Quentin Tarantino. Künstler ersten Grades. Ich könnte jetzt locker 20 Seiten darüber philosophieren, wieso dieser großartige Mann für mich die Filmwelt mit seiner künstlerischen Art sehr stark geprägt hat, doch hier soll es um sein erstes großes Kunstwerk gehen. Nun kann man natürlich darüber streiten, ob "Reservoir Dogs" wirklich sein erster Film ist, denn streng gesehen ist der bis heute total unbekannte Film namens "My Best Friend's Birthday" das erste Werk dieses großartigen Künstlers. Da es sich aber bei diesem Streifen um einen billigen Amateurfilm handelt, der weder im Kino lief, noch auf Video oder DVD erschienen ist, zählt man zurecht bis heute "Reservoir Dogs" als ersten richtigen Tarantino Film. 1992 kam dieser Low Budget Film in die Kinos und es sollte der erste von insgesamt 8 Meilensteinen sein, die Tarantino in der Filmwelt gesetzt hat. Als der Film in der Entstehung war, war Mr. Tarantino ein total kleines Licht, bis das Drehbuch in die Hände von vielen Hollywoodstars wie Harvey Keitel, Chris Penn, Steve Buscemi, Tim Roth oder Michael Madsen fiel. Sie alle wollten mit an Bord und somit entstand mit wenig Aufwand, aber mit hochkarätiger Besetzung, einer der besten Gangsterfilme aller Zeiten!
Eine kleine Schar von Ganoven planen einen großen Banküberfall und wollen dabei den ganz großen Coup landen. Doch bei dem Überfall geht einiges schief und ein paar Leute werden dabei sogar getötet oder schwer verwundet. Einer der Ganoven, Mister White, schleppt seinen schwer verletzten Kollegen Mister Orange in ein Lagerhaus, wo der Treffpunkt aller Ganoven sein sollte, nachdem die Diamanten geklaut wurden. Wenige Minuten später stößt noch Mister Pink hinzu. Keiner der Beteiligten weiß, was eigentlich passiert ist und jeder fängt an dem Anderen zu misstrauen, denn eines scheint fest zu stehen : Unter ihnen ist ein Maulwurf, der in Wirklichkeit als Cop agiert. Als dann noch die restlichen Überlebenden hinzu stoßen geht das große Misstrauen los. Wer ist der Verräter? Was genau ist schief gelaufen? Wird Mister Orange überleben und wer bekommt letzten Endes die Diamanten? All diese Ereignisse führen zu einem dramatischen Höhepunkt.
Ein Markenzeichen für die meisten Tarantino-Filme ist der unverwechselbare Stil. Tarantino zeigt seine Filme nur selten in einer chronologisch geordneten Zeitebene und so springt er in der Geschichte immer von der Gegenwart in die Vergangenheit, aber auch immer wieder weit in die Zukunft. Dem Zuschauer bleibt dann die Aufgabe, diese Zeitebenen, wie viele kleine Puzzleteile zusammen zu führen. Am Anfang sehen wir hier unsere Ganoven in einem Café sitzen und diskutieren u.a. darüber, wieso es unlogisch ist, einer Kellnerin in einem Café grundsätzlich Trinkgeld zu geben. Und das ist ebenfalls ein besonderes Markenzeichen dafür, weshalb Tarantino-Filme kaum ermessbar mit anderen Filmen sind. Der großartige Künstler bietet uns simple Dialoge, die durch die Darsteller richtig erblühen und durch die witzigen und kultigen Sprüche, merkt man gar nicht wie schnell die Zeit während so einem Dialog vergeht. Nachdem unsere Jungs fertig "gestritten" haben, folgt das brachiale und obercoole Intro, wo jeder Schauspieler auf stilvolle Art vorgestellt wird. Danach gibt es einen ziemlich großen Sprung in die Zukunft. Der Banküberfall ist gescheitert und wir sehen einen blutigen Tim Roth auf dem Rücksitz, während Harvey Keitel unter Hochdruck zum Lagerhaus fährt. Man merkt, dass dieser Film mit einfachsten Mitteln gedreht wurde, denn wirklich viele Schnitte gibt es hier nicht. Während es diverse Auseinandersetzungen im Lagerhaus gibt, hält die Kamera meist gefroren drauf oder sie folgt unseren Protagonisten auf Schritt und Tritt. Dadurch wird ein unfassbar realistisches Bild erzeugt, man bekommt beinahe das Gefühl, man sei selbst ein Teil des Teams und steckt mitten drin in den dramatischen Ereignissen. Untermalt wird das ganze mit einer trockenen und fast schon angst einflößenden Geräuschkulissen. Besonders im Gedächtnis bleibt hier die ultrabrutale "Ohr-Szene" mit Mr. Blonde die wirklich an den Nerven der Zuschauer zerrt, gleichzeitig aber mit einer Coolness daher kommt, dass man den Blick auch nicht vom Bildschirm abwenden kann. Am Ende gibt es dann den dramatischen Höhepunkt, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, denn zu diesem Zeitpunkt wissen wir bereits mehr, als die beteiligten Protagonisten. Einzig und allein die aller letzte Szene stellt einen etwas unbefriedigenden Abschluss dar, den ich mir doch ein wenig anders und klarer gewünscht hätte.
