Zum dritten Mal binnen vier Jahren befasst sich Regisseur Michio Yamamoto mit Vampiren, zum zweiten Mal bereits spielt Shin Kishida dabei den Obervampir, und je tiefer die blutdurstige Spezies erforscht wird, desto stärker werden die Charakterzüge eines alten Bekannten freigelegt: Dracula.
Dabei sehen wir in den ersten Minuten eigentlich nur, wie ein Psychologie-Lehrer aus Tokio (Toshio Kurosawa) mit dem Zug in Nagano ankommt und nach einer Taxifahrt zum Rektor seiner neuen Schule transportiert wird. Ein relativ alltäglicher Vorgang innerhalb einer mobilisierten Welt, möchte man meinen… doch Parallelen zur Ankunft Jonathan Harkers in Transsilvanien halten sich über mehrere Szenen hinweg aufrecht, bis der komplette Prolog abgeschlossen ist.
Nur vordergründig geht es um das neue Kapitel im Berufsleben eines Mannes, tatsächlich wird in den Arrangements der Bilder und der Abfolge der Geschehnisse mal wieder ausgiebig mit Filmgeschichte gespielt. Das Taxi als Pferdekutsche, die Schule als schwer zugängliches transsylvanisches Schloss, der Keller im Haus des Rektoren als Gruft der Vampire… und dann schlägt Yamamoto eine Brücke zu seinem ersten Vampirfilm „The Vampire Doll“ und dessen Dracula-Bezügen, wenn der Rektor seinen Gast erneut vom Treppenabsatz aus begrüßt – und wenn der Besucher später im Gastzimmer Bekanntschaft mit leichenblassen Vampirfurien schließen darf. Nur, dass die Verweise diesmal viel unverhohlener stattfinden und sich im Maßstab wesentlich näher an der Opulenz des Originals befinden.
Wer sich bereits durch die ersten beiden Teile der „Bloodthirsty“-Trilogie gebissen hat, wird sich in Bezug auf Inhalt und Stilmittel auch bei „Evil of Dracula“ recht schnell heimisch fühlen. Yamamoto erzeugt eine Blase aus zeitlichem Stillstand inmitten einer sich rasch bewegenden Gegenwart, von der man allenfalls die fließenden Ränder erahnen kann. Zwar wirken die Wald- und Seelandschaften nicht mehr ganz so verwunschen wie im Naturparadies des Vorgängers „Lake of Dracula“, auch die Kontraste zur modernen Zivilisation sind nicht mehr ganz so scharf ausgearbeitet wie dort; trotzdem hat man beim Blick aus dem Fenster der Studentenzimmer noch das Gefühl, auf eine Fantasy-Kulisse aus sonderbar verästelten Bäumen zu blicken.
Dass auf dem Campus hier und da mal eine Frau verschwindet, sorgt für einen gewissen Krimi-Einschlag aus der Jack-The-Ripper-Ecke, zumal Shin Kishida erneut wie ein nobler Dandy durch die Wälder springt und seinen weißen Schal flattern lässt, diesmal wogend im Duett mit dem recht lang gewordenen Haupthaar. Zähne blecken und fauchen kann er immer noch wie ein Weltmeister, daran besteht gar kein Zweifel. Wenn er nachts im Wald ein Opfer stellt und wie beim Hase-und-Igel-Spiel jeden Fluchtweg abschneidet, gelangen sogar ein paar Wellen von Eastern-Klamauk an die Oberfläche, die sonst von den Mustern des gemäßigten Ausstattungskinos von alter Hammer-Tradition geformt wird.
Yamamoto hatte zwischenzeitlich bei zwei Episoden der populären Detektivserie „Taiyō ni Hoero!“ Regie geführt, in dieser Zeit aber offenbar sein Gespür für spannungsreiches Erzählen mit effektiven Vampir-Höhepunkten nicht verloren. Wenn sich die nachtaktiven Beißer nach Sonnenuntergang aus der Horizontale bewegen, dann stets mit dieser fremdartigen, unheimlichen Aura, die den Vampir als Schöpfung des phantastischen Films ganz nach oben gebracht hat. Während die gekonnte Nutzung dieser charakteristischen Eigenschaften in „The Vampire Doll“ und „Lake of Dracula“ aber noch einen gewissen Reiz dadurch ausübte, dass man sie auf das japanische Kino anwendete, hat der Vampir-Rektor dieser Methode kaum noch Neues hinzuzufügen. Erneut empfindet der Regisseur besondere Freude daran, nicht nur Filmklassiker, sondern auch sich selbst zu zitieren (diesmal etwa beim Sturz von einer Treppe), auch wird keinen Deut von der Formel abgewichen, einen männlichen Strippenzieher mit weiblichen Marionetten auszustatten, nur um ihm am Ende möglichst dramatisch die Fäden aus der Hand zu reißen. Spätestens wenn sich Kishida für das Finale erneut die Lunge aus dem Leib brüllt, ist die kreative Zitaterie passé und uninspirierte Wiederholung kommt zum Vorschein, obgleich die Überblendungseffekte beim Zerfallen der Vampire auf charmante Weise an alten Universal-Horror der Marke “The Wolf Man” erinnert.
Blickt man auf die gesamte Trilogie zurück, hat Michio Yamamoto allerdings zielstrebig seinen eigenen Pfad eingeschlagen, ohne sich länger im Kreis zu drehen: Von der vagen Andeutung leuchtender Augen in der Nacht hat er es direkt unter Draculas Cape geschafft. Dass die letzte Station den Vampirmythos mit theatralischem Schauspiel und müden Déjà-Vus wieder ein Stück weit entmystifiziert, ändert nichts an der Zielstrebigkeit, mit der dieser Pfad bis über die Ziellinie verfolgt wird.