Nach einem jahrelangen Hin und Her stand Timothy Dalton (bedauerlicherweise) nicht mehr für die Rolle des Doppel-Null-Agenten zur Verfügung. Für die Leute bei United Artists mit dem Dollarzeichen in den Augen ein Grund zur Freude, denn obwohl Cubby Broccoli stets treu zu Dalton hielt, war dieser in seinen beiden 007-Auftritten speziell bei den amerikanischen Kinogängerinnen durchgefallen. Nun beschloss man also das Remington Steele-geschädigte Publikum durch Pierce Brosnan zu versöhnen. Generell nahm man sich offensichtlich vor, eine neue Route einzuschlagen, Bond "modern" in die 90er einzuführen. 100% gelingen will es jedoch nicht.
Der Film beginnt famos. Der Hunderte von Metern tiefe Sprung vom Staudamm bei fast gänzlicher Stille (außer dem sanften Windrauschen) ist ein stark inszenierter Stunt. Die folgende Infiltration des chemischen Labors in Russland in Verbindung mit der Kollaboration von 006 und 007 ist schön anzuschauen. Schon bemerkt man, dass wieder mal ein Quoten-Deutscher den Bösewicht darstellen darf, diesmal Gottfried John als General Ourumov. All dies wird begleitet von einem zu extensiven Gebrauch von Maschinengewehren. Der im Anschluss zu dieser Sequenz folgende Main Title ist genial. Auch wenn Maurice Binder stilprägend und innovativ war, so hat Daniel Kleinman doch mehr als nur schöne, sich nackt räkelnde Frauen zu bieten. Fantastisch der Einbau von verfallenden überdimensionalen Stalin- und Lenin-Statuen. Höhepunkt: Der (fehlschlagende Versuch, mit einem kleinen Hammer die riesige Sichel zu zerschlagen. Die Sowjetunion ist tot. Doch es bleiben mehr als nur Reste übrig...
In der Folge wird ein gewagter Spagat versucht: einerseits so viele Reminiszenzen hervorzurufen wie nur möglich, andererseits neue Wege zu bestreiten. Bsp.: das gelungene Autoduell (Bond natürlich im klassischen Aston Martin DB 5), Bond im Casino beim Glücksspiel, Bonds unmittelbar aufeinander folgende legendären Sprüche („Wodka Martini. Geschüttelt, nicht gerührt“, „Mein Name ist Bond, James Bond.“) und schließlich Qs amüsanten Auftritt. Auf der Gegenseite ist die übertrieben aufgedrückte Political Correctness omnipräsent, z.B. raucht Bond nicht mehr; Bond hat nun eine ChefIN, Moneypennys Hinweis auf sexuelle Belästigung, oder aber auch die neue Antipathie zwischen M und Bond. Dies wirkt allerdings zu aufgesetzt, schließlich zeugt das nicht von der Professionalität einer Geheimdienstchefin.
Auch wenn der Plot auf den ersten Blick billig und rückwärtsgerichtet erscheint, so hat er dennoch seine Reize. Denn hinter dem alten bösen-Russen-Image steckt doch mehr. Es wird sowohl der Graben zwischen den Ethnien unter dem vereinenden Label Sowjetunion angedeutet als auch das Durchdringen der Politik durch die russische Mafia aufgezeigt. Zudem führt die Handlungskette durch schöne, unverbrauchte Standorte u.a. Monaco, St. Petersburg und Kuba.
Die Inszenierung ist sehr actionlastig. Martin Campbell bekommt dennoch die Kurve, man hat nicht das Gefühl, als ob die Szenen allesamt zum reinen Selbstzweck degradiert wurden. Beste Szene: General Ourumov flüchtet in einer klapprigen Limousine, rast nichts ahnend um die Kurve, und der Zuschauer wird überrascht, wie Bond auf einmal mit einem Panzer durch die Mauer bricht und direkt hinter dem russischen General erscheint.
Die schauspielerischen Leistungen hinterlassen einen enttäuschenden Eindruck, was zum Teil auch auf die gekünstelt wirkenden Dialoge zurückzuführen ist; eine Schwäche, die auch in keinem der Folgefilme behoben wird. Sean Bean spielt Pierce Brosnan locker an die Wand, der zwar sehr ambitioniert ist, aber in allen seiner vier Bond-Auftritte flach und eindimensional bleiben wird. Es ist aber halt für einen Schauspieler schon ein Problem, wenn er von den zwanzig verschiedenen zur Verfügung stehenden mimischen Muskeln nur eine handvoll gebraucht. Famke Janssens Rolle der Xenia Onatopp (welch kreativer Nachname) als SM-gestörte Kalaschnikow-Hure ist mehr als nur Geschmackssache.
Desolat ist der Score des Eric Serra zu bewerten, Lichtjahre von der Qualität eines Léon – Der Profi entfernt. Auffälligste Beispiele: die Synthesizer-Untermalung beim Duell Aston Martin vs. Ferrari und der künstlerische Griff ins Klo beim Abspann: „The Experience of Love“; nicht nur von ihm geschrieben, sondern sogar vorgetragen.
Fazit: Tatsächlich ist es ein modernes Actionwerk geworden. Doch dies zeigt die gefährliche Reduktion bei so einem Stoff wie Bond. Es gehört schon mehr dazu, als einen äußerst cool wirkenden Pierce Brosnan in einen Anzug zu stecken und darauf zu hoffen, mit gelungener Action Drehbuch-interne Schwächen zu kaschieren. Der Film ist zwar perfektes Entertainment und bietet Spannung auf gehobenem Niveau, aber zugleich läuft das Konzept Gefahr, bei Weiterverfolgung in eine kreative Sackgasse zu führen. Da wirkt schon folgender Satz im Film (Skript: Michael France) als gemeine Abrechnung mit dem guten Vorgänger Lizenz zum Töten: (M zu Bond): „Und falls ihnen Ourumov über den Weg laufen sollte – schuldig oder nicht – verzetteln sie sich nicht in eine Vendetta. Alex zu rächen macht ihn nicht wieder lebendig … Nehmen sie es nicht persönlich.“, darauf Bond: „Niemals.“