Review

Die Zeit heilt ja alle Wunden, so heißt es, sie verfälscht aber leider auch manchmal die Erinnerungen.
Eine besonders mühsam wieder hervorgekramte galt einem (wie sich herausstellte) britischen Film aus dem Bereich WW2, der im Laufe der frühen 80er einmal (soweit bekannt) im Nachtprogramm der ARD einen Kleinstauftritt hatte und bei dieser Gelegenheit vom Autor zufällig entdeckt, wenn auch nicht vollständig überblickt wurde.
Da die Ausstrahlung vorsichtshalber in die späten (oder frühen?) Nachtstunden verlegt worden war, blieb vor allem eins hängen: eine atmosphärische Sequenz, in der eine Frau durch die windige und mondhelle wie schattige Nacht in einem Kriegshospital läuft, um in einem finsteren OP schließlich etwas zu suchen und dort von einer wie ein OP-Arzt samt Maske gekleideten Figur überrascht wird - alles inclusive tippi-hedren-würdigem Todesschrei, der das jugendliche Gemüt bis in die hinterste Sofaecke verschreckte.

Sonst blieb nicht viel hängen - es war ein Krimi, es ging um Mord, um Sauerstoff und Stickstoff und im Titel gings um was "Grünes", ansonsten keine Schauspieler, kein Produktionsjahr, kein Land. Und während wir heute den medialen Knecht Internet auch für den letzten Scheiß bemühen können, war eine Suche nach diesem Film mit dem Wissen und den Informationsmöglichkeiten von 1985 so erfolgversprechend wie das Wasserskifahren in der Kalahari. Also mußten diverse Jährchen ins Land ziehen, bis die imdb sich meiner erbarmte und irgendwann winkte sogar eine DVD am Horizont, denn das deutsche Fernsehen vermied es hartnäckig, noch einmal ins Archiv zu stiefeln und diesen Schinken aus dem Regal zu bergen.

Bei der letzten Englandreise also der notwendige Zugriff im patenten Klassikerlädchen und schon hatte man den Film aus der Alastair-Sim-Collection in der Tasche, sogar beinahe für lau Geld - der einzige Minuspunkt war eben das Fehlen der deutschen Tonspur und jeglicher Untertitel...und das sollte ich noch bedauern...

Zum Film: ich stell jetzt mal einfach die windige Behauptung auf, daß hierzulande den Film so gut wie niemand kennt, vermutlich gerade wegen der einmaligen Nachtausstrahlung und weil der Kinoeinsatz so lange her ist, daß das Publikum inzwischen an Altersdemenz leiden dürfte.
Was die erneute Begutachtung ein Vierteljahrhundert später erbrachte, war auf den ersten Blick ziemlich ernüchternd. Hatte ich den Film als einen düsteren, reißerischen Whodunit-Thriller in Erinnerung, der mir unter den Frotteeschlafanzug ging, entpuppt sich der Film in Wirklichkeit, als spannender, wenn auch etwas geschwätziger Krimi aus Nachkriegszeiten, hergestellt mit einem mäßigen, aber noch angemessenen Budget und mit gewissen dramaturgischen Brüchen, die ihm nicht eben gut tun.

Geradezu antiklimatisch wirkt die Einführung, die Ärzte und Schwestern während einer Operation in einem von deutschen Fliegerangriffen terrorisierten Landlazarett zeigen, während die Stimme des ermittelnden Beamten uns verdeutlicht, daß die just einzeln vorgestellten Personen samt Sauger und Skalpell sowohl Täter als auch Opfer des kommenden Dramas beinhalteten.
Praktisch aus dem Off wie einen erledigten Kriminalfall aufrollend, fühlt man sich ein wenig sehr ländlich und wenig geschickt behandelt, was die Dramatik angeht und das soll sich noch fortsetzen. Allerdings köchelt Sidney Gilliat, ein mehr als begabter Autor (von ihm sind u.a. die Vorlagen zu Hitchcocks "Eine Dame verschwindet" und "Riff-Piraten/Jamaica Inn") dann auf kleiner Flamme die Zwistigkeiten zwischen den Anwesenden hoch, nachdem ein durch einen Lufttreffer leicht verwundeter Postbote auf dem Op-Tisch seinen unerwarteten Abgang nimmt. Natürlich stimmt da was nicht und alsbald fliegen die gegenseitigen Verdächtigungen und Beschimpfungen nur so durch die Luft. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich die Ärzte, allen voran Leo Genn als souveräner Pfeifenschmaucher und ein noch enorm junger Trevor Howard in einer frühen Rolle, dem schon mal so ein Todesfall untergekommen ist.
Alles putscht sich, auch während eines fröhlichen Festes ordentlich hoch, bis es schließlich zur eingangs beschriebenen Szene kommt, die wirklich kribblig ist und auch heute noch die Haare hochstehen läßt.

Leider bleibt das der einzige Mord, denn was ich offenbar vollkommen ausgeblendet hatte, war die zweite Hälfte des Films, die sich wirklich in einen eher biederen Whodunit verwandelt, nämlich als der erzählende Beamte Inspector Cockrill (what a name!) im Lager auftaucht. Nun kennt jeder Hercules Poirot, das ist aber noch gar nichts gegen den gemütlich-lustigen, geistergesichtigen Alastair Sim, eine Erscheinung, die so jovial an den belgischen Meisterdetektiv und gleichzeitig an den tolpatschigen "Columbo" erinnert, daß man ihn praktisch nicht ernst nimmt, bis er den Fall (natürlich) aufklärt.

Das Problem des Skripts und des ganzen Films ist dabei leider, daß sich die Auflösung bzw. Aufklärung nicht sonderlich spannend gestaltet, denn wer den Titel liest und in der ersten Hälfte nicht selig geschlafen hat, ahnt schon die Pointe, die mir vor 25 Jahren noch irre originell vorkam, bereits nach einem Filmdrittel und vor dem eigentlichen Mord. Dennoch punktet der Film durch seine wunderbar altmodische Atmosphäre, die noch einmal in Erinnerung ruft, wie es wohl auf der Insel gewesen sein muß, als die Luftwaffe noch ständig Angriffe flog und alles in Schutt und Asche legte.

Darüber hinaus empfehle ich die stellenweise wunderbare S/W-Fotographie von Wilkie Cooper (der später noch drei herausragende Harryhausenfilme aufnahme, "Sindbads 7.Reise", "Jason und die Argonauten" und "One Million Years BC"), der aus den düsteren Schatten und der windgepeitschten Vegetation das Maximale herausholt - allein an der Spannungsschraube hätte man noch etwas mehr drehen können, anstatt die Entlarvung des Täters in Form eines biederen TV-Krimis zu inszenieren.
Wer jetzt vor hat, sich anhand der Criterion-Veröffentlichung von diesem "well remembered british film" ein eigenes Bild zu machen, dem sei gesagt, daß man dort vermutlich mehr Spaß hat, als mit der britischen Veröffentlichung, deren Mono-Ton wirklich eher dürftig ist und mangels UT auch meistens kaum zu verstehen - etwas, das ich gern noch mit einem Audiokommentar gekrönt hätte, aber was nicht ist, kann man ja noch erwerben.

Alles in allem ein charmanter und teilweise komischer (Sim spielt am Ton des Films übrigens patent komplett vorbei, wie er es öfters tat) Kriegskrimi, der zu einem wirklichen Reißer hätte werden können - etwa wie der im gleichen Jahr produzierte "The Spiral Staircase", so ist er praktisch außerhalb Englands fast vergessen. Als cineastisches Zeitdokument jedoch unbedingt zu empfehlen. (7/10)

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