Wir haben es hier mit einer absoluten Traumbesetzung zu tun. Harvey Keitel ist Mister White und er wirkt eher schon wie eine liebevolle Vaterfigur, der sich wirklich rührselig um Mister Orange kümmert. Harvey Keitel liefert hier eine überragende Leistung ab und überzeugt mit seiner authentischen Art auf ganzer Linie. Tim Roth ist Mister Orange und er ist sozusagen der Hauptcharakter in diesem Film. Er spielt die wichtigste Rolle und sorgt auch für die dramatischsten Momente im gesamten Film. Unglaublich wie echt Roth hier den verletzten und vor Schmerzen winselnden Mister Orange spielt, man glaubt beinahe, dass er wirklich für diese Szenen angeschossen wurde. Der großartige Steve Buscemi spielt hier Mister Pink und er ist eigentlich die einzige Figur im Film, wo man nicht genau sagen kann ob er jetzt ein falsches Spiel spielt oder wirklich auf der Seite unseres Hauptcharakters ist. Mal wirkt er total gerissen und eiskalt, manchmal hingegen wirkt er wie ein kleiner Schwächling und Feigling. Michael Madsen spielt Mister Blonde und wie man es von Michael Madsen kennt, spielt er hier einen wahnsinnigen Sadisten, der durch die besagte Ohr-Szene lange im Gedächtnis bleiben wird. Schade, dass Madsen inzwischen so sehr zum C-Movie-Actor mutiert ist, denn nicht nur hier beweist er, dass gerade Schurken-Rollen sein absolutes Terrain ist. Quentin Tarantino höchstpersönlich spielt Mister Brown, der allerdings nur mit einer sehr kleinen und unbedeutenden Rolle ausgestattet ist. Nur am Anfang lässt er ein paar witzige Sprüche ab, ansonsten ist er keine großartig erwähnenswerte Figur. Edward Bunker spielt Mister Blue und er ist eigentlich der einzige Ganove, von dem man so gut wie gar nichts erfährt und eigentlich keinerlei Nutzen für die eigentliche Haupthandlung hat. Dann haben wir noch Nice Guy Eddie, der von dem leider viel zu früh verstorbenen Chris Penn (Bruder von Sean Penn) gespielt wird. Chris Penn war ein Meister darin stets eklige Charaktere zu spielen, die man in der Regel abgrundtief hasst (so auch in "True Romance"). Auch hier spielt er den Sohn vom Gangsterboss, den man am liebsten gleich zu Beginn eine Kugel in den Kopf jagen möchte. Zu guter Letzt haben wir noch Lawrence Tierney, der hier den Gangsterboss Joe spielt. Er ist ein typischer Gangsterboss, der die typischen Zweigesichter hat. Agiert man so wie er es möchte, wirkt er wie ein netter Chef, mit väterlichen Zügen, doch wenn er das Gefühl bekommt, dass man ihn hintergeht, kennt er kein Pardon und handelt absolut skrupellos. Auch er spielt einfach nur sehr beeindruckend und bringt alles mit, was ein fieser Gangsterboss braucht.
Wer Tarantino-Fan ist, wird sicher schon mehrmals "Reservoir Dogs" gesehen haben. Diesen Film empfehle ich nicht nur uneingeschränkt jeden Filmfan, ich gebe auch eine Garantie dafür, dass man sich diesen Film immer wieder, bis zum Erbrechen, anschauen kann ohne dass man dabei auch nur die Spur von Langeweile spürt.
Fazit : Für mich der beste Gangsterstreifen den es gibt und die Geburtsstunde eines großen Künstlers. Reservoir Dogs ist Kinogeschichte par excellence und ein packender Thriller. Nicht Tarantinos bester Film, aber immer noch, gemessen an allen Filmen dieser Welt, einer der ganz Großen!
9,5/10