Mit "Heart of Midnight" drehte Regisseur Matthew Chapman einen Thriller über die Abgründe des Menschens, über psychische Labilität und physische Unvollkommenheit. Chapman versucht derart viel Symbolik und psychologische Elemente in seinen Film unterzubringen, wie es die 100 Minuten hergeben. Leider reizt er sie nie aus, sondern benutzt all die Thematik über geistige Verwirrtheit und sexuelle Perversion nur für plumpe Effekthascherei. Daraus resultiert eine extraordinäre Optik, die sicherlich oft schmackhaft für den geneigten Filmfreund ist.
Die Geschichte erzählt von der jungen Carol Rivers (Jennifer Jason Leigh), die physische Kontaktängste plagen, ihr Leben aufgrund konstanter Angstzustände nicht meistern kann, und dazu auch noch bei einer proletarischen Mutter (Brenda Vaccaro) lebt. Ihr Leben erfährt einen Wendepunkt, als ihr entfernter Onkel Fletcher stirbt, und ihr einen unfertigen Nachtklub hinterlässt. Carol beschließt mit der Renovierung und Neueröffnung des Klubs ihr Leben neuzubeginnen. So zieht sie in den ersten Stock des zerfallenen Gebäudes ein, und beschließt den Neustart. Doch das Haus und die Umstände machen es Carol nicht einfach. Sie ist zwar fasziniert von dem altmodischen Glamour, der das Haus innehat, jedoch scheint es gleichzeitig ein Eigenleben zu führen: Türen gehen auf, schließen sich wieder selbstständig, Schlüssel tauchen aus dem Nichts auf.
Die durch die Umstände eh schon psychisch gemarterte Carol wird einer Zerreisprobe ausgesetzt, als betrunkene Arbeiter (u.a. Steve Buscemi) versuchen sie eines Nachts zu vergewaltigen. Zwar kann die Polizei die junge Frau retten, jedoch hat der zuständige Cop Ledray (Frank Stallone) allen Zweifel an ihrer Geschichte. Einer Psychopathin, die ihrem Freund früher fast ein Auge ausgekratzt hat, nur weil er mit ihr schlafen wollte, traut man nun mal nicht. Als dann noch der undurchsichtige Lieutenant Sharpe (Peter Coyote) auftaucht, ist das Verwirrspiel für Carol und Zuschauer perfekt.
Die Story wird durch Chapman enervierend langsam erzählt. Es gibt kaum einen dynamischen Aspekt, der den Plot vorantreibt, noch gibt es wirkliche Bezugspersonen unter den Figuren. In einem Thriller, der die Frage nach der geistigen Verwirrtheit des Hauptdarstellers stellt, sollte es immer eine grundfeste "normale" Person, an der sich der Zuschauer halten kann. So ist man in dem Labyrinth zwiespältiger Figuren verloren, und erahnt schon ein Ende, dass völlig over the top ist. Die Darsteller machen größtenteils einen guten Job. Obwohl ihre Figur gänzlich schwach geschrieben ist, und viele Aspekte ihres Charakters symbolische Klischees darstellen, macht Jennifer Jason Leigh ihren Job gut.
Wo die Story kaum Freunde gewinnen kann, macht's Regisseur Chapman über die Optik. Wenn ein riesiges, menschengroßes Auge durch die Schlafzimmertür rast, ist das zwar platt, aber visuell überraschend. Auch gibt es ein paar wirklich gut und stark inszenierte Schreckensmomente. Jedoch überwiegt die Anzahl der falschen Alarme. Gegen Mitte des Films füllt Chapman die Leere des Skripts damit aus, dass Carol Geister oder böse Menschen vermutet oder sieht, und sie sich erst einmal unter einer kalten Dusche, weinend beruhigen muss. Dass ist weder besonders spannend, noch überraschend.
Die Auflösung des Mysteriums ist okay. Zwar ist die Idee des durch die sexuellen Perversionen des Vorbesitzers unterdrückten Bösewichts - ein Mädchen, zu einem Jungen umerzogen - ganz spannend, doch wird sie eher schlecht als recht umgesetzt. Es wirkt zwar irgendwo krank und unterirdisch, aber für einen wirklichen Schock einmal mehr zu lasch. Die wahren Hintergründe erfährt am zum Schluss nicht, die Figur des Sonny bleibt unerklärt, seine mögliche Vergangenheit unausgesprochen.
"Heart of Midnight" ist kein guter Film. Mittelprächtig am ehesten. Chapman zeigt uns zwar viel Psychologie, setzt sich aber nicht damit auseinander. Für Freunde der lupenreinen Surrealoptik wird "Heart of Midnight" schon eher gefundenes Fressen sein.