Nachdem der junge John Carpenter seinen Kurzfilm „Dark Star“ nur aufgrund der finanziellen Unterstützung des bekannten Porno-Produzenten Jack H. Harris („Deep Throat“) zu einem vollen Spielfilm ausbauen konnte und damit einen Kultfilm geschaffen hatte, machte er sich 1976 daran, „Das Ende“ zu inszenieren, der zu einem der wichtigsten Werke des Ausnahmeregisseurs werden sollte.
Inspiriert dazu wurde er durch einen realen Vorfall von 1975, von dem er in der Zeitung gelesen hatte: Eine Jugendbande hatte an einer Bushaltestelle ohne Grund ein kleines Mädchen erschossen. Es handelte sich um eine Art Wette: Der Mörder hatte vor seinen Freunden angekündigt, die erste Person zu erschießen, die aus dem nächsten Bus aussteigen sollte. Dieser Vorfall inspirierte Carpenter zu der berühmt-berüchtigten Szene am Anfang des Films, in der jugendliche Gang-Mitglieder in einem Auto durch die Gegend fahren und willkürlich verschiedene Menschen mit einem Zielfernrohr anvisieren. Auch bei Carpenter ist es ein kleines Mädchen, das als Opfer der Verbrecher herhalten muß. Diese Szene sorgte für die langjährige Indizierung von „Das Ende“, die erst kürzlich aufgehoben wurde. Diese Szene ist in ihrer Dramatik die Essenz des Filmes: Das kleine Mädchen mit ihrem Kleidchen, den Zöpfen will eigentlich nur ein Eis kaufen und symolisiert die totale Unschuld. Sie wird völlig grundlos getötet. Carpenter manipuliert hier die Zuschauer, denn die Ermordung eines kleinen Mädchens ist noch immer (damals aber noch mehr) ein Tabubruch im amerikanischen Kino. Nachdem sich der Zuschauer diese ansehen mußte, war nichts mehr sicher. Carpenter hatte ihn sprichwörtlich auf dünnes Eis geführt und er mußte überall damit rechnen, einzubrechen. Diese Szene ist zudem der Schlüssel zum gesamten Film, denn das Bedrohliche der folgenden Handlung liegt vor allem in der Grundlosigkeit der anschließenden heftigen Angriffe. Carpenter wußte schon damals, dass motivlose und unbegründete Gewalttaten viel bedrohlicher wirken, als geplante. Carpenter gibt zwar ganz zu Anfang des Films eine vage angedeutete Begründung für das Verhalten der Gangs, doch er tut dies recht widerwillig und lässt bei dieser Andeutung eines Motives vieles offen.
Eine andere Inspirationsquelle für „Das Ende“ ist der Western. Carpenter ist bekennender Fan dieses Filmgenres. Besonders die Filme von Regielegende Howard Hawks haben es ihm angetan. Es gibt kaum ein Interview mit ihm, in dem er nicht „Rio Bravo“ als seinen Lieblingsfilm angibt. So hatte er die typischen „Belagerungssituationen“ klassischer Western im Sinn, als er sich für die Handlung in der verlassenen Polizeistation entschied. Statt der Cowboys, die im Saloon von vielen Indianern unter Beschuss genommen werden, sind es hier Polzisten und Verbrecher, die sich einer schier unüberwindbaren Übermacht von Gangmitgliedern erwehren müssen, die immerzu in Wellen die Polizeistation angreifen. Um in dieser aussichtslosen Situation überhaupt eine Chance zu haben, müssen sich die verbliebenen Polizisten mit den Gefangenen zusammentun. Auch dies ist ein klassisches Westernmotiv. Jahre später zollten Robert Rodriguez und Quentin Tarantino Carpenters Film bei „From Dusk Till Dawn“ Tribut, indem sie die „Belagerungssituation“ wieder aufgriffen. Statt eines Polizeireviers stellt diesmal eine heruntergekommene Kaschemme den letzten Zufluchtsort der Helden dar. Statt der Jugendlichen sind hier Vampire die gnadenlosen Angreifer. Wer aufgrund dieses Vergleiches der beiden Filme Zweifel hat und ihn für weit hergeholt hält, sollte sich das T-Shirt des asiatischen Jungen in „From Dusk Till Dawn“ mal genau anschauen: Es enthält die Aufschrift „Precinct 13“!
Wie schon oben beschrieben wählte Carpenter als Angreifer Jugendgangs, die ohne erkennbaren Grund (für die Protagonisten zumindest) die Polizeistation angreifen. Dabei stellt Carpenter diese Jugendlichen nicht als Individuen dar, sondern zeigt sie immer nur in schnellen Schnitten oder in schlechter Beleuchtung. Man sieht kein Gesicht eines Angreifers, mit dem man sich identifizieren könnte. So ist der Fokus des Zuschauers noch stärker auf die „umstellten“ Protagonisten des Films gerichtet. Dies schafft, wie schon oben beschrieben, eine äußerst bedrohliche Atmosphäre, die durchaus mit der eines Zombiefilms vergleichbar ist. Ähnlich, wie bei „Dawn Of The Dead“, in dem es Zombies sind, die das Einkaufszentrum unablässig angreifen und die ebenfalls keine erkennbare Identität haben. Ebenso, wie die Jugendlichen in Carpenters Film.
„Das Ende“ ist ein Geniestreich! Mit schmalem Budget gedreht schafft er mit einfachsten Mitteln eine unglaubliche Spannung, die noch von Carpenters einfachem, aber nicht minder genialem Soundtrack verstärkt wird. Selbst die nicht unbedingt begnadete Besetzung wirkt nicht störend. Der Zuschauer wird in einen immerwährenden und beklemmenden Strudel der Gewalt mitgenommen, der so viel mehr ist als ein urbaner Western. Aufrgund der erzielten Wirkung des Filmes beim Publikum ist „Das Ende“ Kino in seiner Reinstform und unbedingt sehenswert! Carpenter hat nach „Das Ende“ noch viele gute Filme gemacht (auch wenn die meisten Kritiker das Gegenteil behaupten), in denen er das Grundthema von „Das Ende“ variiert und mit größerem Budget und besseren Darstellern leicht abändert, doch „Das Ende“ ist die reine Essenz von Carpenters späteren Werken und sollte als solche auch gewürdigt werden. Die Herabstufung der Jugendfreigabe auf FSK 16 und die schöne DVD-Neuflage von e-m-s mit neuer Synchro ist ein Schritt in die richtige Richtung!
Fazit:
10/10