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Irgendwo zwischen Survivalhorror, Rachethriller und Menschenjagdfilm kommt „Fair Game“, das Spielfilmdebüt von Mario Andreacchio, daher, das hierzulande als „Hunting Season“ veröffentlicht wurde, obwohl die populäreren Namensvettern mit Cindy Crawford bzw. Sean Penn und Naomi Watts erst 1995 bzw. 2010 erschienen.
Die Horrorelemente des australischen Reißers werden trotz fehlender übernatürlicher Komponente von Anfang an betont, wenn man das Fahrzeug der drei Känguru-Jäger Sunny (Peter Ford), Ringo (David Sandford) und Sparks (Garry Who) durch das Outback brausen sieht. Der Truck wird nicht nur „The Beast“ genannt, seine roten Frontscheinwerfer sehen auch wie dämonische Augen aus, wenn das Trio nachts auf Jagd geht und Tiere erlegt, teilweise auch innerhalb geschützter Gebiete. Denn diese drei schmierigen Waidmänner sind Vertreter des Backwood-Films, wenn auch nicht ganz so degeneriert wie ihre Kollegen aus Klassikern wie „Texas Chainsaw Massacre“ oder „The Hills Have Eyes“.
Den Männern der Wildnis steht eine Vertreterin der Zivilisation entgegen: Jessica (Cassandra Delaney) betreibt die Wildschutzstation und ist über die wortwörtlichen Grenzüberschreitungen der Jäger nicht glücklich. Bei einer Fahrt in die Stadt kommt es zur Eskalation, als die Männer der Ansicht sind, dass sie ihnen die Vorfahrt nimmt und daraufhin ihr Auto schwer beschädigen. Dass der Straßenverkehr auch das Tier im Großstädter entfesseln kann, das weiß man ja aus Thrillern von „Falling Down“ über „Spurwechsel“ bis hin zu „Unhinged“, doch hier wird die Eskalationsspirale vor allem insofern gestartet, dass Jessica den breitbeinigen Machos einen Grund liefert.

Eine Anzeige beim unfähigen Sheriff der Gegend bringt zwar nichts, doch sie stellt die Jäger bei der nächsten Gelegenheit zur Rede und zofft sich ordentlich mit diesen. Doch das ist für das Trio der Anfang eines perfiden Spiels, bei dem sie Jessica erst Streiche spielen, sie später bedrängen und schließlich jagen…
Das Duell zwischen der Zivilisationsvertreterin, die an institutionelles Recht und Ordnung glaubt, und der Landbevölkerung, die vor allem das Recht des Stärkeren glaubt, steht in der Tradition der Klassiker „Wer Gewalt sät“, „Beim Sterben ist jeder der Erste“ und „Die letzten Amerikaner“, hat aber auch eine Note von Rape-Revenge-Filmen wie „Ich spuck auf dein Grab“. „Hunting Season“ ist allerdings keine ganz so derbe Exploitation, denn eine Vergewaltigung findet hier nur in metaphorischer Form statt, wenn die Jäger Jessica vorne an ihren Truck fesseln, ihre Kleidung zerschneiden und so mit ihr durch das Outback heizen, ehe sie die entkräftete Frau in deren Eigenheim abladen. Oder man denkt sich seinen Teil dazu, was offscreen noch passiert sein könnte.
Die Schurken teilen sich auf in den eiskalten Anführer Sunny, den triebgesteuerten Mechaniker Sparks und den fotographierenden Springinsfeld Ringo, womit die Häscher alle über eine gewisse Persönlichkeit verfügen. Diese wird zwar nicht groß ausgearbeitet, macht sie aber zu mehr als 08/15-Schurken. Und ihre Karre, „The Beast“ wird fast zum vierten Antagonisten, wenn sie damit Jagd auf ihr Opfer machen oder irgendwann Jessicas Ranch damit niederwalzen. Denn mit zunehmender Laufzeit wird „Hunting Season“ mehr und mehr zum rohen, klein skalierten Actionthriller, in dem die Protagonistin irgendwann von der Fluchtstrategie zum Gegenschlag wechselt. Meist in Form von elaboriert gestellten Fallen, aber auch durch rabiaten Zweikampf. Dazu gibt es Stunts und Verfolgungsjagden, denen man ähnlich wie beim Vehikel-Design den Einfluss der „Mad Max“-Reihe anmerkt (den die Macher im Making Of auch offen zugeben).

Mit stimmigen Bildern des australischen Outback, welche die dortige Hitze quasi fühlbar machen, kann „Hunting Season“ punkten und teilweise ganz gut verschleiern, dass das Budget nicht das üppigste war. Unter den Darstellern finden sich keine Schauspieltitanen, doch Cassandra Delaney leistet saubere Arbeit als Opfer, das zur Rächerin wird, Peter Ford ist ein charismatischer Oberschurke und auch David Sandford und Garry Who geben seine Kumpane verwarzt und schmierig genug. Sauber ist auch die Arbeit von Kameramann Andrew Lesnie und Stunt Coordinator Glenn Boswell, die dem Film den richtigen Look und den Actionszenen den richtigen Drive verpassen.
Leider kriegt auch diese handwerkliche Kompetenz nicht alle Konstruktionsfehler des Drehbuchs von Rob George in den Griff, das eine Geschichte sich aufschaukelnder Gewalt erzählen will. Allerdings scheinen viele Pausen in der Eskalation zum einen kontraproduktiv, zum anderen dramaturgisch nicht besonders motiviert zu sein, wenn die Schurken ihrem Opfer manchmal gefährlich werden, es dann aber wieder unvermittelt in Ruhe lassen. Innerfilmisch sind keine Gründe dafür zu erkennen, nur die Motivation, dass der Film halt viel schneller vorbei wäre, wenn die Jäger Jessica direkt zu Tode quälen oder diese sich zu früh wehren würde. Wobei hier das zweite große Problem des Films liegt: Jessica agiert schon in frühen Szenen tough, wenn sie Fieslinge mit einem Gewehr bedroht oder mehrere ihrer Knarren zu moderner Kunst zusammenschweißt, als diese gerade schlafen, nur um in späteren Szenen auf einmal zu einem schreienden Häufchen Elend zu werden. Dabei hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits Stärke bewiesen, zum anderen ist zu dem Zeitpunkt auch klar, welche Gegenreaktion jede ihrer Aktionen auslösen wird. Das ist schade, denn so reißt „Hunting Season“ den Zuschauer immer wieder aus dem Film heraus und macht seinen Spannungsbogen kaputt.

Als kleiner, dreckiger Reißer funktioniert Andreacchios Action-Horrorthriller dank der starken Bildsprache, seiner Stunts und der sengenden Outback-Atmosphäre aber dennoch ganz brauchbar. Würde das Drehbuch seine Eskalationsgeschichte besser erzählen und die Hauptfigur konsequenter anlegen, dann wäre „Hunting Season“ ein echter Geheimtipp. So ist es okayes Backwood-Menschenjagd-Entertainment mit etwas verschenktem Potential.

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