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Franka Potente spielt eine ehrgeizige Medizinstudentin, die auf der Universität in Heidelberg studiert. Anfangs merkt sie bereits, dass manche Studenten an der Uni ihren Schabernack treiben und als sie feststellt, dass ein junger Mann, dem sie noch auf der Zugfahrt nach Heidelberg das Leben rettete, tot auf dem Seziertisch liegt, kommt ihr ein Verdacht. Schließlich erhärtet sich ihr Verdacht, dass eine Gruppe junger Mediziner an lebenden Menschen forscht und kommt dabei den Antihippokraten auf die schliche.

Da diverse Slasher-Filme wie "Freitag der 13." oder "Jeepers Creepers" weltweit immer noch beachtliche Erfolge feiern, war es ja nur eine Frage der Zeit, bis auch deutsche Filmemacher das Genre für sich entdecken. Doch die große Überraschung ist, dass ausnahmsweise Deutschland Hollywood etwas vormacht und nicht andersherum. "Anatomie" übertrifft alle Erwartungen und ist besser als alle Slasher-Filme, die ich jemals sehen durfte (oder mehr ertragen musste). Allein dafür, dass Deutschland einmal einen besseren Film als Hollywood liefert vergebe ich 9 Punkte.

Die Story ist gut. Während Hollywood sich darauf beschränkt, irgendwelche Massenmörder oder Kreaturen Amok laufen zu lassen, gibt es in diesem Film also eine ganze Gruppe, die für wissenschaftliche Erkenntnisse an lebenden Menschen herumschnippelt. Die Idee ist auf jeden Fall gut, wenn auch ein bisschen unrealistisch. An ethischen und moralischen Fragen, die der Film stellenweise ansatzweise aufwirft, wird leider lediglich gekratzt. Auch die Charakterkonstruktion ist eher durchschnittlich, aber verglichen mit anderen Filmen des Genres ist sie gut. Die Wendungen sind gut und überraschend und weichen stellenweise vom gängigen Muster des Genres ab. Neben "Das Experiment" einer der besten deutschen Thriller der letzten Jahre.

Regisseur Stefan Ruzowitzky leistet gute Arbeit. In einem seiner ersten Werke setzt er den Film überraschend routiniert um. Durch schnelle Spannungsmusik und hervorragende, gut platzierte Toneffekte kann er gezielt Spannung aufbauen. Auch die Kulisse der Stadt Heidelberg und der dortigen Universität taugt viel. Das Erzähltempo wird die ganze Zeit über hoch gehalten. Im Gegensatz zu amerikanischen Slasher-Filmen verzichtet dieser Film auf übertriebenes Blutvergießen und beschränkt sich auf ein paar kürzere ekelhafte Momente. Mit dem schwachen "Anatomie 2" fuhr Ruzowitzky den Karren leider in den Dreck, bewies aber später mit seinem Oscar-Prämierten Film "Die Fälscher", dass er eines der größten europäischen Regie-Talente ist.

Der Unterhaltungswert ist ebenfalls hoch. Zwischendurch gibt es immer ein paar auflockernde, amüsante Dialoge, die an amerikanische High-School-Teenie-Filme erinnern, aber zum Stillstand kommt der Film nie. Durch das schnelle Erzähltempo und die überraschenden Wendungen kann der Film bestens unterhalten und zum Ende hin sogar Spannung aufbauen. Ganz wichtig ist dabei die gespannte Atmosphäre, für die die dunklen Pahtologie-Räume die perfekte Ausgangssituation geben. Hinzu kommt noch das furiose Finale, das sich anders als bei seinen amerikanischen Vorbildern nicht so endlos in die Länge zieht.

Franka Potente ist in ihrem letzten Film vor ihrem Durchbruch in Hollywood durch "Blow" und "Die Bourne-Identität" zu sehen. Sie spielt auf jeden Fall solide, schöpft aber nicht ihr ganzes Potential aus. Vor allem bei den Szenen, in denen ihr Leben auf dem Spiel steht, ist sie ein bisschen zu ruhig. Ansonsten leistet sie aber gute Arbeit und wirkt sehr liebenswert und sympathisch. Benno Führmann, den man eigentlich eher aus sympathischen Rollen kennt, begeht mit seiner Rolle als gemeiner Leichenfledderer einen halben Stilbruch, spielt den psychopathischen Studenten jedoch überaus stark und beängstigend. Auch die übrigen Darsteller können sich sehen lassen.

Fazit:

"Anatomie" beeindruckt durch eine innovative Story und eine spannende Umsetzung. Der Film übertrifft damit die meisten seiner amerikanischen Slasher-Kollegen und ist einer der besten deutschen Thriller der letzten Jahre. Franka Potente und Benno Führmann leisten als Darsteller gute Arbeit und auch Regisseur Ruzowtzky beweist sein Talent mit einer stilsicheren Umsetzung. Eigentlich warte ich ja schon seit Jahren insgeheim darauf, dass Hollywood die Idee doch noch aufgreift und ein Remake dreht. Auf jeden Fall empfehlenswert.

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