Anna arbeitet als Kassiererin in einer Espressobar. Eines Tages betritt dieser Mann die Bar: Er schaut gut aus, er hat Ausstrahlung, er ist selbstbewusst, und er sieht ganz so aus, als ob er Annas Träume von der großen weitern Welt erfüllen könnte. Anna lässt sich auf diesen Fremden, Guido, ein, und auch wenn ihr klar ist dass Guido sicher kein Unschuldslamm ist, so hat sie nicht einmal ansatzweise eine Ahnung was jetzt auf sie zu kommt. Tatsächlich ist Guido ein kleiner Gangster, der für den großen Boss Riccardo Sogliani arbeitet. Zuerst verlangt Sogliani, dass Guido Anna als Tarnung bei einem Drogendeal mitnimmt. Da sie bei dem Job die Ermordung eines Lumpen mit ansieht, muss sie ruhig gestellt werden: Über Guido verlangt Solgiani, dass Anna als Luxusnutte mit alten, fetten Säcken ins Bett geht. Als Guido in den Knast kommt kann Anna, die mittlerweile schwanger ist, sich absetzen und ein neues Leben beginnen. Doch die Vergangenheit schläft nicht - Eines Tages ist Guido plötzlich wieder da, und Anna soll wieder auf den Strich …
Viel Drama, einiges an wahrer und aufrechter Liebe, genauso wie unechte Liebe und Besitzstandsdenken, viel Prügel (wie kann man Edwige Fenech schlagen?), und dazwischen immer wieder eine Gangsterstory mit der ein oder andere Härte. Vor allem psychisch geht der Film unter die Haut, denn Guido ist wirklich ein mieses Schwein. Auch wenn Anna nach den ersten Schlägen bei ihm bleibt, und dadurch zumindest mal die Verwunderung des Zuschauers auf sich zieht, so ist ihr wahrscheinlich ein Leben in ständiger Erwartung von Gewalt immer noch lieber als das einer Kassiererin in einer Espressobar. Doch was dann alles noch kommt, das hätte sie sich freilich nicht träumen lassen.
Von daher ist man ein wenig zwiegespalten: Auf der einen Seite möchte man ihr die Daumen drücken, dass sie aus dieser Hölle wieder raus kommt und mit dem netten Arzt ein neues Leben beginnen kann, und auf der anderen Seite ist sie irgendwo ein klein wenig selber Schuld. Sie lässt sich halt von Guidos Auftreten und seinen Attributen wie Sportwagen und Einkaufsbummel blenden, das ist ganz deutlich zu merken. Ein Leben als Barista, das ist sicher nicht das, wovon junge attraktive Frauen träumen. Anna ist sich sehr wohl bewusst, bei was für einem Typen sie sich da einhängt. So schlimm wird es schon nicht werden, alles ist besser als dieses öde Alltagsleben, so wird sie sich denken. Pustekuchen …
Die Schauspieler lassen diese (menschlichen) Probleme schnell vergessen: Edwige Fenech gibt das Mädchen vom Lande als ob sie ihr Leben nacherzählen würde, und Corrado Pani wächst in seine Rolle ebenfalls hinein wie in eine zweite Haut. Jede Menge beliebter Nebendarsteller, tolle Musik, und eigentlich wäre alles ganz toll. Nur der Dramaanteil ist mir persönlich manchmal ein klein wenig zu hoch. Vor allem gegen Ende wird der Tränendrüsendrücker etwas sehr permanent bemüht …
Letzten Endes hat ANNA, wenn man genauer hinschaut, so einiges an kleinen und wunderbaren Momente: Beim allerersten Treffen von Anna und Guido etwa steht im Hintergrund ganz klar das Wort Baci - Küsse. Doch die ersten Schläge kommen sehr schnell und sehr unvermutet, und irgendwie kommunizieren die beiden relativ häufig über Spiegel …
Insgesamt also kein Film an dem man achtlos vorbeigehen sollte. Man muss sich halt im Klaren darüber sein, dass ANNA vieles sein mag, aber nie im Leben der Poliziotto als der er verkauft wird, und dass der Herz-Schmerz-Anteil deutlich höher ist als man ursprünglich erwartet haben mag. Der Dramaanteil eines, sagen wir, STRASSE DER ANGST wird nicht erreicht, da ist bei ANNA schon deutlich mehr Krimi enthalten, und es ist wunderschön zu sehen, dass Carnimeo mehr konnte als RATMAN oder die HALLELUJA-Filme. Aber nichtsdestrotzrotz reden wir hier in jedem Fall von einer Geschichte die zu Herzen gehen soll, nicht von einem (reinrassigen) Polizei- oder Gangsterfilm.