Heimat ist die Sehnsucht nach der Kindheit
Heinrich Böll
Dieses Zitat dürfte auf die (zweite) Verfilmung von Stephen Kings zweitem Roman Salem's Lot genau passen, wenn er Bezug auf die Vergangenheit seiner zentralen Figur des Ben Mears nimmt und den Grund warum er in seine alte Heimat Jerusalem's Lot zurückkehrt. Jedoch sehnt sich Ben auf eine ganz andere Weise nach seiner Kindheit, als in dem Zitat gemeint ist. Denn diese hängt eng mit den Ereignissen zusammen, die in seiner Heimat passieren, als er zurück kommt. Ich muss zugeben weder die Romanvorlage noch die erste Verfilmung bisher konsumiert zu haben, aber die TV-Verfilmung weiß zu überzeugen und zeigt, dass es auch mehr als nur ein oder zwei gute King-Verfilmungen geben kann. Trotz einiger Hänger in der Mitte bleibt sie durchweg spannend.
Willkommen in Jerusalem’s Lot – die Einheimischen nennen den Ort Salem’s Lot. Einwohner: 1319. Von Minute zu Minute wird es unheimlicher. Denn in dem verschlafenen neuenglischen Städtchen ist ein gespenstischer Fremder in das düster drohende Marsten House eingezogen. Er bringt unter anderem eine sargähnliche Kiste mit, die er nicht aus den Augen lässt. Ben Mears (Rob Lowe), einen Schriftsteller, kehrt in seine Heimatstadt zurück, um sich seiner grausigen Vergangenheit zu stellen… schon bald übernimmt er die Führung bei der Klärung der seltsamen Ereignisse.
Rob Lowe (Contact) spielt seinen Part recht ordentlich und fungiert daher auch ausreichend als Sympathiefigur. Denn die hat der Film auch dringend nötig, da die restlichen Figuren bis auf ein paar Figuren weniger vertrauenserweckend sind. Als farbiger Sidekick muss hier Andre Braugher (Poseidon) herhalten, fällt aber keineswegs negativ auf. Einen zufriedenstellenden Job als menschlicher Handlanger darf hier zudem Donald Sutherland (Lord of War) machen, auch wenn er zeitweise etwas zu überdreht daher kommt. Der potentielle Love Interest wird indessen von Samantha Mathis (The Punisher) verkörpert, die mit ihrer Performance auch in Ordnung geht. Am besten macht allerdings Rutger Hauer (Buffy - Der Vampir-Killer) seinen Part als abgrundtief böser Vampir, und beweißt trotz wenig Screentime eindrucksvoll, dass er nichts von seiner dämonischen The Hitcher-Aura verloren hat. James Cromwell (Eraser) schlägt sich hingegen passabel und Dan Byrd (The Hills Have Eyes) ist einer der wenigen Jungdarsteller, die mal ausnahmsweise kein nerviger Sidekick sind, sondern sich wunderbar in die Handlung einfügen.
Actionmäßig geht hier weniger die Post ab, womit jene enttäuscht wären, die einen Vampir-Streifen a'la Blade oder Underworld erwarten. Genau wie Bram Stokers Dracula konzentriert sich Salem's Lot überwiegend auf seine Charaktere und den Spannungsaufbau. Dennoch hat der Streifen einen gewissen Härtegrad, wenn es an die Dezimierung der Vampire geht oder Barlow einer Frau den Kopf mühelos um 180° dreht, und kann dadurch auch sein Horror-Feeling einigermaßen über Wasser halten. Und CGI wird wirklich nur dort eingesetzt, wo es nötig ist. Am auffallensten ist das noch bei der Vernichtung von Barlow und den anderen Vampiren. Am Schluss gibt es dann noch einen Großbrand inklusive Explosion, um den Film mit apokalyptischen Ausmaßen abzuschließen. Immerhin wird hier eine komplette Kleinstadt ausgelöscht.
Bezüglich der Handlung kann Salem's Lot seinen Spannungsbogen meistens durchgehend aufrecht erhalten, wenngleich er im Mittelteil etwas nachlässt. Bei einer Lauflänge von knapp drei Stunden ist das jedoch kaum vermeidbar. Neben den Vampir- und Horrorelementen enthält die Handlung noch eine zum Ende tragisch werdende Lovestory, und vermittelt nebenbei das Gesellschaftsbild einer amerikanischen Kleinstadt an der Ostküste. Abei schafft es TV-Regisseur Mikael Salomon (Alias, Band of Brothers) gekonnt eine inzwischen dreißig Jahre alte Geschichte in die Gegenwart zu transportieren, was durch viele kleine Details, wie den Einsatz von Internet, merkbar wird. Anzumerken sei noch, dass man es innerhalb Handlung geschafft hat, ein paar zuerst unwichtig scheinende Subplots mit einzusetzen, um sich schließlich miteinander zum finalen Hauptplot zu verbinden. So bringen auch eher unscheinbare Nebenfiguren den Film handlungstechnisch stets ein Stück weiter. Und das ist es, was bisher nicht vielen King-Verfilmungen gelungen ist.
Gelungen ist den Machern auch der Aufbau der winterlich, düsteren Atmosphäre, die den Ort Jerusalem's Lot umgibt. Die allgegenwärtige Bedrohung ist dadurch stets spürbar, auch wenn sie überwiegend nicht greifbar zu sein scheint, wenngleich das Marsten Haus auf dem Hügel ähnlich finster wirkt wie sein Patent aus Psycho. Umso plötzlicher wird man dann mit dem wahren Dämon der Stadt konfrontiert, der nach und nach von dessen Bewohnern Besitz nimmt. Die zu Beginn als Serienmörder-Thriller anmutende Geschichte offenbart einem erst nach und nach die Identität des personifizierten Bösens, das in Jerusalem's Lot eingekehrt ist. Indizien, wie die sargförmige Kiste, mögen noch darauf hinweisen, aber wirklich Klarheit bekommen jene, die unvorbereitet (also weder die Vorlage noch sonstiges um den Film kennen) erst ab der Stelle, wo sich der erste Vampir zu erkennen gibt. Ein dabei in der heutigen Filmlandschaft fast schon vernachlässigtes Stilmittel des Vampirismus ist die Begebenheit, dass Vampire erst einen Raum betreten können, wenn man sie dazu einlädt. Anders als in modernen Vampir-Action hat dies hier durchweg Bestand. Erwähnenswert ist schließlich auch noch die musikalische Untermalung, die einen Großteil zu der bedrohlichen Atmosphäre beiträgt. Die von Christopher Gordon komponierte Musik schleicht sich dabei durch die gesamte Handlung und abgeschlossen wird Salem's Lot wie einst Im Auftrag des Teufels mit dem Rolling Stones-Stück Paint it Black, das hier einem finalen Paukenschlag gleichkommt. Nur fehlt hier das diabolische Lachen von Al Pacino.
Unterm Strich haben wir es hier mit einer der empfehlenswerteren King-Verfilmungen zu tun, die anbei auch ein brauchbarer Vampirfilm im alten Stil ist. Ganz ohne Silbergeschosse, Sonnenbrille und dergleichem Firlefanz. Dafür bekommt man atmosphärischen Horror, gute Darsteller und eine überwiegend unterhaltsame Handlung geboten. Begonnen hab ich die Review mit einem Zitat und genauso werde ich sie auch abschließen, um das Ende von Ben Mears und sein Erbe an Mark Petrie zu beschreiben.
Mein Tod ist der Weltuntergang. Was weiterlebt, ist die Welt der anderen.
Gabriel Garcia Marquez