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Der Chirurg Dr. Lawrence Gordon (Cary Elwes) und der junge Adam (Leigh Whannell) finden sich mit Ketten an Rohre gefesselt in einem Waschraum wieder und wissen nicht, wie sie dorthin gekommen sind. Sie befinden sich mitten in einem "Spiel" eines in der Presse reisserisch als "Puzzle-Mörder" titulierten Sadisten. Per Tonband werden den beiden Gefangenen die "Spielregeln" erläutert : Dr. Gordon hat bis 18 Uhr Zeit seinen Mitgefangenen Adam zu töten. Tut er es nicht, so sterben seine Frau Alison (Monica Potter) und seine kleine Tochter Diana (Makenzie Vega)...

Leider wird der Film "Saw" immer wieder als Plagiat des genialen Kultfilmes "Sieben" verunglimpft. In der Tat kann man zwar durchaus einige Parallelen zwischen den beiden Filmen finden (primär die Tatsache, dass der Mörder in beiden Filmen ähnlich sadistisch vorgeht, dabei aber mit seinen Taten stets eine gewisse Intention verfolgt; daneben einige Kameraeinstellungen , etwa wenn in beiden Filmen ein Opfer mit Stacheldraht gefoltert aufgefunden wird), dennoch hat "Saw" meiner Meinung nach genug eigene Ideen um als eigenständiger Film angesehen werden zu dürfen. Es gibt unzählige Filme, die von der Struktur her ähnlicher zu "Sieben" sind als der Film "Saw", z.B. der ebenfalls sehr unterhaltsame Christopher-Lambert-Thriller "Resurrection - Die Auferstehung". Mit anderen Worten : wenn man "Saw" als "Sieben" - Klon bezeichnet, so kann man dies mit vielen Thrillern tun, die sich mit den Taten eines Serienmörders auseinander setzen. Ausserdem sind - im Gegensatz zu "Sieben" - nicht primär die ermittelnden Beamten (hier sind es Danny Glover als Detective David Tapp und Ken Leung als Detective Steven Sing) die Hauptpersonen der Handlung, sondern die beiden Gefangenen Dr. Gordon und Adam. Und es gibt einen weiteren gravierenden Unterschied zwischen den beiden Filmen : während "Sieben" ein ganzes Genre revolutionierte und noch heute als Kultfilm verehrt wird, dürfte "Saw" - obwohl er mehr als ordentlich inszeniert worden ist - voraussichtlich in einigen Monaten in Vergessenheit geraten sein.

Die Werbung des Filmes "Saw" suggerierte, dass der Film nahezu ausschliesslich in dem kargen Raum spielen würde, in welchem sich Dr. Gordon und Adam nach dem Aufwachen wiederfinden. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit : tatsächlich findet ein grosser Teil der Handlung in diesem Waschraum statt, daneben gibt es aber Nebenhandlungen und vorallem Rückblenden, mit deren Hilfe sich dem Zuschauer die Zusammenhänge nach und nach offenbaren. Regisseur James Wan gibt dem Zuschauer dabei gerade soviel Informationen in die Hand, dass einerseits nicht zu viel verraten wird aber die Informationen ausreichen, um dem Zuschauer weitergehende Interpretationen zu ermöglichen. Der Täter wird erst ganz am Ende des Filmes nach einer letzten Handlungswendung verraten; bis dahin legt der Regisseur immer wieder geschickt falsche Fährten und lenkt den Verdacht auf Personen, die sich nachher als unschuldig erweisen oder selbst als Opfer an dem "Spiel" teilnehmen. Die Täterauflösung ist sehr überraschend, wirkt aus meiner Sicht aber etwas zu konstruiert. Ausserdem stören immer wieder kleinere Ungereimtheiten den Ablauf der Handlung. Auch das Motiv des Mörders kann nicht wirklich überzeugen.

Handwerklich ist Regisseur Wan nichts vorzuwerfen : die Atmosphäre ist düster, die Bilder frei von Hochglanzoptik, die musikalische Untermalung stimmig, die Story voll von spannenden Momenten, das Ende überraschend kompromislos. Glücklicherweise verzichtet Wan darauf, dem Zuschauer eine heile Welt vorzugaukeln, in der alles eitel Sonnenschein ist : jeder Charakter hat einen Schatten in seiner Vergangenheit (oder Gegenwart), der ein mögliches Motiv dafür sein könnten, ein Massenmörder zu sein. Auch bei der Auswahl der Darsteller gibt sich der Film keine Blösse, alle verkörpern ihre Rollen zumindest ordentlich. Obwohl Cary Elwes für mich immer ein Komödiant bleiben wird (bekannt u.a. aus "Der Dummschwätzer" oder der genialen Robin-Hood-Parodie "Helden in Strumpfhosen"), trifft er als Dr. Gordon genau die Balance zwischen besorgtem Familienvater und - zumindest anfänglich -nüchternem Analytiker (der in seiner Funktion als Arzt täglich mit dem Sterben zu tun hat). Dagegen bleibt Adam über lange Strecken der Spielzeit eher geheimnisvoll, da der Zuschauer nur häppchenweise Informationen zu seiner Person geliefert bekommt. Er selbst beginnt erst über sich zu sprechen, nachdem er von Dr. Gordon in die Defensive gedrängt wird und beschuldigt wird, selbst der "Puzzle-Mörder" oder dessen Komplize zu sein.

Fazit : ein spannender und stilistisch gut gemachter Thriller mit überraschender Täterauflösung, aber auch kleineren Schwächen !

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