Arthur Hillers "Trans-Amerika-Express" verfügt über eine Vielzahl vertrauter Rollencharaktere und Storyelemente und ist doch ein Film geworden, der in seiner Art nicht nur einmalig, sondern prägend wurde und trotzdem in Vergessenheit geriet.
Vordergründig spielt die Handlung, die fast ausschließlich innerhalb eines Zuges („Silver Streak“) stattfindet, auf Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“ an, aber als Satire darauf ist "Trans-Amerika-Express" trotz geringer Parallelen (eine Person hat etwas gesehen, was ihr Niemand glaubt) nicht zu verstehen, weil er sonst vollkommen eigenständig ist. Den komödiantischen Charakter verdankt der Film zudem seinem Hauptdarsteller Gene Wilder, der hier den Verleger George Caldwell mimt, der ausnahmsweise mit einem Zug von Los Angeles nach Chicago reist. Hier trifft er auf Bob Sweet, der sich als gewohnheitsmäßiger Zugfahrer outet, der die lange Fahrt zu angeblichen amourösen Abenteuern nutzt. Ned Beatty ist wie immer großartig als amerikanischer Spießer, der schon Hände reibend weibliche Hintern studiert, während er gleichzeitig so schmierig daher kommt, dass es unvorstellbar ist, dass er jemals Erfolg damit haben könnte.
Obwohl die ersten Szenen, in denen sich George und Hilly Burns (Jill Clayburgh) deshalb im Zugrestaurant begegnen, weil sie vor zudringlichen Verehrern fliehen, leicht und witzig inszeniert sind, fallen frühzeitig Unterschiede zu üblichen Komödien auf. Das beginnt schon beim Spiel von Gene Wilder, der ohne Übertreibungen nachvollziehbar und geradezu ernst agiert. Hiller gelingt es dadurch, der angehenden Beziehung zwischen George und Hilly emotionale Tiefe zu geben. Trotz der Geschwindigkeit, mit der sich diese entwickelt, gelingt ihm damit eine Grundlage, die dem weiteren Geschehen erst ihre Glaubwürdigkeit gibt. Denn nur durch die Gefühle, die George für Hilly empfindet, sind dessen weiteren Aktionen im Film zu verstehen. Gerade im Bezug zu vielen späteren Filme, die ähnlich absurde Geschehnisse als oberflächliche Action inszenierten, fällt in "Trans-Amerika-Express" auf, mit welcher Akribie Hiller sich um eine schlüssige Grundlage bemühte.
Folgerichtig beginnt George deshalb auch nicht sofort den gesamten Zug umzukrempeln, als er zufällig einen toten Mann aus dem Zug fallen sieht, sondern lässt sich von Hilly davon überzeugen, dass es momentan Wichtigeres gibt. Erst am nächsten Morgen und nach einer aufregenden Liebesnacht will er sich in der Kabine nach Hillys Chef umsehen, nachdem er auf einem Foto diesen als den Toten wiedererkannt hat. Wilder spielt in "Trans-Amerika-Express" zwar eindeutig den Helden, der nicht nur ein Verbrechen aufklären will, sondern alles dafür tut, die geliebte Frau zu retten, doch mit dieser äußerlichen Parallelität endet auch schon dieses Rollenklischee. Wilder entspricht hier weder dem toughen Kämpfer und Frauentypen, noch dem Trottel und Zufallshelden. So wie es seine charmante und unauffällige Art nachvollziehbar macht, warum Hilly ihn mag, so agiert er hier auf geradezu frappant normale Art und Weise.
Die Absurdität des Films begründet sich nur in seiner verrückten Handlung, aber niemals im Verhalten irgendeines Charakters. Die Verbrecher (Patrick McGoohan als Anführer) sind skrupellos und professionell, aber nicht sadistisch oder sonst in irgendeiner Form wahnsinnig. Hilly ist zwar das weibliche Opfer und Love-Interest, dabei aber weder weinerlich noch unfähig. Im Gegenteil wirkt Jill Clayburgh emanzipiert und selbstbewusst, auch in ihrem Verzicht auf übertriebene sexy Attitüden. Angesichts dieses so unglamourösen wie sympathischen Paares stellt sich die Frage, ob heute noch Jemand eine solche Rollenbesetzung für die tragenden Hauptdarsteller wagen würde. "Trans-Amerika-Express" war Mitte der 70er Jahre ein sehr erfolgreicher Film, der bewusst auf Action und Unterhaltung setzte, aber im Vergleich zu zeitgenössischen Werken fällt die lässige, unprätentiöse Art auf, mit der hier inszeniert wurde.
Signifikant dafür ist besonders die Begegnung von Wilder mit Richard Pryor als Grover Muldoon, nachdem George als vermeintlicher Mörder an einem FBI-Agenten in einer kleinen Polizeistation verhaftet wurde. Zum wiederholten Mal war er von den Gangstern aus dem Zug geworfen worden, aber diesmal schien es unmöglich wieder dorthin zurückzukehren. Da kommt ihm zufällig der Kleinganove Grover zu Hilfe und es entwickelt sich die klassische Form des schwarz/weißen Buddy-Movies, die es vor allem in späteren Filmen wie „48 Stunden“ und der „Lethal Weapon“ Reihe zur Berühmtheit geschafft hat. So sehr Pryor hier scheinbar dem „schwarzen“ Rollenklischee als witzig lässiger und immer seinen Vorteil nutzender Side-Kick entspricht, so offensiv geht Hiller damit um.
In einer markanten Szene muss sich George als „Schwarzer“ gerieren, wird mit Schuhcreme angemalt und soll mit dem Radio am Hals fließende Bewegungen zur Musik ausführen. Abgesehen davon, dass George dabei völlig versagt, fällt die Leichtigkeit auf, mit der hier Vorurteile aufs Korn genommen werden. Auch die vielen dunkelhäutigen Zugbegleiter, die ein bisschen wie Relikte aus der Sklavenzeit daher kommen, parodieren wunderbar diese Erwartungshaltung, die in einem prägnanten Moment dazu führt, dass der Obergangster sich in einem Anfall von Rassismus selbst vergisst, was letztlich sein Scheitern bewirkt. So häufig die Konstellation aus weißem Helden und schwarzem Nebenhelden nach "Trans-Amerika-Express" wieder im Film vorkam, so selten gelang es, die Sympathien und Kompetenzen so ausgeglichen zu gestalten.
Zu verdanken ist das einem Stil, dem man in Bezug auf heutige Inszenierungsgewohnheiten nur Zurückhaltung bescheinigen kann, obwohl damals ganz bewusst auf Showwerte gesetzt wurde, denn Hiller machte keinen Hehl daraus, dass sein Film ein großes Publikum erreichen sollte. Hinsichtlich der reinen Story ist "Trans-Amerika-Express" etwas überholt, was vielleicht auch dazu führte, dass der Film heute nur noch wenig bekannt ist, aber angesichts der inneren Schlüssigkeit, der emotionalen Nachvollziehbarkeit in den Charakterisierungen und der Lässigkeit, sich selbst nicht ernst zu nehmen, ist dieser Film, der keinem Genre eindeutig zugeordnet werden kann, immer noch vorbildhaft und vor allem sehr gut unterhaltend (9/10).