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„Auch unter den Kriminellen gibt es Anständige und weniger Anständige.“

Ludwig Lenz‘ (Helmut Fischer) fünfter Fall als Kriminalhauptkommissar entstand im September und Oktober des Jahres 1985 unter der Regie Hans-Reinhard Müllers („Tiefe blaue See“), der damit seinen einzigen „Tatort“ inszenierte und zugleich seine letzte Regiearbeit ablieferte. Der am 29. Dezember 1985 erstausgestrahlte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe basiert auf den Erfahrungen der „Süddeutsche Zeitung“-Journalisten Ernst Fischer und Herbert Riehl-Heyse, die auch das Drehbuch verfassten.

„Das hat eine Methode!“

Stadtrat Völk (Norbert Gastell, „Die Wiesingers“) hält bei den Feierlichkeiten eines neuen Nobelrestaurants im Münchner Stadtteil Schwabing eine Lobrede auf Großgastronom Hörmann (Hans-Reinhard Müller, „Die Undankbare“), während der „Stadtindianer“ und ehemalige Gastronom Dallinger (Volker Prechtel, „Jeder für sich und Gott gegen alle“) draußen vor der Tür gegen die von Hörmann betriebene zunehmende Gentrifizierung des Stadtteils, in deren Zuge alteingesessene Lokale auch mit unlauteren Methoden verdrängt werden, lauthals anschimpft. In der Redaktion einer Münchner Tageszeitung kritisiert der sozial engagierte Journalist Zoller (Felix von Manteuffel, „Marie Ward – Zwischen Galgen und Glorie“) eben diese Verdrängung und verabredet sich telefonisch mit einem Informanten, wovon weder sein Chef noch sein Kollege Richert (Erich Hallhuber junior, „Geschichten aus dem Nachbarhaus“) sonderlich begeistert sind. Zunächst aber trifft er sich in einem Schwabinger Lokal zusammen mit seiner Kollegin Vera Jansen (Hannelore Elsner, „Die Herren mit der weißen Weste“) für eine Reportage mit Kriminalhauptkommissar Lenz und dessen Stammtischbrüdern. Als eine Gruppe Rocker dort Ärger macht, lässt Zoller sich auf eine Prügelei mit ihnen ein und folgt ihnen, als sie das Weite suchen wollen. Am nächsten Morgen wird er erschlagen im Englischen Garten aufgefunden. Der Verdacht fällt sofort auf die Rocker…

„A g’scheiter Indianer kennt keinen Schmerz!“

Nach seinen ersten „Tatorten“, in denen Helmut Fischer den Hauptermittler verkörperte, wurde die famose und überaus publikumswirksame Vorabendserie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ ausgestrahlt, was zur Folge hatte, dass Fischer fortan vornehmlich mit jener Rolle des charmanten, aber auch belächelnswerten Schwabinger Lebemanns in Verbindung gebracht wurde – zumal Lenz und der Stenz nicht nur phonetisch von vornherein gewisse Parallelen aufwiesen. In diesem „Tatort“ ist er nun beinahe ganz der Stenz: Er hängt, wann immer sich die Gelegenheit bietet, in Kneipen herum, interessiert sich für Frauen bzw. beklagt sich über mangelnden Erfolg bei der Damenwelt und agiert nicht immer sonderlich souverän, verfügt aber fast durchgehend über spitzbübischen Charme. Zudem spielt dieser mit einigem feinen Witz erzählte Fall fast schon demonstrativ in Schwabing.

„Jetzt machen Sie sich doch nicht unglücklich!“ – „Das bin ich schon lang!“

Von der medizinischen Massage geht’s ins Lokal, dann in die Rockerkneipe, wo Lenz inkognito – verkleidet als einer der ihren – ermittelt, aber zum Sound von Motörheads Evergreen „Ace of Spades“ gleich von der Wirtin enttarnt wird. So richtig zielführend sind die Ermittlungen zunächst nicht; Zeugenaussagen und Befragungen werden in Schwarzweiß-Rückblenden eingefügt, während die Polizei auf der Stelle zu treten scheint und sogar den „Stadtindianer“, einen alten, als amerikanischen Ureinwohner verkleideten, zivilen Ungehorsam übenden, kauzig-knorrigen Mann, als Täter in Betracht zieht. Lenz‘ Genie blitzt auf, als er sich nicht in die Irre führen lässt und nicht an Dallingers Schuld glaubt. In der Zeitungsredaktion gelangt Lenz schließlich auf die richtige Spur, nämlich die eines geschmierten Journalisten.

Eine weitere Schwarzweiß-Rückblende rekonstruiert gegen Ende, was sich vorm Totschlag zugetragen hatte, und letztlich auch – dann in Farbe – dessen Ausführung. So richtig gut inszeniert ist dieses Quasi-Finale nicht und zuvor wirkten bereits die Rocker alles andere als authentisch, eher wie verkleidete Komparsen mit Sprechrollen. Auch eine Discotanzszene ist im besten Falle kurios, im schlechtesten unfreiwillig komisch. Ferner hätte man in dieser frühen Gentrifizierungskritik die Unterschiede zwischen Hörmanns (titelgebenden) Schicki-Micki-Buden und der organisch gewachsenen Schwabinger Gastronomie- und Kulturlandschaft gern stärker hervorkehren dürfen. Grundsätzlich gut gelungen, wenn auch zuweilen etwas plakativ, ist aber die Vermischung der Themen Gentrifizierung und Kritik an käuflichem Journalismus, ohne in eine pauschale journalistenschelte zu verfallen, wenngleich die Art der Inszenierung angesichts der verhandelten Thematik etwas arg leichtfüßig inszeniert wirkt – und sich wieder ein bisschen viel für nordischere Ohren unverständliches Bayrisch in die Dialoge eingeschlichen hat.

Nichtsdestotrotz möchte man am Schluss am liebsten sofort mit Lenz noch ein Bier trinken gehen.

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