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Die berühmte Eröffnungssequenz von Wes Cravens "Scream - Schrei!": der offensichtlich psychopathische Anrufer will mit der jungen Casey (Drew Barrymore) ein Filmquiz spielen und fragt: "Wer beging die Morde in 'Freitag, der 13te?' " Sie antwortet: "Jason! Jason, Jason!" - und liegt falsch. "Doch, es war Jason! Ich bin sicher, weil ich den Scheissfilm zwanzig mal gesehen habe!" beharrt Casey, was ihre Antwort aber auch nicht richtiger macht. "Scream"-Autor Kevin Williamson erzählte später einmal, diese Frage auf Grund eines eigenen Erlebnisses, bei dem er mal ein Freigetränk gewann, in den Film eingebaut zu haben: in einer Bar durfte sich der Gast einen Drink aussuchen, der eine Filmfrage stellte, die keiner der anderen richtig beantworten konnte. Williamson fragte nach dem Mörder aus "Freitag, der 13te", die Anwesenden antworteten wie aus einem Munde mit "Jason Vorhees!", und lagen falsch.

Williamsons Erlebnis und die Remineszenz an dieses in seinem Script zu "Scream - Schrei!" sind symptomatisch für die Stellung, die "Freitag, der 13te" unter Filmfreaks inne hat. Jeder will ihn zwanzig, dreißig oder gleich hundertfünfzig mal gesehen haben, und hat selbstverständlich auch gleich einen fachmännischen Kommentar parat, der aber in aller Regel vernichtend ausfällt. Was ist das für ein Film, den zahllose Leute die ihn nicht gesehen haben doch zu kennen vorgeben, nur um bei jeder sich bietenden Gelegenheit über ihn herzufallen? Für sich betrachtet ist "Freitag, der 13te" ein jämmerlich schlechter Film. Seinen grobschlächtigen Bildern geht aber auch jede Form von stilistischer Eleganz völlig ab, der Score ist ein billiger Abklatsch der Musik aus Aflred Hitchcocks "Psycho", Atmosphäre oder gar Spannung kann der Film zu keiner Zeit aufbauen, zu platt und vorausschaubar präsentiert er sich von Beginn an. Kaum ist das Darsteller-Ensemble komplett, ist auch schon klar wer überleben wird und wer nicht, die Protagonisten sind derart dämliche Gestalten, dass es dem Zuschauer um keinen von ihnen auch nur einen Moment lang leid tut. Die Morde sind zwar mitunter durchaus originell, so etwa die berühmt gewordene Szene, in der einem auf dem Bett liegenden Jugendlichen ein Pfeil durch Nacken und Hals gestoßen wird, der durch den Kehlkopf wieder austritt, aber mit Rücksicht auf den Umstand, dass "Freitag, der 13te" nicht als klassischer Splatter-, sondern Mainstream-Horrorfim vermarktet werden sollte, dauern diese Szenen jeweils nur wenige Sekunden. Schon der erste Mord nach der Pre-Credit-Sequenz macht klar, dass der Mörder nicht aus den Reihen der Hauptdarsteller kommt, von der Tatsache, dass die sowieso alle zu doof wären, sich als Serienkiller zu betätigen, einmal ganz abgesehen. Gäbe es nicht eine (ja, eine) Sex-Szene - mit einem Paar blanker Brüste übrigens - könnte den Zuschauer glatt die Befürchtung zu beschleichen, sie wären selbst dazu noch zu beschränkt. Einen Rest von irgendwas über den Einbau von bisschen "Whodunit"-Spannung zu retten fällt also auch flach. Unter dem Strich bleibt somit nicht mehr stehen, als ein lausig fotografierter Film ohne jegliche Spannung oder auch nur irgendwie greifbare Dramaturgie, dafür aber mit erbärmlichen Darstellerchen, der weder den Ansprüchen echter Splatterfans, noch solcher Zuschauer, die in erster Linie an Spannung und Identifikationsmöglichkeiten mit den Protagonisten interessiert sind, gerecht wird.

