Mit diesem Film verbinde ich meine präsentesten Kindheits-Erinnerungen an das Medium Film. Welcher Endzwanziger wurde als Dreikäsehoch seinerzeit nicht auf Familien-Feiern mit den beliebten Terence Hill- und Bud Spencer-Western stillgelegt und empfand einen diebischen Spaß an den infantilen aber charmanten Buddy-Produktionen der beiden Italiener?
"Mein Name ist Nobody" soll fast zwanzig Jahre später der einzigste Film aus dem beliebten südländischen Western-Comedy-Potporri sein, der einen Platz in meinem DVD-Regal einnehmen durfte. Schon früh entwächst man aus dem Kinder-Spaß der Trinity- und Bambino-Filme, während der erste Nobody-Film noch so etwas wie Größe und Würde besaß, die seinen Status über die Jahrzehnte tragen konnte.
Nach einer kürzlichen TV-Ausstrahlung begann dann aber auch das Ansehen dieses Films zu bröckeln. Sicherlich sind die Übersetzung-Kapriolen aus dem Hause Rainer Brandt bereits in der synchronisierten Version deutlich festzustellen. Wie extrem den Beteiligten allerdings damals die Pferde durchgingen, beweist auf das Erschütterndste der O-Ton auf Doppel-DVD. Mit einer unvergleichlichen Respektlosigkeit degradiert Brandt die Figur des Nobody zum nervigen Sprücheklopfer, bastelt sich vollkommen sinnentstellende Dialoge zurecht und kann sich nicht bremsen, die längeren und wortlosen Passagen mit fehlplatzierten Worthülsen zu füllen. Der Umstand, dass man es im O-Ton mit einem komplett anderen - wesentlich ernsteren - Film zu tun hat, unterhält nicht unwesentlich, auch wenn man eine gewisse Befangenheit nicht abschütteln kann und mit latenter Anspannung vor dem nächsten Dumm-Spruch die Geschichte verfolgt.
Brandt hat uns versaut! Damals noch durchaus Kiddie-kompatibel, rettet selbst ein verklärender Nostalgie-Schleier nichts an dieser grenzdebilen Übersetzung...
Ein ähnlicher Generations-Konflikt war der Auslöser für diese Sergio Leone-Produktion, die in einer absolut *phantastischen* Dokumentation von Torsten Kaiser auf fast schmerzliche Weise zerpflückt wird. Extrem kritisch und mit Fakten in rauhen Mengen demontiert die Doku den "Nobody"-Mythos und entblösst die Produktion Tonino Valeriis als uneinheitliches Flickwerk, das von dramatischen Produktions-Bedingungen begleitet wurde...
Leone war neidisch auf den Erfolg der Billig-Filme um Trinity und Bambino, sah sein Western-Erbe durch den Klamauk in den Dreck gezogen und wollte seine Version einer Western-Komödie als den Abgesang auf "sein" Gerne konzipiert sehen. Er entwickelte die Geschichte, schnappte sich den Trinity-Darsteller Hill, der aufgrund seiner damaligen Popularität einen Flop an der Kasse verhindern konnte, und beauftragte seinen Assistenten Tonino Valerii mit der Regie - allerdings unter der strengen Knute von Leones Kameramann und Vertrauten Armando Nannuzzi, was in vielen Sequenzen überdeutlich erkennbar ist: gerade der Opener und das Finale sind in ihrer Elegie typisch für Leones Experimente mit Zeit und Raum und halten auch noch heutigen Maßstäben problemlos stand.
Kann man Homers Odysee noch eher ansatzweise als Story-Verweis heranziehen, gibt es keinen Zweifel an den Figur-Konstellationen zwischen Nobody und Jack Beauregard: Henry Fonda ist Sergio Leone, Terence Hill ist die nächste Generation. Beauregard ist der alternde Western-Held, der seine Zeit für den Ruhestand gekommen sieht. Er kann auf ein bewegtes Leben mit großen Erfolgen zurückblicken, aber als großes Vorbild muss er auch einen großen Abgang hinlegen, so sieht es jedenfalls der Jungspund Nobody. "Ein starker Abgang ist manchmal schwerer als ein starker Anfang", entfährt es Leones Alter Ego Jack, und ausgerechnet der "Clown" des Westerns verhilft ihm zu einem spektakulären Finale. Hier wird die Realität wieder von der Fiktion eingeholt: "Nobody" hatte nicht den Erfolg der heruntergekurbelten Konkurrenz und hinterliess auf dem Schlachtfeld gescheiterte Freundschaften sowie Egos, die in der Dokumentation eindringlich dargelegt werden.
Man kann nicht leugnen, dass "Il Mio nome è Nessuno" stellenweise reichlich krude und unausgegoren daherkommt. Klamottiger Witz wie in den Rummelplatz-Szenen wechselt sich ab mit überrumpelnden Pathos, der besonders im Duell mit "the wild bunch" zum Ausdruck kommt und gegen das kein empfindsamer Mensch ankommt. Der Shootout ist überraschend modern gestaltet und wartet mit einer Bildgewalt auf, vor der man einfach nur Niederknien möchte. Die Bildqualität unterstützt in ihrer Brillianz das visuelle Erlebnis und rechtfertigt in jeder Beziehung den sehr informativen Bericht über die Restauration des Films - genau *so* müssen Special Editions bestückt sein!
Mit dem "...düpdüppeldüp"-Nobody-Theme als Ohrwurm wird die DVD schließlich wehmütig zurück ins DVD-Regal geschoben, weidet sich an den alten Tagen, malt sich aus, was für einen unglaublichen Eindruck diese Western-Komödie auf einen Knirps gehabt haben muss und plötzlich ist man selbst in der Position Jack Beauregards. Unausweichlich, aber mit Größe und Würde räumt "Mein Name ist Nobody" das Feld für die Kassenschlager der nächsten Generation - mit der versöhnlichen Gnade, dass Leone sich niemals mit einem "Der Schuh des Manitu" konfrontiert sehen musste.