Charlie Chan – 2.Fall!
Oder besser gesagt, sechster Fall, denn nach dem „schwarzen Kamel“ von 1931 verbleibt den Archivaren leider nichts mehr Verwertbares bis zum Jahr 1934, da die Filme „Charlie Chan’s Chance“, „Charlie Chan’s Greatest Case“ und „Charlie Chans Courage“ als verloren oder zerstört gelten.
Tatsächlich gingen einige dieser Filme bei Feuern verloren, sowohl in den 30er wie auch in den 60er Jahren, ein inzwischen leider nur allzu gut bekanntes Problem, dass auf falscher Lagerung in den „movie vaults“ oder schlichte Vernachlässigung bzw. bewusster Zerstörung beruhte.
So kann man sich als Nächstes nur an der Reise nach London erfreuen, die den Beginn der „Reisen“ Charlie Chans anzeigt, denn fortan hatten die Filme zumeist ein spezielles Thema, meistens thematisierten sie eine Örtlichkeit oder ein Ereignis, die das Umfeld der meist eh nur 70-75 Minuten langen Filme vorgaben.
Chan besucht in diesem Film also England, wobei London ein wenig übertrieben ist, denn der Großteil der Handlung spielt sich auf einem typischen englischen Landsitz mit ebenso typisch spleenigen oder arroganten Charakteren ab. Hier ist auch das Zeitlimit von großer Bedeutung, denn die Ermittlungen werden an Chan erst durch Zufall herangetragen, als es kaum noch 48 Stunden bis zur Hinrichtung des vorab verurteilten Delinquenten sind (ein sehr beliebtes Sujet, das Rennen gegen die Uhr, wurde zum Glück nicht allzu oft verwendet).
Der Fall hat also weniger von London zu bieten, dafür aber handwerklich sehr gute Deduktionsarbeit, britisches Flair und – fast unvermeidlich in dieser Umgebung – auch noch eine Fuchsjagd. Dazu kommt, dass sowohl hier als auch sonst, der Detektiv selbst im Mittelpunkt der „action“ steht, also trotz seiner relativen Unbeweglichkeit (welche bei Chan auch täuscht) selbst in Gefahr gerät. Aber auch hier zählen Einfallsreichtum und schnelle Reaktionen zu den notwendigen Talenten.
Auf einen Assistenten oder wie später häufig verwendet, einen Sohn verzichtet diese Produktion noch, stattdessen hat man in solchen Fällen die Lücke meistens mit einem entweder vorschnellen oder nicht sonderlich hellen Polizisten gefüllt, der aber meist fürs schnelle Zupacken der richtige Mann ist.
Prominentestes Castmitglied (in jungen Jahren) ist sicherlich der spätere Oscargewinner Ray Milland als der selbst nicht überzeugte Verteidiger des Delinquenten (und Verlobter der Schwester), aber mit Mona Barrie, Alan Mowbray, Murray Kinnell, E.E. Clive und Madge Bellamy hat man sich eine Menge britische Exilprominenz vor die Kamera ins Studion geholt.
Insgesamt eine charmante, blutfreie Produktion (praktisch alle Chans kommen ohne Blut aus, obwohl reichlich in ihnen gestorben wird). Der Humor kommt nicht zu kurz, da Chans Aktivitäten meistens konträr zu den Bemühungen der verärgerten Butlers (und eines stetig verängstigten, ziemlich rassistisch motivierten Zimmermädchens) laufen. Auch die Ausbrüche der britschen „Society“, die natürlich nicht mit den Ermittlungen belästigt werden möchten, ignoriert Oland freundlich und sachlich.
Anders als im „Camel“-Fall, wo die Lösung wirklich aus dem Außenfeld zu kommen schien, ist der Täter hier wirklich einen überraschenden Moment wert, sieht man seine Teilnahme an dem gesamten Plot.
Prädikat: sehr empfehlenswert! Schauen, bitte! (7,5/10)