Manchmal sitzt man im Kino und wünscht sich jemand würde den Feueralarm auslösen, oder einem eine Frontallobotomie verpassen. Irgendetwas, das diesen Albtraum mit einer heiteren Note unterbricht.
Doch nichts geschieht. Das Publikum ist paralysiert, keine Reaktion, kein Lachen durchdringt die ungläubige Stille. Nicht mal die üblichen Idioten mit ihren Laserpointern und ihre debilen "Ich lach auch über drei Jahre alte Werbungen"-Freundinnen haben gelacht. Oder irgendwie reagiert.
Spider-Man ist zurück. Ja dieser realistische Superheld. Der so menschlich wirkt weil er mit all den Alltagsproblem zu kämpfen hat genau wie wir Durchschnittloser. Und was für ein Loser er ist. Der komplette erste und der halbe zweite Akt des Films beschäftigt sich nur damit Peter Parker als unselbständiges weinerlich-vertrotteltes Arschloch zu zeigen, der es wirklich so richtig dolle schwer hat. Er wird ausm Pizzabotenjob geworfen, vom Uniprofessor angemault, verliert sein Freundin in spe und seine Spinnekräfte stottern plötzlich. Und weil er so "süss" linkisch ist fällt er dauernd aufs Maul oder eckt irgendwo an, weil er ja anscheind die motorische Koordinationsgabe eines epileptischen Tanzbären besitzt.
Nach zehn Minuten des Films hat man den Wink der Filmemacher verstanden: Jau, uns' Peter is ne arme Sau. Schade das der Film nicht müde wird, uns diese Tatsache zu erzählen. Immer wieder. 40 Minuten. 50 Minuten. Wir erleben einen Helden bei dem man schon froh ist, wenn er beim Nutella-Brot streichen keine bleibenden Verletzungen erleidet.
Nebenher wird neuerlich die Mär vom genialen Wissenschaftler runtergeleiert, der durch ein hirnrissiges Experiment plötzlich zum wahnsinnigen Superschurken mutiert. Was genau an der feinsinnigen Storyführung eines Stan Lee immer so gelobt wird, erschloß sich mir schon beim Lesen seiner alten Comics nicht - doch auch die Filmvariante der Doc Ock-Kreation ist an Dämlichkeit schwer zu überbieten. Doctor Octalus wird das Opfer einer Reihe in den Rücken eingelassener Lastkräne die bei der Präsentation seines Lebenswerkes, einer superdupihuiboahwat-Energiequelle, die er noch nie vorher getestet hat, dummerweise mit ihm verschmelzen und fortan seine Sinne vernebeln und lustige Scharaden aufführen. Nebenbei zischeln sie wie die Schlange Kah und verstehen es FSK12-kompatibel Menschen zu töten.
Sidney Wang: Very interesting theory, Mr. Charleston. However, leave out one important point.
Dick Charleston: What's that?
Sidney Wang: Is stupid. Is stupidest theory I ever heard.
(aus: Murder by Death)
Ins Rückenmark eingebaute, intelligente, bösartige Tentakelarme die man für ein Experiment zur Energiegewinnung braucht. Sicher sicher. Dagegen wirkt der Green Goblin aus Teil 1, geradezu wie ein mustergültiger Versuch in Strahlungsforschung. Ganz abgesehen davon, das mit Willem Dafoe ein wirklich guter Schauspieler den Bösewicht verkörpern durfte. In Teil 2 haben wir Alfred Molina, der den ganzen Film über aussieht als würd er umrechnen, wieviele Male er von seiner Filmgage wirklich teuer und viel Essen gehen kann. Was die Produktion ritt Molina zu casten, bleibt rätselhaft. Vielleicht war Ottfried Fischer nicht verfügbar oder sprach mit zu starkem Akzent.
