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Nach "Die zwölf Geschworenen" und "The Verdict" ist "Nacht über Manhattan" Sidney Lumets neuester Justizthriller. Der Film ist klassisches Starkino. Solide. geradlinige Regie, tolle Stars. Jedoch gerade die Story wirkt in der ersten Hälfte des Films zwei, drei Spuren zu vorhersehbar.

Andy Garcia spielt den jungen Ex-Polizisten und aufstrebenden Anwalt Sean Casey, dessen Vater Liam bei der Festnahme eines schwarzen Drogenbarons angeschossen wird. Casey bekommt überraschenderweise von dem Staatsanwalt Morganstern die Anklage an den Drogenboss übertragen. Casey gewinnt den Fall, ist der Held des Volkes. Als Morganstern während der Kandidatur zum nächsten Staatsanwalt eine Herzattacke erleidet, übernimmt Casey seinen Posten. Garcias Figur zeichnet sich durch einen idealistischen Gerechtigkeitssinn aus. Und der Spannungsbogen will es nun mal, dass eine Figur im Drama einen Konflikt auszustehen hat. So ist jedem Zuschauer klar, dass Casey plötzlich in seinem hohen Amt mit Korruption und Verrat zu tun hat. Auf Andy Garcias erstaunten Blick, als er selbst merkt, dass die Menschen, denen er vertraut hat, selbst gewisse illegale Mittel benutzen, solange der Zweck heilig bleibt, wartet der Zuschauer fast eine Stunde. Was danach folgt ist grandioses Dialogkino mit fabelhaften Stars.

Aus dem strahlenden Staatsanwalt Casey, dem alles Glück der Welt zufällt, wird plötzlich ein gebeutelter, rechtschaffender Mann auf der Suche nach Wahrheit. Die Tatsache, dass er dabei auch bei seinem Vater Liam nachhaken muss, macht die Konstellation besonders brisant. Außerdem arbeitet seine Freundin Peggy auch noch für die gegnerische Anwaltskanzlei. Und, um das Fass voll zu machen, scheint sein Gegner vor Gericht, der Sensationsanwalt Sam Vigoda der einzige Mensch zu sein, der ihm die Wahrheit sagt.

Regisseur Lumet hält sich auf dem Regiestuhl merklich zurück. Kaum das eine Kameraeinstellung künstlerisch angehaucht ist; seine Bilder sind immer nur zweckdienlich, ohne Schnörkel. Dafür hält er sehr gerne auf seine Akteure drauf. Das geht mal auf, mal nicht. Denn da ist er auf seine Schauspieler angewiesen. Andy Garcia (dessen Haar wieder einmal nicht einmal von der Setfriseurin zu bändigen war) und Ian Holm als dessen Vater sind großartig. Jedoch stehen beide im Schatten der atemberaubenden Leistung des zerknirschten James Gandolfini als Joey Allegretto, Ian Holms Partner. In Nebenrollen tummeln sich Richard Dreyfuss als Vigoda, der gewohnt gut spielt, und die maßlos enttäuschende Lena Olin als Peggy.

Nach 110 Minuten ist "Nacht über Manhattan" zu Ende, und man hat einige wirklich intensive, toll gespielte Ensemble-Szenen hinter sich, und einige enttäuschend leere, vorhersehbare Drehbuchseiten. Sidney Lumet hat einen guter Film mit schwachem Anfang gedreht, der ganz große Wurf ist ihm bei seiner verhaltenen Regie natürlich nicht geglückt, von einem Klassker ganz zu schweigen. Da müsste man auf "Die zwölf Geschworenen" zurückgreifen.

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