„Wir sehen uns noch!“
Der gebürtige Brite J. Lee Thompson („Ab in die Ewigkeit“) zeichnet als Regisseur für die Erstverfilmung des Romans „Kap der Angst“ aus der Feder John D. MacDonalds verantwortlich. Der in Schwarzweiß gedrehte Psycho-Thriller entstand in US-amerikanischer Produktion und wurde 1962 veröffentlicht.
Der Anwalt Sam Bowden (Gregory Peck, „Das Omen“) ist maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass Max Cady (Robert Mitchum, „Bandido“) nach einem Übergriff auf ein Mädchen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde. Nach Absitzen seiner Strafe taucht er im Wohnort Bowdens und dessen Familie auf, einer Kleinstadt in Georgia, USA, um sich an Bowden zu rächen. Er gibt sich Bowden gegenüber zu erkennen, um ihn zu verunsichern und weiß ganz genau, wie weit er in der Folge gehen kann, um im Rahmen des Gesetzes zu bleiben und sich keiner Straftaten schuldig zu machen. Mit scheinbar zufälligen Begegnungen und unbeobachteten Gesprächen baut er ein Bedrohungsszenario auf, dem Bowden mithilfe der örtlichen Polizei um Chefinspektor Mark Dutton (Martin Balsam, „Psycho“) in Form diverser Schikanen zu begegnen versucht. Als Cady Bowdens Familienhund vergiftet, gibt es dafür keine Zeugen; als er Bowden zu verstehen gibt, dass er sich für dessen Tochter (Lori Martin, „Ein Mann wird gejagt“) „interessiert“, provoziert er einen Kurzschluss Bowdens und lässt sich öffentlich schlagen, ohne sich zur Wehr zu setzen. Doch Cadys Pläne gehen noch sehr viel weiter, was auch Bowden bewusst ist: Er versucht, seinen Antagonisten in eine Falle zu locken und Selbstjustiz zu verüben, um seine Familie und sich zu schützen…
Im Zuge meiner Erstsichtung irritierte mich „Ein Köder für die Bestie“ zunächst: Cady als das personifizierte Böse darzustellen und Anwalt Bowden als Sympathieträger oder zumindest Identifikationsfigur, funktionierte nicht so recht: Mit seiner ungezwungenen Art und seiner lässigen Kleidung, seinem Panamahut und der Zigarre zwischen den Lippen scheint Cady das Leben nicht sonderlich ernstzunehmen und die Lockerheit eines Lebemanns in die spießige Kleinstadt mit ihren selbstgerechten Einwohnern zu tragen, die diese Ankunft eines verurteilten Straftäters mit Argwohn betrachtet, ihn erneut verurteilen zu scheint und ihn mittels Schikanen am Rande der Legalität zu vergraulen versucht. Heutzutage würde aus einer solchen Exposition wohl ein Film werden, in dem jemand wie Cady Opfer falscher Anschuldigungen wird, es sich herausstellt, dass jemand ganz anderer Bowdens Kläffer getötet hat und man den Strafentlassenen um seine zweite Chance bringt – wenn sich nicht gar herauskristallisiert, dass er seinerzeit zu Unrecht verurteilt worden war.
Ganz anders am „Cape Fear“ (so der Originaltitel): Schon bald besteht kein Zweifel mehr an Cadys sinisteren Absichten. Weshalb er eine derart lange Haftstrafe abzusitzen hatte, wird kurz erwähnt, ohne Umstände und Details zu erläutern. Seine Grausamkeit zeigt sich, als er eine junge Frau misshandelt, und kumuliert im wie ein Guerillakampf im Sumpfgebiet anmutenden Finale, in dem es für beide Seiten um Leben und Tod geht – aus Psychoterror wird nackte Gewalt. Robert Mitchum brilliert in seiner Rolle und versteht es, jeder Facette ihrer Persönlichkeit in den richtigem Momenten Ausdruck zu verleihen. Es ist eine Wonne, seinem Mienenspiel und seiner zunehmenden Verrohung zuzusehen. Im Finale hat er mehr mit einem wilden Tier gemein, einem gewieften Jäger, der beharrlich lauert, bis sich die entscheidende Chance zum Zuschnappen bietet.
Woran es „Ein Köder für die Bestie“ indes mangelt ist eine kritische Auseinandersetzung mit seinen (Sub-)Themen: Weshalb sind den Justizorganen die Hände gebunden, Bowden und seine Familie adäquat zu schützen? Und weshalb hat sie stattdessen solch furchtbare Möglichkeiten zur Schikane Cadys, die theoretisch auch Unbescholtene treffen könnten, wenn diese dem örtlichen Sheriff aus welchem Grund auch immer ein Dorn im Auge sein sollten? So scheint es, als wolle uns der Film Bowdens Selbstjustiz als probates Mittel verkaufen – vom Einschalten des Privatdetektivs Sievers (Telly Savalas, „Blutrausch“) über das Anheuern einer Schlägerbande bis hin zum Mordkomplott. Der Logik der Handlung folgend ist sie das, während Fragen des gesunden Menschenverstands unbeantwortet bleiben. Umso besser funktioniert dafür der Nervenkitzel, den Hitchcocks favorisierter Filmmusiker Bernard Herrmann punktgenau orchestral unterlegt und fördert, während die Handlung und charakterliche Entwicklung Bowdens in ihrer Konsequenz dem Rape’n’Revenge-Subgenre vorgreift. Dennoch: Angesichts von Produktionsland und Handlungsort, in dem man Gefahr läuft, bereits beim Betreten eines fremden Grundstücks erschossen zu werden, bleibt ein „Geschmäckle“.