„Ich bitte um Verzweiflung!“
Der britische Genrefilmer Freddie Francis („Geschichten aus der Gruft“), der sich einen Namen mit Arbeiten für die vornehmlich für ihre Horrorfilme populären Produktionsschmieden „Hammer“, „Amicus“ und „Tyburn“ machte, drehte mit „Gebissen wird nur nachts“ alias „Happening der Vampire“ in deutscher Produktion eine leichtfüßige Horror-/Erotik-Komödie, die 1970 erschien.
Hollywood-Sternchen Betty Williams (Pia Degermark, „Krieg im Spiegel“) wird nach dem Dahinscheiden ihres ihr unbekannten Onkels nicht nur unverhofft Erbin eines transsilvanischen Schlosses, sondern als letzte lebende Verwandte zudem zur Baroness, der Nachfolgerin ihrer Urgroßmutter Clarimonde (Pia Degermark). Dieser sagte man vampiristische Umtriebe nach, weshalb sich der mitgeerbte Diener Josef (Yvor Murillo, „Marie“) verbittet, dass Clarimondes Sarg in den düsteren Gewölben geöffnet wird. Betty schlägt die Warnungen in den Wind und muss zu ihrer Überraschung feststellen, dass Clarimondes Leiche verdammt gut erhalten ist und ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Es kommt, wie es kommen muss: Clarimonde erwacht zu neuem Tatendrang und beißt sich nächtens durch die Landbevölkerung. Betty verliebt sich derweil in den jungen Lehrer Jens Larsen (Thomas Hunter, „Die Killer der Apocalypse“), an dem auch Clarimonde ein gewisses Interesse hegt – es liegt eben in der Familie. Clarimonde schmeißt schließlich eine rauschende orgiastische Party, zu der sogar Graf Dracula (Ferdy Mayne, „Tanz der Vampire“) persönlich erscheint, während Betty noch immer nichts vom Vampirfluch ahnt. Gibt es eine Rettung für sie?
„Vernascht euch, bevor’s jemand and’rer tut!“
Unschwer von Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ inspiriert (sogar Ferdy Mayne ist mit von der Partie), entpuppt sich „ Gebissen wird nur nachts“ als hübsch im Gothic-Schick ausgestattete, bunte, vergnügte und unbeschwerte Komödie, die neben der bekannten Vampir-Thematik auf Verwechslungskomik, reichlich schlüpfrige Sprüche, etwas Wortwitz und ein wenig Slapstick sowie auf einen hohen Erotikfaktor setzt. Die Dänin Pia Degermark ist in ihrer Doppelrolle nicht nur zeigefreudig, sondern in ihrer naiven Art auch verdammt niedlich anzuschauen und der Vampir-Gothic-Look steht ihr ebenfalls ausgezeichnet. Der Weg zur finalen Party ist gespickt mit den Fetischbereich streifenden Visionen Bettys von nackten Mädels in der schlosseigenen Folterkammer, spielerischer Kritik am verklemmten doppelmoralistischen Klerus, der durch notgeile Mönche und ständige freud’sche Versprecher auffällt, und einem jazzigen Bläser-Score, der prima zum beschwingten Treiben passt. Auf der großangelegten Party, die sich immer mehr in Richtung Orgie entwickelt, gibt’s dann auch reichlich nackte Haut anderer Darstellerinnen zu sehen; die damals noch relativ neue Freizügigkeit im Filmwesen wird voll ausgekostet. Eine Art Running Gag ist der ständige Wechsel der Haarfarben sowohl Bettys als auch Clarimondes, der in Bezug auf die Ähnlichkeit beider Charaktere zusätzliche Verwirrung stiftet und von mir als spaßiger Seitenhieb auf Frauen und ihren Frisurtick aufgefasst wurde.
Natürlich ist „Gebissen wird nur nachts“ reichlich albern und arm an Spannung, verfügt jedoch über einen nicht zu unterschätzenden Wohlfühlfaktor nicht nur aufgrund manch gelungener Gags und der attraktiven, sympathischen Hauptdarstellerin, sondern gerade auch wegen der wunderbar unbekümmerten und damit entwaffnenden Verquickung von Vampirhorror und Sex-Klamotte, die Regisseur Francis aus dem Effeff beherrscht. Schade, dass Degermark danach keine Filme mehr drehte.