungen.