Die ursprüngliche Novelle "Carmilla" von Sheridan Le Fanu wurde als Inspiration des Öfteren in Filmen verwendet, doch selten so nahe an der Vorlage wie hier, oftmals nur noch in Grundzügen in seiner sexuellen Ausrichtung um die Liebe und Obsession von Frau zu Frau adaptiert. In dieser Verfilmung allerdings geht es tatsächlich um die junge Emma, Tochter von Roger Morton, die unerwartet Gesellschaft von der gleichaltrigen Carmilla erhält, was sich als fatal herausstellen soll. Die sich anbahnende Freundschaft bringt ihr ihre alten Albträume zurück, im Übrigen wunderbar dämonische Schwarz-Weiß-Passagen, während in der Gegend auf unerklärliche Weise Menschen tot aufgefunden werden. In kleinen, feinen Etappen vermag die Story dem Zuschauer Carmillas Eigenarten und ihren Hintergrund beizubringen, ihre Abscheu gegenüber christlichen Gebräuchen oder ihre Schlafwandeleien, die ebenfalls ästhetisch inszeniert wurden. Andererseits kommen die Charaktere trotz einiger Vorbildung über kleine Happen des Verständnisses darüber, was denn nun bei so vielen ausgesaugten Mitmenschen vorgeht, auch nicht hinaus, ein Zustand, der mitunter etwas müde wirkt. Als erster Teil der Karnstein-Trilogie aus den Hammer-Studios ist es wohl trotzdem der beste weil originellste Beitrag, auch im Gegensatz zu Peter Sasdys "Comtesse Des Grauens" aus dem gleichen Jahr, in dem ebenfalls Ingrid Pitts Badeszene samt reizenderer Begleitung als sleaziger Eyecatcher eingesetzt wurde. Gut gefallen kann das Grundthema der lesbischen Vampirin Carmilla, welches für die damalige Zeit erstaunlich freizügig ausgebreitet wird, ebenso wenig zurückhaltend sind Peter Cushing als General Spielsdorf und seinesgleichen bei der Beseitigung der bösen Blutsauger. Während die meisten Vertreter dieses in die Jahre gekommenen Gothic-Grusel-Genres über Pfählungen usw. an der Grenze zu Kitsch und Komik verfügen, wird dem Zuschauer hier ganz offen der ein oder andere Kopf in Großaufnahme abgeschlagen und selbst die Pflöcke werden mit einer verblüffenden Brutalität in die weiße Haut gerammt. Weiß, weil Carmilla sonnenscheu ist, im Schatten lässt es sich dagegen ganz gut aushalten. Bei solch unkonventionellen Details gehört etwas Nachsicht mit Ingrid Pitts unaristokratischer Sonnenbräune, die sie nahtlos zur Schau stellt, allerdings dazu. Auch der undekorative Knoblauch ist Knoblauchblumensträußen gewichen, so gelungen das Gothic-Dekor und die klassische Ausführung auch ist, gleichzeitig befindet sich dieser sehenswerte Genrevertreter verhalten, doch spürbar an der Grenze zum modernen Vampirfilm. Sprachlich interessant sind nicht nur einige Verwirrspielchen um Carmilla aka Mircalla aka Marcilla, sondern auch einige Passagen, in denen authentisch in Deutsch gesprochen wird.
Fazit: Geschmeidiger Lesben-Gothic-Grusel für diejenigen, denen Jean Rollins Filme zu exzentrisch sind. 6/10 Punkten