Finster, finster, was uns Alfonso Cuaron da als zweiter Harry-Potter-Regisseur nach Chris Columbus auftischt. Die Kinder und die Figuren kommen in die Pubertät, da ist es Zeit für einen Imagewechsel. Und der Neue zieht seine Vorstellungen von einem HP-Film gnadenlos durch.
Das wiederum wird jetzt mit Sicherheit den einen oder anderen Hardcore-Bücherfan auf die Palme bringen, denn was Cuaron und seine Mannen aus dem Buch herausdestilliert haben, ist nicht der Versuch, so genau wie möglich die meisten Szenen in eine Filmform umzusetzen, sondern die Konzentration auf das Wesentliche. Auf das für eine Filmerzählung Wesentliche selbstverständlich.
Und so weht all den Potter-Frischlingen, die sich dem Einfluß nicht mehr entziehen wollen oder können ein neuer Wind um die Ohren, ein wenig rauer als zuvor beim immer noch sehr jugendlich verspielten Columbus, der das Märchenhafte in HP stets betonte.
Aber mit jedem folgenden Buch wandelte sich auch das HP-Universum weg von dem vielgeliebten Kinderbuch zu einer Lektüre, die Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen konsumieren konnten, Jugendfantasy mit Anspruch, reich an Einfällen und zunehmender Ernsthaftigkeit und realen Problemen wie Herkunft, Eltern, persönlichen Verlusten, Niederlagen, Bedrohungen und Tod.
Der dritte Band brach schon erzählerisch aus der üblichen Schema-Phalanx aus und diese Produktion zollt dem Imagewechsel Tribut.
Ohne größere Einführung wird jetzt von den Zuschauern verlangt, daß die ehernsten Gesetzmäßigkeiten rund um HP und seine Freunde halbwegs bekannt sind. Zwar startet der Film bei den Dursleys, aber es gibt kein Zögern und keine Mätzchen, straff, fast ein wenig zu schnell ist Harry aufgebrochen nach seiner verbotenen Zauberei in der Muggelwelt, sitzt blitzschnell im „Knight Bus“, wird gewarnt und sitzt schon im Zug nach Hogwarts. Einigen wird davon der Kopf schwirren, andere werden das hervorragend getimete Erzähltempo begrüßen.
Und während die Handlung ihren überreichen Weg nimmt, bestimmt der Look den Tenor der Erzählung: Cuaron setzt auf düstere, ausgebleichte Farben, tiefe Schatten, schlechtes Wetter (viele Wolken). Gefahr ist zu spüren, allerorten drohen die Dementoren, die seelensaugenden Wächter von Askaban, die mit leichter Ringgeisterähnlichkeit so manchem Kind einen ordentlichen Schrecken versetzen können.
Der Plot ist bis zum Überlaufen vollgepackt, eine Menge Heu für 140 Minuten und obwohl es am Ende weder ein Wiedersehen mit Voldemort, noch einen Mega-Gegner zu besiegen gibt und die Handlung mehr ein Bindeglied zu späteren Romanen darstellt, wird so viel Neues und Wichtiges in die Handlung eingewoben, daß man es erst mit dem vierten Teil zu schätzen wissen wird.
Bei den neuen Gesichtern bleibt David Thewlis positiv im Gedächtnis, auch wenn man sich den neuen Lehrer für die Verteidigung gegen dunkle Künste vielleicht anders vorgestellt hatte, bringt er eine hervorragende und sympathische Leistung. Gary Oldman hat als Sirius ja eigentlich nur einen Kurzauftritt am Ende, packt aber so viel Energie hinein, als hätte ihn die zweijährige Arbeitslosigkeit komplett ausgehungert. Julie Christies Auftritt ist beinahe zu vernachlässigen, aber Emma Thompson als Miss Trelawny, die Wahrsagerin, überspannt herrlich den Bogen auf vollen Touren, einmal von der Kette gelassen.
Auch die Jungstars haben dazugelernt und sehen inzwischen allesamt wesentlich älter aus, als sie sein sollen. Radcliffe bringt inzwischen adäquate Leistungen als Harry, Rupert Gint hat seinen Ron inzwischen im Schlaf intus (hat diesmal aber weniger zu tun), während Emma Watson als Hermine schon jetzt zu prophezeien ist, daß sie die Teenagerherzen schulklassenweise brechen wird und das nur mit einem simplen Blick in die Kamera.
Weiterhin erfreulich ist die Angewohnheit, Hogwarts und andere Drehorte bis zum Überlaufen mit kleinen Extras auszustatten, magischen Gimmicks, die am Bildrand praktisch nebenbei zu bewundern sind, während man sich auf die Handlung konzentrieren kann. Außerdem pflegt das Drehbuch einen erfrischend schwarzen Humor, den man eher bei Tim Burton gesucht hätte und auch will man es sich nicht nehmen lassen, die pubertären Romanzen jetzt schon aufflackern zu lassen, wobei der Finger deutlich auf Ron und Hermine zeigt, wo die Bücher (bis zum Weihnachtsball im vierten Buch, wo erstmals Eifersucht aufkeimt) eher zurückhaltend geschrieben sind. Was die Creatures angeht, die diesmal aufgefahren werden, so ist der Hippogreif allererste Spitzenklasse, während der am Ende eingreifende Werwolf allerdings mal wieder platt und glatt (und nackt irgendwie) aus dem PC entstammt und dies auch nicht verbergen kann.
Wunderschön indes sind die Übergänge der einzelnen Jahreszeiten inszeniert, die den flotten zeitlichen Verlauf illustrieren.
So gerät „...der Gefangene von Askaban“ zu einem fast bis zum Platzen angefüllten Fantasy-Abenteuer für Jung und Alt, daß mehr Ideen einfängt, als in allen übrigen bisherigen Sommerblockbustern zusammen versprochen wurden, mit Drive und Witz, mit Düsternis und erfrischend wenig Kitsch. Und die Meßlatte liegt wieder ein wenig höher! (9/10)