Review

Die dicken Füchse von Landau - Ihr habt die vergessenen Leichen vergessen. Und die Grotte...


„Die Kapelle der versteckten Leichen" wäre hier der passendere Titel gewesen, aber auf die deutsche Namensgebung bei (italienischen) Genrefilmen sollte man eh nicht viel geben.


Emilio Miraglias erster Giallo und Vorgänger zu „Die rote Dame" weist bereits das Faible für ein gruseliges Ambiente des Regisseurs und Autors auf. Auch hier bewegen wir uns in alten, düsteren Gemäuern und erleben eine Stimmung, die es sogar ermöglichen würde, Graf Dracula auf die Jagd nach den im Film natürlich reichliche vorhandenen Mini-Mädchen gehen zu lassen. Darauf verzichtet Miraglia allerdings.

Worauf er nicht verzichtet, ist ein recht ausgeprägter SM-Einschlag, der hier an die männliche Hauptfigur Lord Cunningham gekoppelt ist, der meiner Meinung nach sehr passend von Anthony Steffen verkörpert wird. Der Lord hat nämlich ein rothaariges Trauma mit seiner toten Ehefrau Evelyn zu verarbeiten und er tut dies, indem er rothaarige und unbekleidete Frauen in schwarze Lederstiefel zwingt, um sie dann zu quälen und zu töten. Wir haben es hier also mit einem total kaputten Psycho zu tun, mit dem wir dann plötzlich die zweite Hälfte des Films mitfühlen sollen, was natürlich überhaupt nicht funktioniert.
Nach der Hochzeit mit der blonden Gladys (Marina Malfatti) erhofft sich der Lord, von seinen Dämonen befreit zu sein, aber anscheinend ist Evelyn aus dem Grab zurückgekehrt (Siehe italienischer Titel!) und treibt nun zum Unmut der Anwesenden, vor allem seiner neuen Gattin, ihr Unwesen auf dem Anwesen. Sprechen Sie diesen Satz fünfmal hintereinander.

Es gibt hier also in der Grundausrichtung reichlich Sleaze und ausgiebige Nacktszenen, wobei besonders eine gewollt morbide Striptease-Nummer aus dem Sarg durch ihre Schrägheit das Herz des Genrefreunds höher schlagen lässt. Wer kommt auf so was? Aber für mich war diese Szene im ersten Drittel des Films bereits das inszenatorische Highlight, denn der Rest ist bestenfalls Standardkost. Spannend fand ich auch, wie schnell der Lord die Prostituierte Gladys heiratet. Einmal Probepoppen und nix wie runter unter die Haube! Und fortan läuft die Lady mit halb freigelegten Brüsten durch das Schloss und erotisiert das alte Gemäuer. 

Die Mordszenen als weiteres Standbein eines Giallos können hier allerdings weniger auftrumpfen und statt eines Rasiermessers oder eines Gartenhäckslers geht der Mörder hier beispielsweise mit einer Giftschlange vor. Blut spielt also kaum eine Rolle und so muss das vergiftete Opfer dann noch lebend eingebuddelt werden, um den Zuschauer mit Grausamkeit zu unterhalten. Der Mord an der Rollstuhlfahrerin mit Hilfe der Füchse ist ebenso von ausgeprägt sadistischer Ader, aber sehr milde inszeniert. Es wurde bereits bei der ersten Toten durch die Hand des Lords darauf hingewiesen, dass die Füchse am nächsten Morgen so merkwürdig satt seien und die Andeutung, dass man Leichen mit Hilfe der Füchse einfach verschwinden lässt, fällt bei mir angesichts der zierlichen Tiere doch auf Unglauben. Lustig wäre es gewesen, wenn die Füchse am Ende des Films alle fett gewesen wären und der Polizist anmerkt, wie gut die Füchse im Futter seien, aber so weit geht der Film dann nicht.

Der genre-immanente Schlusstwist spielt mit den üblichen Mustern und ist daher so überraschend wie die Tatsache, dass im „Tatort" jemand ermordet wird. Die Wirkung wird verstärkend dadurch verschleppt, dass man dem Lord einfach nichts Gutes wünscht. Seiner Frau vielleicht schon, nicht aber dem psychotischen Sadisten und seinem Psychologen, den ich glatt als Mittäter an den Taten im ersten Drittel einschätzen würde.

Was in Miraglias Film hervorsticht ist die sehr beschwingte Atmosphäre, die über die Musik von Bruno Nicolai und besonders eine Party-Szene vermittelt wird. Hier knallen dann optisch und auditiv Zeitkolorit und Gothic-Horror so dermaßen hart aufeinander, dass ich gerade darin einen gewissen Reiz des Films ausmachen würde. Diesen Clash gibt es auch in „Die rote Dame", aber hier ist der Gegensatz irgendwie wahrnehmbarer und erzielt zumindest bei mir den größeren Effekt. Das wird wahrscheinlich das Einzige sein, dass ich in sechs Monaten von diesem Film noch erinnere, aber immerhin erinnere ich noch etwas, das hat lange nicht jeder Giallo der letzten Wochen geschafft.


Fazit

„La notte che Evelyn uscì dalla tomba" ist ein sehr mittelmäßiger Giallo, der aber mit Anthony Steffen einen Schauspieler auffährt, der den Film im Kern mit seiner Ausstrahlung tragen könnte, wenn er eben keinen Psychokiller darstellen müsste, mit dem man dem Plot nach mitfiebern soll. Das ist vielleicht Hitchcock gelungen, aber Miraglia ist davon weit entfernt. Es gibt mehr Sex, dafür weniger Blut und eine Geschichte, die sich klar an den Genregewohnheiten ausrichtet und daher mittelmäßig spannend oder überraschend ist.
Allerdings gefielen mir die Abstrusitäten des Films dann ganz gut und wenn die klassischen Grusel-Set-Pieces mit dem bunten Look und Sound der frühen Siebziger kontrastiert werden, gewinnt der Film eine ästhetische Eigenartigkeit, der ich mich letztlich nicht entziehen konnte. Dennoch bleibt Miraglias Film ebenso wie sein Nachfolger und letzter Film „La dama rossa uccide sette volte" ein mittelmäßiges Vergnügen, das ich empfehlen würde, wenn man bessere Beiträge bereits gesehen hat und immer noch Lust auf das Genre hat. Als Einstieg in den Giallo halte ich diesen Film jedoch für weniger geeignet.    

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