Generell gilt ja Louis de Funes Bühnenkomödie-goes-Film „Oscar“ als sein bester Film, der den Typus von nervösen, überagierendem Charakter am besten darstellt; allerdings neige ich dazu, „Hasch mich – ich bin der Mörder“ diesem sogar leichthin vorzuziehen, weil er eine komprimierte Form des Eskapismus darstellt, den bloßen Wahnwitz einer Situation und ihrer Reaktionen darauf, der die Erwartungen des Zuschauers immer wieder unterläuft.
Wie auch „Oscar“ basiert „Monsieur Jo“(wie er im Original heißt) auf einem Theaterstück, „The Gazebo“ und wurde schon einmal mit Glenn Ford verfilmt, doch der US-Humor kann wohl kaum den wild fabulierenden Witz der Franzosen toppen, der hier in kürzester Zeit von der Leine gelassen wird.
Der Zuschauer stürzt praktisch kopfüber in den Plot: ein Theaterautor für leichte Komödien will jetzt ein Kriminalstück schreiben und plant so den perfekten Mord – jedoch dienen diese Anstrengungen einem realen Hintergrund, denn Antoine Brisebard (de Funes) wird erpreßt, was jedoch niemand weiß. Nun will er den Erpresser verschwinden lassen und als seine Frau im Garten für einen neuen Pavillon (Gazebo) ein Loch ausschachten lassen will, bietet sich ihm eine große Chance.
Doch als der Schuß nach allerlei Schwierigkeiten endlich gefallen ist, muß erst mal die Leiche versteckt werden, da Brisebards Haus ständig von Besuchern heimgesucht wird...
...was wiederum typischen Bühnenmaterial ist: die ständige Störung der Hauptfigur durch immer neue Besucher. Erst schaut die Ehefrau rein, dann der Chef der Bauarbeiten, dann auch noch eventuelle Hauskäufer und die Leiche liegt (zumindest hauptsächlich) unter dem Sofa.
Und ist die Leiche erst mal unter dem Pavillon, stellt sich schon bald die Frage, ob der Schuß den Richtigen getroffen hat und kaum bringt dies Verwirrung, löst sich das „Grab“ leider unter Wetterunbillen in seine Bestandteile auf. Inzwischen ist die Polizeit im Haus, die Leiche muß weiter verschwinden oder versteckt werden und andere Gangster wollen etwas, was der Tote bei sich hatte.
Das ist typisches Boulevard, was hauptsächlich von den Reaktionen der Figuren auf die sich ständig verändernden Umstände lebt. Andauernde Schrecksekunden, stetes Improvisieren, immer neue haarsträubende Lügen und Ausbrüche – de Funes ist der absolut Richtige für diesen Job, schwankt zwischen kindhafter Verzweiflung, hartem Anpacken und furiosem Zorn, gepaart mit solider Unfreundlichkeit, was seine Umwelt allerdings nie so ganz so vergrätzen scheint. Er läuft, hüpft, rennt und humpelt von einer Ecke zur Nächsten, um ja alles unter Kontrolle zu halten, was ihm jedoch nie gelingt.
Dazu spielt ihm ein Ensemble in die Hände, daß geradezu beispielhaft ist, hier versammeln sich fast nur alte Kollegen. Bernard Blier darf den scharfsinnigen Kommissar mimen, der immer im entscheidenden Moment (gottseidank) ein Detail übersieht; Michel Galabru (de Funes Kollege aus unzähligen Gendarmenfilmen) ist der emotionale Bauherr; Guy Trejan als Anwaltsfreund taucht immer dann mit guten Krimiideen auf, wenn sie Antoine bereits in den Po beißen und Ferdy Mayne und Yvonne Clech geben dem Affen Zucker als britisches Ehepaar, die das Haus kaufen wollen, wobei sie ein akutes Alkoholproblem hat (das legendäre „Gluckgluck – tüdelütü“). Christiane Muller bietet dann noch das Hausmädchen Mathilde, das sich erst zu Tode ängstigt, um dann in den kompromitierensten Situationen hereinzuplatzen und in brüllendes Gelächter auszubrechen, weil sie es für Theaterproben hält.
Eine Traumrolle ist aber auf jeden Fall Antoines Ehefrau Sylvie, die von Claude Gensac gemimt wird, die in 10 Filmen de Funes Partnerin und/oder Frau war. Mit fröhlichem Strahlen immer leicht neben de Funes Aktionsspur macht sie jeden Mist mit, bis sie in der wohl besten Szene des Films die Handlungen ihres Mannes vor der Polizeit mit denen in einem Krimi vergleicht und sich plötzlich der Realitäten bewußt wird.
Gensac ist ein Musterbeispiel an Timing, die de Funes Humor kongenial folgt und im letzten Drittel mit ihm zusammenarbeitet, um die Leiche entgültig zu entsorgen, ohne Rücksicht auf die eigene physische Unversehrtheit.
Das definitive Sahnehäubchen, daß „Joe“ von übrigen Bühnenverfilmungen abhebt, ist jedoch der Umgang mit dem Humor, der nicht im Text liegt, eine gewisse Neigung zum Absurden und Surrealen, das von dem unvergeßlichen Gerd Martienzen als Synchronstimme noch unterstützt wird. Immer wieder durchbrechen Momente vollkommener Absurdität die Szenen und setzen neue Glanzlichter: so spreizt die Leiche des vermeintlichen Jo unter dem Sofa ständig einen Arm ab, der hervorragt und nimmt sich auch verschiedener Hüte an, die unter das Möbelstück rutschen; de Funes und Blier teilen einen konspirativen Dialog in aller Stille, so still, daß sie nur noch den Mund bewegen, was natürlich Wiederholungen nach sich zieht und es gibt ein paar Albernheiten rund um das Sofa als Sitzgelegenheit, was die Größenverhältnisse zwischen den Figuren ändert.
Das Synchronbuch leistet Großartiges und der morbide Humor rund um die Leiche (sie wandert unter den Pavillon, wird dann zu einer Statue gemacht und muß später in einen Koffer verfrachtet werden) machen es nur noch besser.
Das alles wird in gerade mal 78 Minuten Handlung gepreßt, ständig ist Bewegung und nur das Ende (das bezeichnenderweise unpassend nicht im Haus spielt, wo sonst die komplette Handlung von kurzen Ausnahmen ihren Lauf nimmt) wirkt ein wenig drangeklatscht.
Aber dennoch nimmt einen die Magie des hier runtergespielten Drives einfach nur gefangen, eine Tour-de-Force durch die Widrigkeiten des Schicksals, angereichert mit jeder Menge Slapstick, total verrückten Nebenfiguren und Einzeilern, die man nicht vergißt. Traumhaft! (9/10)