Tarantinos Aufwärmrunde: Reservoir Dogs
Aus heutiger Sicht ist es wohl nur noch schwer nachzuvollziehen, warum in Hollywood Anfang der 90er um den jungen, wilden und gänzlich unbekannten Tarantino so ein Gewese gemacht wurde, wie man es aus Dokumentationen heute weiß. Anders ausgedrückt: Damals waren Innovationen auf elementaren Ebenen (Dialoge, Narration etc.) anscheinend ein rares Gut. Heutzutage erwartet man von Filmen ja immer das besondere Etwas, sei es innnerhalb des Plots oder auf der erzählenden oder technischen Ebene.
Geschliffene Dialoge, überaus geradlinige Charaktere und ein unübersehbarer Hang zu dramatischer Gewaltexplosion waren und sind das Markenzeichen des heutigen Dauergaranten für erfolgreiche und spleenige Filme. Zwar weist "Reservoir Dogs" die typischen Zutaten des Großmeisters auf, jedoch handelt es sich um einen sehr "kleinen" Film. Die Handlung hätte auf einem Bierdeckel Platz, die Schauwerte sind stark reduziert und der Film wirkt fast "billiger" als er tatsächlich gewesen ist. Nicht, weil er den eigenen Zielen durch fehlende Geldmittel nicht gerecht werden könnte. Vielmehr ist die Reduktion auf das Notwendigste hier Stilmittel und trägt enorm zum Gesamteindruck bei. Dieser Film versprüht sehr viel Undergroundcharme und verstärkt dadurch eines seiner wesentlichen Grundelemente: Coolnis - wenn man mir diese Eindeutschung verzeiht.
Coole Typen, die coole Sachen sagen, die coole Sachen tragen und die coole Sachen machen. Darum gehts. Verdeckte Ermittler? Ein falsches Spiel? Wer kommt durch? Diese Fragen scheinen doch sehr untergeordnet zu sein. Tarantinos Erstling erzielt seine Wirkung nicht über die Story, sondern durch die Inszenierung, die Musik, die Charaktere und die besagte Coolnis, die sich aus sämtlichen Zutaten zusammensetzt.
Die Musik erscheint hier besonders wichtig, da sie nur selten, dafür aber sehr bestimmend und akzentuiert eingesetzt wird. Über weite Strecken ist der Film sehr still und schaft Raum für einzelne Sequenzen, in denen die coolen Typen zur Geltung kommen. Entweder wird die Musik eingebunden um Kontraste und Unwohlsein aufzubauen (Folterszene) oder um ganz banal den Drive des Films und die Coolnis (schon wieder!) zu verstärken.
Die später zum Markenzeichen avancierten Durchbrechungen der Chronologie der Handlung waren Anfang der 90er anscheinend noch besonders, jedoch kann das episodenhafte Erzählen hier die Story nicht wirklich aufbohren. Aber das braucht es auch nicht, denn durch die Banalität und die Reduktion kommen die spezifischen Eigenarten der Machart Tarantinos wohl viel besser zur Geltung. Es tun sich ungeahnte Plätze für die Schauspieler auf, die jeder für sich dem Film ihren Stempel aufdrücken können. Ob Michael Madsen als Psychopath, Harvey Keitel als harter Brocken mit weichem Herz, Steve Buscemi als unsympathischer Egoist oder Tim Roth als blutende Tapferkeit auf allen Vieren, für die Darsteller war der Dreh wohl ein El Dorado. Das wird auch in den ausnehmend guten Leistungen deutlich, die durch die kammerspielartige Machart besonders zur Geltung kommen.
Viel Geschwafel und nun das
Fazit:
Tarantinos Erstling beinhaltet wesentliche Elemente seiner Eigenart des Filmemachens und sei schon von daher sehr empfohlen. Hinzu kommt noch der Charme des Underdogkinos, einfallsreich und teils rotzfrech, bzw. selbstbewusst. Coole Dialoge, coole Typen, coole Musik, viel Blut, Gewaltspitzen und die Erzählstruktur machen "Reservoir Dogs" zu einem Film, dessen Sichtung eigentlich Pflicht sein sollte. Und eben nicht nur für Komplettisten.