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Orson Welles prägte das Kino wie kaum ein zweiter mit seinem Jahrhundertwerk „Citizen Kane“ und inszenierte viele weitere Perlen wie zum Beispiel „MacBeth“ oder „Der Prozeß“. Bei den Kritikern fand er stets Anklang, doch kommerzieller Erfolge blieben oft aus und viele Projekte scheiterten oder blieben unvollendet - dazu gehört auch „Don Quijote“.

Nichtsdestotrotz zeigt der unfertige Film viel von dem was aus dem Endprodukt hätte werden können: Die fast schon expressionistischen, düsteren Bilder erzeugen eine dichte Atmosphäre die in ihrer Intensität an die großen Werke von Orson Welles zu erinnern vermag.

Einige Aufnahmen sind brillant eingefangen und lohnen sich gesehen zu werden, Abstriche muss man dagegen natürlich bei der Story machen. Zunächst einmal ist es generell ein Problem solch komplexe Romane wie „Don Quijote“ adäquat zu adaptieren denn Handlungsstraffungen sind unvermeidlich.

Das viel größere Problem war für Welles aber schlichtweg die Finanzierung des aufwendigen Projektes. Die Dreharbeiten begannen 1955 und erstreckten sich über mehrere Jahre. Es war ein großer Traum des Regisseurs diesen Klassiker der Weltliteratur für die Leinwand zu interpretieren, doch letztendlich musste sein Traum platzen.

Die 50er Jahre erwiesen sich als erfolglose Zeit für Welles und er musste einige Flops verkraften. Die Mittel für „Don Quijote“ trieb er weitestgehend selbst auf und gab sich dementsprechend für unzählige Projekte her. Leider verstarb Francisco Reiguera 1969 und Akim Tamiroff 1972. Mit dem Verlust beider Hauptdarsteller war das Projekt endgültig gestorben und ist dementsprechend Fragment geblieben.

Erhalten sind letztendlich aber fast zwei Stunden Filmmaterial, leider ohne innere Logik oder endgültige Montage. Einige Sequenzen sind dabei schlichtweg langweilig ausgefallen, während durch eine Prise Humor und akzeptables Tempo der Unterhaltungswert noch gerade so aufrechterhalten wird.

Schade, denn Reiguera als Don Quijote und Tamiroff als Sancho Pansa sind optimal besetzt und spielen ihre Rollen sehr glaubwürdig. Leider gilt das nicht für die restlichen Darsteller, die oftmals untalentiert wirken, mitunter aber auch durch ihre laienhafte Natürlichkeit authentisch wirken. Viel wichtiger sind jedoch die beiden Hauptdarsteller, die darüber hinaus auch optisch sehr gut gewählt sind.

So fehlen viele wichtige Szenen aus dem Buch und auch die Handlung weist letztendlich keine Stringenz auf. Welles erstellte eine neue Version und ersetzte die toten Darsteller durch Stimmen aus dem Off und brachte sich selbst mit ein. Obwohl die Idee interessant ist und es verständlich bleibt das Welles seine mühsam gedrehten Szenen auch verwenden wollte kann diese Version nicht überzeugen, sondern zieht die Qualität nach unten.

Jess Franco war als Regie-Assistent für Welles mitbeschäftigt, selbstverständlich ist von dessen Mitarbeit nichts zu spüren. Auf Franco scheint es großen Eindruck gemacht zu haben, besonders die teils hingeschluderten und improvisierten Szenen. Überhaupt spielte Improvisationsvermögen eine große Rolle während der Dreharbeiten, das gilt sowohl für die meisten Darsteller als auch für die holprige Inszenierung. Gelungen erscheint die teils epische, teils malerische Musik und wertet das Gesamtwerk etwas auf.

Übrigens: Die Romanvorlage von Cervantes erwies sich auch für Regie-Exzentriker Terry Gilliam als unverfilmbar, wovon die eindrucksvolle Dokumentation „Lost in La Mancha“ deutlich zeugt. Es hat bisher nicht sollen sein, vielleicht sollte man die Finger von diesem Stoff lassen, Glück gebracht hat er jedenfalls noch keinem.

Fazit: Für jeden Cineasten sehr interessant zu sehen und eine der besten Verfilmungen, trotz der Unvollendung. Mit den nötigen Mitteln wäre Welles ein Meisterwerk gelungen.

06 / 10

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