„Dies ist mein Haus und ich werd‘ es nicht zulassen, dass mich jemand vertreibt!“
1973, also im gleichen Jahr wie Don Sharps kruder „Der Frosch“, wurde der Film mit dem reißerischen Titel „Das Grab der lebenden Puppen“ desselben Regisseurs von der Independent-Produktionsschmiede „Cinerama“ veröffentlicht, eine eigenwillige Mischung aus Haunted-House-Horror und Psycho-Thriller. Diese Besprechung enthält Spoiler.
„Ich bin stärker als du es bist!“
In der psychiatrischen Klinik erfährt Edward Foster (Robert Hardy) vom Patienten Andrew Marr, dass in dessen alten Haus, das er bis zur Ankunft seiner Kinder für ihn verwalten soll, ein großes Vermögen versteckt sei und bekommt auch ein paar Tipps mit auf den Weg, wie er dieses ausfindig machen könne. Doch da werden auch Marrs behandelnder Arzt Mandeville (Christopher Lee, „Das Dunkel der Nacht“) und dessen Frau Sarah (Joan Collins, „Nachts kommt die Angst“) sowie der Anwalt der Marr-Familie, Prescott (Herbert Lom, „Asylum“), hellhörig, die Foster ihre Hilfe suggerieren, jedoch lediglich selbst hinter dem Mammon her sind. Kurzerhand greift man die unheimliche Historie des Gebäudes auf – Andrew Marrs Kinder und dessen Frau wurden angeblich ermordet, aber die Leichen nie gefunden – und inszeniert eine regelrechte Geisterbahnfahrt, um Foster in den Wahnsinn zu treiben. Dies scheint zu gelingen – doch trifft Fosters angeknackste Psyche womöglich auf ganz realen Spuk?
„Das Grab der lebenden Puppen“ bedient sich zahlreicher klassischer Elemente Gothic-Grusel-angehauchter Haunted-House-Horror-Motive und etabliert eine große atmosphärische Glocke, unter der Gegenstände ein Eigenleben zu entwickeln scheinen, furchterregende Geräusche am Nervenkostüm zerren, das Licht macht, was es will usw. So weit, so gehabt. Seine Spannung bezieht dieser im Original „Dark Places“ getaufte Film aus der Frage, ob es dann nicht doch zusätzlich zur Inszenierung der geldgierigen falschen Freunde wirklich spukt, darüber hinaus sinistere Kräfte Foster loswerden wollen und was nun eigentlich wirklich mit Marrs Familie geschehen ist. Eine unvermittelt einsetzende Rückblende zu Andrew Marrs Familienzeiten läutet viele weitere ihrer Art ein, die nach und nach aufdröseln, was wirklich passiert ist und von denen nicht immer ganz klar ist, ob es sich um Visionen Fosters handelt. Dieser verfällt nämlich während seines Aufenthalts immer wieder in die Rolle Marrs, der ein Techtelmechtel (oder auch etwas mehr) mit seiner Haushältern Alta (Jane Birkin, „Der lange Blonde mit den roten Haaren“) hatte und seine Frau verlassen wollte.
Während bei Foster die Nerven blank liegen und er sich auch noch mit der skrupellosen Sarah herumplagen muss, die ihm nur zum Schein Avancen macht, klopft er weiter fleißig die Wände des Anwesens ab. Die sehr bedächtige Erzählweise wirkt nun bisweilen einschläfernd und man merkt dem Film an, wie das Drehbuch notdürftig auf Länge gebracht werden musste. Wenn das dunkle Geheimnis sich als blutiges Familiendrama entpuppt, bei dem gruselige Kinder eine entscheidende Rolle spielten, es endgültig von Foster Besitz ergreift und es wieder Tote gibt, bekommt Regisseur Sharp allerdings die Kurve und mit Mandevilles Erkenntnis, dass Foster nicht Angestellter, sondern Patient der Klinik war, bekommt der Zuschauer einen gelungenen Aha-Effekt eiskalt serviert. Zudem wird die tiefschwarze Geschichte mit einer bösen Pointe prima abgerundet.
Für eine Independent-Produktion ist „Das Grab der lebenden Puppen“ überraschend hochkarätig besetzt und auch Hauptdarsteller Robert Hardy, der mit Sharp auch für „Der Frosch“ zusammenarbeitete, zeigt in seiner herausfordernden Doppelrolle eine tolle schauspielerische Leistung. All seine Vorzüge machen diesen Film zu einer zu Unrecht in Vergessenheit geratenen ungeschliffenen schwarzen Perle des britischen Genrekinos.