Review

Ein Jahr nach „La polizia ringrazia“ („Die Polizei dankt“, 1972) drehte das Team um den Produzenten Roberto Infascelli und seinen Hauptdarsteller Enrico Maria Salerno einen weiteren Poliziesco, der dem Vorgängerfilm in vielen Elementen ähnelt. Das beginnt schon beim Titel „La polizia sta a guardare“, („Die Polizei kann nur zusehen“), der einen ähnlich ironischen Charakter annimmt und direkt ins Geschehen führt.

Zum dritten Mal wurde das Kind eines wohlhabenden Bürgers entführt und kam nach einer Zahlung von 400.000 Lire frei, ohne das die Polizei die Möglichkeit bekam, einzugreifen, weshalb der alte Polizeichef Jovine (Lee J.Cobb) verärgert in Pension geht und sich in seine Mailänder Wohnung zurückzieht. Statt seiner kommt Cardone (Enrico Maria Salerno) aus Rom und greift sofort durch, als eine Bank überfallen wird. Die beiden Räuber haben mehrere Geiseln genommen und wollen damit ihre Flucht erpressen, aber der neue Polizeichef verhandelt nicht mit Verbrechern. Dank eines Hinweises erfährt er die Namen der Räuber und bringt sie dazu, aufzugeben. Diese Vorgehensweise bringt ihm neben Lob auch Kritik ein, da er das Leben der Geiseln riskiert hätte. Vor allem dem Staatsanwalt Aloisi (Jean Sorel) gefallen seine Methoden nicht, aber Cardone argumentiert, dass nur so ein Ende der Verbrechenswelle erreicht werden kann.

„La polizia sta a guardara“ funktioniert problemlos ohne die Kenntnis des Vorgängerfilms „La polizia ringrazia“, vielleicht sogar besser, da die Story ähnlich angelegt ist und die Zusammenhänge so erahnt werden können, aber interessant ist die Entwicklung zu mehr Plakativität in dem von Roberto Infascelli komplett verantworteten Film, zu dem er auch die Regie und das Drehbuch beisteuerte. Salerno agiert in seiner Rolle als Polizeichef deutlich kompromissloser und hält nicht viel von den seine Polizeiarbeit behindernden Vorschriften. Anders als der Commissario in "La polizia ringrazia" entscheidet immer er, hört ohne richterlichen Beschluss den Vater eines neuerlich entführten Opfers ab und unterbindet sogar die Geldübergabe, um den Erpressten dazu zu bringen, mit der Polizei zusammen zuarbeiten.

Trotzdem übertreibt der deutsche Titel "Der unerbittliche Vollstrecker" erheblich, denn Cardone bleibt im Rahmen der Ermittlungsarbeiten und greift nie persönlich ein - weder mit der Faust, noch mit der Waffe. Von dem Tatendrang eines Maurizio Merli ist er noch weit entfernt. Trotzdem wird an dem veränderten Rollenverhalten des Polizeichefs spürbar, das Roberto Infascelli die grundsätzliche Aussage des Vorgängerfilms zwar nicht relativiert, sie aber weit weniger komplex transportiert. Zwar formuliert "La polizia sta a guardare" sogar konkret die ideologischen Ideen der Hintermänner, wenn er den Drahtzieher aussprechen lässt, das die Verbrechen dafür sorgen sollen, das durch schärfere Gesetze und eine straffe Regierung das Chaos in Italien beseitigt werden soll, aber dem Film fehlt die Komplexität und Hintergründigkeit seines Vorgängers.

Auch "La polizia sta a guardare" spielt direkt auf die Ereignisse in Italien, Anfang der 70er Jahre an, aber er vereinfacht die Auseinandersetzung, zieht deutlicher die Linie zwischen gut und böse. Das Jean Sorel als Staatsanwalt schwach bleibt und mehr durch moralische Reden auf sich aufmerksam macht, liegt an einer insgesamt positiveren Darstellung der Polizei. Als das Entführungsopfer tot aufgefunden wird, steht Cardone wegen seines Eingreifens kurz in der Kritik, aber er lässt den Arzt, der die Obduktion durchführte, gleich auf der Pressekonferenz aussagen, das die Entführer ihr Opfer sofort getötet hätten, also unabhängig davon, ob sich die Polizei einmischte. Obwohl der Film versucht, einen Konflikt aufzubauen, als kurz danach Cardones eigener Sohn entführt wird, nimmt er diesem die Spitze und konfrontiert den Betrachter nicht damit, das unüberlegtes Handeln zuvor schon zum Tod eines Unschuldigen geführt hat.

"La polizia sta a guardare" bleibt über die gesamte Laufzeit spannend und wagt auch tragische Wendungen, aber er ist in seinem geradelinigen Ablauf, den klaren Konturen und einer letztlich nie unterlegenen Hauptfigur deutlich näher am klassischen Poliziesco, als "La polizia ringrazia", der mehr Richtung Polit-Thriller tendierte. Während dort noch das Thema Selbstjustiz kontrovers behandelt wurde, geht es hier nur noch um die Angemessenheit der Methode bei der Verbrechensbekämpfung und Roberto Infascelli macht keinen Hehl daraus, das er auf der Seite Cardones steht. In gewisser Weise korrigiert er den Vorgängerfilm doch - er verharmlost nicht die Situation, aber sein Film ist optimistischer und stärkt den Kämpfer gegen das Unrecht (7,5/10).

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