Was für ein seltsamer, seltsamer Film. Was der seinerzeit berühmte französische Schauspieler Sacha Guitry in Personalunion als Drehbuchautor, Regisseur und zweiter Hauptdarsteller hier zusammengezimmert hat, gehört wohl zum Merkwürdigsten, das jemals abseits des Trash-Genres auf die Kinoleinwände gelangte.
Es wird deutlich, dass diese Napoleon-Biographie nach den Maßstäben des Jahres 1955 wirklich teuer gewesen sein dürfte. Gedreht wurde zum Teil an erlesenen Originalschauplätzen, die Kostüme sind streckenweise verschwenderisch opulent und in den Schlachtszenen marschieren schon einmal tausende Soldaten an den Kameras vorüber. Kein Zweifel, Geld war da. Aber hier endet auch schon, was man gemeinhin als Anzeichen filmischen Könnens einstufen würde. Von nun an wird es so merkwürdig, dass man aus dem Kopfschütteln so lange nicht mehr herauskommt, bis man Ohrenschmerzen hat.
Was kommt einem wohl als erstes in den Sinn, wenn man den Namen Napoleon hört? Richtig, Schlachten. Und gerade die sind hier so misslungen, dass es an Sabotage grenzt. Zunächst einmal ist es gleichgültig, ob sich die Grande Armée bei Jena, Austerlitz oder Waterloo schlägt - das Schlachtfeld ist stets die gleiche sommerlich verdörrte südfranzösische Landschaft mit steilen Felshügeln, die immer gleichermaßen schlecht passt. Nur für Ägypten durften wohl einige Stranddünen herhalten, bei denen in den Hintergrund ein paar arg zweidimensionale kleine Pyramiden-Kulissen gestellt wurden. Die Soldaten, die sich in dieser deprimierend eintönigen Umgebung schlagen dürfen, können einem leid tun.
Und wo wir schon einmal bei den Soldaten sind ... die laufen größtenteils in grotesken Aufmachungen herum. So exzellent die Kostüme der Zivilisten aussehen, so lächerlich wirken die Uniformen der Soldaten. Man muss nicht einmal historisch bewandert sein, um zu erkennen, dass hier jemand am Werk war, der keinerlei Ahnung von den Uniformen der dargestellten Epoche hatte. Die Bärenfellmützen der Kaisergarde sehen größtenteils aus wie schwarz angemalte und dann plattgedrückte riesige Kaffeefilter, die Preußen werden in peinliche schwarz-goldene Phantasieuniformen mit seltsamen Helmchen gesteckt, und bei den Engländern herrscht ein wildes Durcheinander komischer Aufmachungen. Es ist eher eine Masseninvasion von Militärclowns.
Zu Clowns passt auch das Schlachtgeschehen: Horden von bunt Uniformierten rennen ohne erkennbaren Sinn und Zweck durch die Botanik. Es ist ein einziges Chaos; aber keines, das absichtlich inszeniert wurde, um den Horror der Schlachtfelder zu zeigen, sondern eines, das aus blanker Unfähigkeit geboren wurde. Keine Sekunde hat man den Eindruck, eine auch nur annähernd ernsthafte Darstellung militärischer Gefechte zu erleben, es wird nur herumgerannt. In der alten deutschen Kinofassung wurde der Regisseur der Schlachtszenen eigens groß im Vorspann genannt. Vermutlich, um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben.
Vom militärischen Teil einmal abgesehen, funktioniert auch sonst herzlich wenig. Die Personen der Handlung sind entweder karikaturhaft überzogen oder eigenschaftslos öde dargestellt. Charaktereigenschaften erhält keine - bis auf Talleyrand, der sich süffisant-ironisch geben darf. Kein Wunder, denn diese Rolle hat Drehbuchautor und Regisseur Guitry sich selbst verpasst. Selbst Napoleon bleibt so nichtssagend, dass man sich fragt, wie eine solche charakterliche Leerstelle eine ganze Nation hätte begeistern sollen.
Buch und Inszenierung sind irritierend. Manche Lebensabschnitte Napoleons werden trotz erkennbarer Langweiligkeit ausführlich abgehandelt, interessante Episoden hingegen im Schweinsgalopp durchprescht oder gleich völlig übersprungen. Besonders, wenn es sich um Dinge handelt, die mit der französichen Verehrung für Napoleon allzu unvereinbar sind. Dramatisches wird fast immer gezeigt, als fände es auf einer Theaterbühne statt: Hölzern und buchstäblich theatralisch. Dass auch die historischen Fakten des öfteren mal unter die Räder kommen, ist dabei schon fast nebensächlich.
Wirklich, ein sehr seltsamer Film. Ich frage mich ernsthaft, welche Absicht Guitry damit überhaupt verfolgt hat. Aber was es auch war, es ist ihm misslungen. Wenn man sich die später fürs deutsche Fernsehen neu synchronisierte ungekürzte Fassung von satten 3 Stunden Laufzeit antut, überkommt einen gegen Ende das Gefühl, Opfer eines bizarren Scherzes geworden zu sein. Und falls man die auf 105 Minuten zusammengeschnipselte alte deutsche Kinofassung sieht, leidet man rasch an Orientierungslosigkeit, da hier nur noch zusammenhanglos von einem Ereignis zum nächsten gesprungen wird. Aber schlechter wird der Film dadurch seltsamerweise auch nicht. Und das sollte Monsieur Guitry, wenn er nicht bereits 1957 gestorben wäre, doch arg zu denken geben.