Es scheint so, als hätte Hollywood endlich einen Nachfolger für Jim Carrey gefunden – Ben Stiller. Um ihn im Kino zu etablieren, gab es 2004 dann auch gleich die volle Stiller-Dröhnung. In sage und schreibe fünf Filmen hat der begnadete Komiker die Hauptrolle gespielt und wirkliche Ausfälle gab es dabei nicht zu vermelden. Das U.S. – Publikum wurde ihn nicht überdrüssig und deswegen ist der jetzige Kassengarant groß im Geschäft. Auch an „Dodgeball“, einer augenscheinlich kleineren Komödie, die überraschend die 100 Millionen Dollar-Marke am amerikanischen Boxoffice durchbrach, war er maßgeblich beteiligt.
Eigentlich präsentiert Regisseur und Drehbuchautor Rawson Marshall Thurber hier den gröbsten Unfug, den man seit langem im Komödiensektor auf der Leinwand begutachten durfte. So einen Schwachsinn auf das Publikum loszulassen, traut sich nämlich niemand mehr und doch geht das riskante Rezept auf.
Das liegt vor allem an den grandios aufgelegten Komikern Vince Vaughn („Old School“, „Be Cool“), der erst jetzt sein begnadetes Talent entdeckte, und natürlich Kumpel Ben Stiller („There's Something About Mary“, „Meet the Parents“), der hier gnadenlos in jeder Szene chargiert. Von ihnen werden die beiden sehr unterschiedlichen Fitnessclubbetreiber Peter La Fleur (Vaughn) und White Goodman (Stiller) verkörpert. La Fleur betreibt seinen Schuppen aus Spaß an der Freunde und sieht sich täglich mit ein paar Enfant Terribles konfrontiert, während Goodman ein Sportimperium aus dem Boden gestampft hat, das Gewinne abwirft, von denen La Fleur nur träumen könnte – wenn er denn wollte. Nun droht diesem „In den Tag hineinleben“ mit seinem Club aber das Aus, weil die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können. Auf diesen Moment hat der seine Finger ausstreckende Goodman nur gewartet. Um das Geld noch aufzubringen, nimmt La Fleur mit seinen Jungs in Las Vegas an der Dodgeball-Meisterschaft teil. Die Gewinnsumme könnte ihn sanieren, aber Goodman stellt ebenfalls eine Truppe auf. Worauf mag das Finale nur hinauslaufen?...
Abfeiern können angesichts dieses Schwachsinns nur die, die für solch debile Comedy-Kunst auch etwas übrig haben. Von daher ist Dodgeball Geschmackssache. Stiller reißt hier völlig over the top, aufplusternd und fast vor Energie platzend jede Szene an sich, als wüsste er nicht wohin mit seiner Eitel- und Überheblichkeit, während Vaughn der coole Nobody von nebenan bleibt. Aus diversen Abgefahrenheiten werden dann selbstverständlich auch die weiteren Mitstreiter zusammengestrickt: Ein überzeugter Pirat, ein männlicher Cheerleader und so weiter und so heiter. Halt lauter kaputtes Zeug, das aber im Inneren sehr liebenswert ist – eine reine Losertruppe, die alle Sympathien für sich gewinnt. Veredelung erfährt „Dodgeball“ dann im verlauf des späteren Turniers durch Cameos von David Hasselhoff, Chuck Norris, Lance Armstrong und William Shatner. In Stillers Muskelprotzarmee sind auch noch ehemalige Footballspieler zu finden, aber das würde hier etwas zu weit führen. Seine Frau Christine Taylor darf als Kate glänzen.
Der Humor setzt sich aus schwarzen Brachialeinfällen im Stil der frühen Adam Sandler-Filme, im Hintergrund ablaufenden Blödsinn a la Zucker, Geschmacklosigkeiten und Frontalerniedrigungen der schmerzhaften Sorte zusammen. Immer geht es mit den Bällen in die Fresse, in die Nüsse oder wo es sonst noch so übel wehtut. Natürlich wird das während der Spiele gegen die abgefahrensten Mannschaften (das deutsche Team heißt „Blitzkrieg“, zudem geht es u. a. gegen Hiphopper und Baumfäller) dann derb überzeichnet.
Zum Turnier wird man nur zugelassen, weil die das regionale Spiel gewinnende Mädchenclique sich mit Pferdeberuhigungsmittel gedopt hatte, der Mentor härtet seine Truppe mit Schraubenschlüsselkanonaden in die Weichteile ab, im Sadomasozwirn wird zwischendurch auch angetreten, weil die Trikotpakete vertauscht wurden et cetera. Die Ideen schienen Thurber hier nicht auszugehen und er bringt sie alle – ohne Rücksicht auf Verluste. Und es funktioniert auch noch alles!
Die Chose reißt er in etwas mehr als 80 Minuten herunter. Das macht „Dodgeball“ etwas kurz und narrativ sehr unausgegoren, aber dank Thurbers Timing und des ihn hier ohne Ausnahme unterstützenden Ensembles ziehen hier alle an einem Strang und die Show mit Spaß an der Sache selbst durch. Die das Ego aufbauende Message gibt’s als Nachschlag quasi nebenher. Da muss sich der Film gar nicht mal groß Mühe geben hier noch etwas zu vermitteln, denn die Aussage versteht eh jeder und was den Ausgang angeht, verfügt auch jeder Zuschauer über hellseherische Qualitäten.
Fazit:
„Dodgeball“ ist Nonstopquatsch, der zum groß angelegten Abfeiern einlädt und dabei alles mitzieht, was nicht gerade mit Salpetersäure gurgelt. Die enthemmte Crew supportet Thurber mit seiner einfachen Idee gerade so, als hätten sie alle Blankoscheck für improvisierten Humor erhalten. So frech, zügellos, spontan, kreativ und direkt war schon lange keine Komödie dieses Schlages mehr. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und so werden hier auch nur die Anspruchslosen die richtigen Zwerchfellerschütterungen zu spüren bekommen. Aber wenn nicht hier mal den Anspruch ausschalten und sich gehen lassen, wo sonst?
P.S.: Erwähnt und empfohlen sei noch mal der DVD-Audiokommentar mit Ben Stiller, Vince Vaughn und Rawson Marshall Thurber. Zunächst sind nur Vaughn und Thurber anwesend, weil Stiller sich 20 Minuten verspätet. Während Thurber etwas naiv nur Informationen über den Film weitergeben will und sich über Stillers Fehlen aufregt, beginnt Vaughn munter die Nerven seines Regisseurs und der Studiotechniker zu malträtieren, indem er sich besäuft und fleißig Chips frisst. Anstatt etwas Sinnvolles beizutragen, unterbricht er den langsam verzweifelnden Thurber ständig und lobt sich selbst und seine Darstellung in den Film-Olymp, beziehungsweise beschreibt nur, was er gerade macht. Als Ben Stiller eintrifft beginnt aber erst das richtige Chaos. Die beiden putzen Thurber im Duett total runter, durchaus mit sarkastischen Unterton, und verwüsten (so hören sich die Reaktionen der Techniker jedenfalls an) das halbe Aufnahmestudio, bevor Thurber dann entnervt von dannen zieht. Kurze Zeit später hauen Stiller und Vaughn dann auch ab, worauf die Techniker resignieren und einfach den Audikommentar von „There's Something About Mary“ einspielen. Es kommt bis dahin wirklich nichts Interessantes zum Film rum, aber wie die beiden sich aufführen und später dann auch noch um Alkohol bitten und die dortigen Arbeiter anpöbeln, ist eine Lachnummer erster Güte. Unbedingt mal reinziehen!