Aber nichts desto weniger ist der Titel "Freitag, der 13te" eines der, wenn nicht sogar das Synonym für das Genre des Splatterfilms geworden, gibt eben eine ungezählte Schar nicht nur von Splatter- und Horrorfans vor, ihn in- und auswendig zu kennen. Schlechte (Horror-)Filme gibt es nun wirklich en Gros, und die meisten von ihnen sind aus eben diesem Grund kaum bekannt - was rechtfertigt nun den hohen Bekanntheitsgrad des Films und den oftmals "liebevollen Hass", der ihm entgegengebracht wird? Es ist einfach die Tatsache, dass "Freitag der 13te" neben John Carpenters ein Jahr zuvor entstandenem "Halloween - Die Nacht des Graunes" d e r Urahn des Genres Teensplatter ist, und dessen ersten, vom Beginn bis in die Mitte der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts reichenden ersten Boom (ein zweiter folgte, ausgelöst von "Scream - Schrei!" Ende der 90-er Jahre) erst wirklich lostrat. John Carpenter inszenierte seinen Schocker "Halloween -Die Nacht des Grauens" als einen kleinen, unscheinbaren und höchst experimentellen Film, der nie eines breiteres Publikum erreichen oder gar ansprechen sollte. Aber genau das geschah, denn "Halloween" traf den Nerv einer Zielgruppe mit großem Interesse an Horrorfilmen, das bislang jedoch seitens der Filmindustrie kaum beachtet wurde, nämlich die Jugendlichen. Nun gab es schon vor "Halloween" Horrorfilme, in denen Teenager im Mittelpunkt der Handlung standen, etwa Tope Hoopers berüchtigtes "Blutgericht in Texas" von 1973, oder Brian DePalmas brillante "Carrie - Des Satans jüngste Tochter", bekanntlich die Verfilmung von Stephen Kings Debütroman "Carrie", aber insgesamt wurde das Horrorkino der 1970-er Jahre doch allzu deutlich von Filmen dominiert, die sich mit apokalyptischen Themen und düsteren Endzeitvisionen eher an ein erwachsenes Randgruppenpublikum richteten, so etwa George A. Romeros "Die Nacht der lebenden Toten" von 1969 und seine acht Jahre später entstandene Fortsetzung "Zombie" (ein dritter und letzter Teil, "Zombie 2 - Das letzte Kapitel", entstand 1985). John Carpenter hatte mit seinem kleinen Experimentalfilm unbeabsichtigt genau die Form von Horrorunterhaltung erdacht, auf die das jugendliche Publikum gewartet hatte. Unter dem Eindruck dieses Erfolges sah ein Produzent namens Sean S. Cunningham, bis dato auf billige Sex- und Gewaltfilmchen für den Markt der Schmuddelkinos spezialisiert, seine Chance, schnell und einfach Geld zu machen. Er dachte sich einen reißerischen, zugkräftigen Titel aus, verkaufte ihn über Anzeigen in Filmzeitschriften und bastelte erst eine Geschichte um seinen Titel herum, als er Finanziers für den Film gefunden hatte. Den Rahmen dabei gab "Halloween - Die Nacht des Grauens" vor, indem er einfach alle interpretationsfähigen oder -bedürftigen Elemente ausklammerte und eine simple Geschichte nach dem Muster von Carpenters Erfolgsfilm strikte, dabei den Bodycount heraufsetzte und Carpenters äußerst zurückhaltende Inszenierung der Morde zu blutigen und mitunter recht originellen "Setpieces" ausgestaltete. Das fertige Werk war ganz bewusst "unter aller Kanone", es sollte von Beginn an einfach nur primitive Instinkte wie Angst, Erregung und Spaß am Sadismus schüren. Seine thematische Nähe zum Überraschungshit "Halloween" und die daraus erwachsenden Erfolgsaussichten hatten zur Folge, dass sich die großen Studios um die Verleihrechte regelrecht rissen, und die schließlich erfolgreiche Paramount den Film mit groß angelegter Werbekampagne an ein breites, jugendliches Publikum vermarktete - zuvor undenkbar, ebenso wie der bahnbrechende Erfolg des Films, der jenen von "Halloween" noch toppen sollte. Das hatte zur Folge, dass nicht nur die zahllosen, in den kommenden Jahren entstandenen Teensplatter sich mehr an "Freitag, der 13te" denn an "Halloween" orientierten, selbst dessen Nachfolger "Halloween 2 - Das Grauen kehrt zurück" schwenkte 1980 auf den "neuen Standard" ein, vereinfachte die Handlung des Vorgängers nachträglich und setzte statt dessen auf explizitere Gewalt und die Pflege der von Carpenter vielleicht unbewusst, von Cunningham aber absichtlich forcierten Klischees. John Carpenter gab für den Teensplatter einen Rahmen vor, aber Cunningham setzte die Maßstäbe, nach denen er von da an auszufüllen war.

Es ist schwer, einen solchen Film in einen Bewertungsraster einzuordnen. Hinsichtlich Story, Stil und Darstellern hätte er wirklich nur einen einzigen Punkt verdient, aber das würde seinem wegweisenden Charakter, der auch die bewusst intelligent und vielschichtig angelegten Teensplatter der späten 1990-er Jahre, wie "Scream - Schrei!" oder "Ich weiss, was du letzten Sommer getan hast" noch spürbar mitprägt, nicht gerecht. Andererseits würde eine zu hohe Wertung die positive Würdigung jener Pioniere und Klassiker, die neben ihrer herausragenden filmgeschichtlichen Stellung auch inhaltlich und inszenatorisch herausragen, schmälern. Insgesamt erscheinen mir sechs Punkte angesichts der gravierenden Zweischneidigkeit des Films angemessen und gerecht.

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