Die Bedeutung von "Pickpocket" motiviert erst einmal zu einem filmgeschichtlichen Grobexkurs. War die Wiege des großen Kinos zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Europa flüchtete das Medium vor dem Faschismus nach Amerika. In den Jahren dort entfremdete es sich allerdings zunehmend von realen Sein des Menschen und nicht umsonst entstand der Begriff "Traumfabrik". Es entwickeln sich Sparten wie der, nur auf Entertainment gezielte, klassische Hollywood-Kitsch oder der stilisierte Film Noir. In den 50er/60er war es wieder Zeit für eine Trendwende. In Amerika fingen zunehmend Serien, genau wie heute schnell, anspruchslos und ohne Nachhaltigkeit produziert, an die wahre Leinwandkunst vom Bildschirm zu drängen. Europa erholte sich vom Krieg und einige junge französische Regisseure schickten sich an dem Film ein neues Gesicht zu geben, bzw. das ungekünstelte und individuelle wieder zu entdecken. Die Geburtsstunde des Nouvelle Vague.
"Pickpocket" ist zwar kein typischer Vertreter, weist aber einige Gemeinsamkeiten auf, und galt stets als wichtiger Einfluss. Auffallend anders, im Vergleich zum konventionellen Kino bis dato, sind Faktoren wie das natürliche Spiel der "ungeschliffenen" Darsteller, echtes Licht und echter Ton. Ebenso nüchtern und realistisch gibt sich die Geschichte. Der Weg vom Kleinkriminellen zum Berufsverbrecher, die Motive dafür, das Leben zwischen verdrängten Schuldgefühlen und selbst gewählter Einsamkeit. Ich kann nicht sagen das der Film besonders aufregend oder unterhaltsam ist, mal abgesehen von der interessanten Taschendieb-Artistik, aber er versprüht eine gewissen Reiz, nicht zuletzt den, einen filmhistorisch wichtigen Streifen gesehen zu haben.