Um das Desaster-Komplett zu machen fehlt noch die Love-Story die dem schlecht gesponnenen Garn den Rest gibt. Kirsten Dunst. Eine Schauspielerin die irgendwann einmal als 12jr in "Interview with a Vampire" brillierte und die sich seitdem talentmässig rückwärts in der Zeit bewegt. Vielleicht bekam sie aus Geheimhaltunsggründen auch nur ein Drehbuch in kantonesisch und wusste deswegen gar nicht was sie eigentlich spielte. Sie schafft es auf jeden Fall mit zwei Gesichtsausdrücken durch den kompletten Film zu eiern und ihre grauenhafte Performance aus Teil 1 noch in den Schatten zu stellen. Entweder lächelt sie leicht frigid-dümmlich, wie eine Stewardess der Canadian-Airline, deren Oberlippen ja immer nen Zentimeter zu kurz sind - da ist Lächeln die einzige Option. Oder sie schaut drein wie Plumperquatsch nach der Darmspülung- dieser Gesichtsausdruck ist für alle tragischen und dramatischen Momente vorbehalten.
Am unerträglichsten ist der Film in den Dialogszenen. Leider hat er davon sehr sehr viele. Keine Minute vergeht ohne das einer der Hauptakteure nicht irgendwelche Dümmlichkeiten in epischer Länge vorträgt. Selbst Peters Tantchen - im ersten Teil eine erträgliche Nebenrolle - fällt durch Monologe auf die Diether Bohlen Texte wie Shakespeare klingen lassen.
"He knows a hero when he sees one. Too few characters out there, flying around like that, saving old girls like me. And Lord knows, kids like Henry need a hero. Courageous, self-sacrificing people. Setting examples for all of us. Everybody loves a hero. People line up for them, cheer them, scream their names. And years later, they'll tell how they stood in the rain for hours just to get a glimpse of the one who taught them how to hold on a second longer. I believe there's a hero in all of us, that keeps us honest, gives us strength, makes us noble, and finally allows us to die with pride, even though sometimes we have to be steady, and give up the thing we want the most. Even our dreams. "
Jau. Das sind Texte für die man bei Disney geprügelt wird, weil sie zu pathetischer Scheissdreck sind. Das sind Texte die Hedwig Courths-Mahler in einem lichten Augenblick an die Altpapiersammlung verfütterte. In Spider-Man werden sie mit einer Ernsthaftigkeit vorgetragen, das es einen graust.
Wenn in den X-Men-Filmen von Bryan Singer noch ironischer Subtext durchschimmert, wenn die Helden über ihre Probleme lamentieren, so verkommt die menschliche Seite in Spider-Man zum blanken Klischee. Und Überhaupt, warum muß jeder Superheld heutzutage seine Leinwandzeit mir Gegreine verbringen. Erleichterung würde es ja bringen wenn wenigstens die Action-Szenen gut inszeniert und Spektakulär wären, aber auch hier erwartet einen nur CGI-Geraffel nach Schema-X. Optisch unterscheidet sich das ganze nicht so wahnsinnig vom filmbegleitenden Playstation-Spiel. Aber daran das Computereffekte oft lausig aussehen, hat man sich ja gewöhnt. In Teil 1, wurde dies zumindest durch die akzeptable Story ausgeglichen. Doch in Spider-man 2 wartet man vergeblich. Es kracht rumpelt und explodiert, aber selbst der Showdown wird noch mit nöliger Selbstbespiegelung und Love-Story-Schmalz aus der Titanic-Tube zugekitscht, das es nur so quietscht.
Mary Jane Watson: [standing at Peter Parker's door] Had to do what I had to do.
Peter Parker: Mary Jane.
Mary Jane Watson: Peter. I can't survive without you.
Peter Parker: You shouldn't be here.
Mary Jane Watson: I know you think we can't be together, but can't you respect me enough to let me make my own decision? I know there'll be risks but I want to face them with you. It's wrong that we should be only half alive... half of ourselves. I love you. So here I am - standing in your doorway. I have always been standing in your doorway. Isn't it about time somebody saved your life? (...) Well, say something.
Peter Parker: Thank you, Mary Jane Watson.
Kurz vorm letzten Akt erfahren wir dann, das Spideys Probleme mit seinen Kräften ja psychosomatisch seien, weil er den seelischen Druck seiner geteilten Identität nicht mehr aushält. Wahnsinnig. This is sooo deep.
Wir freuen uns dann auf die nächsten Marvel-Adaptionen. Die Midlife-Crisis des Unglaublichen Hulk, Wonder-Woman und die Wechseljahre, Captain America im Banne der Spandex-Allergie, Daredevil und der Heuschnupfen sowie die Fantastischen Vier beim Kegelausflug in Oer-Erkenschwieg.