Review

Eine gute und fesselnde Biographie auf Papier oder Zelloid zu bannen, ist schon ein kleines Husarenstück. Es reicht nicht einfach aus, sämtliche Stationen eines bewegten Lebens chronologisch abzuarbeiten. Eine Biographie ist nur dann erhellend, wenn sie der portraitierten Person neue Facetten abgewinnt und  Beweggründe für ihr Handeln findet. Am Ende muss sich ein gewisser Aha-Effekt einstellen, ansonsten steht der Rezipient, der gemeinhin vorabinformiert ist und derartiges Material sehr gezielt konsumiert, relativ ratlos da.

Das fürs TV produzierte "The Life an Death of Peter Sellers" schert sich um diese gutmeinten Ratschläge einen Dreck - und macht paradoxerweise doch vieles richtig. Und das aus einem ganz einfachen Grund: Er kann eben nicht anders, da das Wesen seines Forschungsgegenstandes widersprüchlicher nicht sein könnte. Schlimmer noch: Eigenen Aussagen nach hatte Schauspieler Peter Sellers gar keine eigene Identität. Er selbst fühlte sich wie eine leere Hülle, die von seinen Filmrollen - allen voran von seinen mehrfachen Darstellungen des kauzigen Clouseaus, dem Inspektoren aus der Pink-Panther-Reihe - mit Inhalt gefüllt wurde. Es scheint, als könne die autobiographische Note nicht viel zur objekten Analyse beitragen. So bleibt Regisseur Stephen Hopkins ("Der Geist und die Dunkelheit", "24") erstmal nichts anderes übrig, als die bekanntesten  Anekdoten aus Sellers Schaffen herauszufiltern, die seine ambivalente Persönlichkeit am Trefflichsten illustieren. Wir sehen Peter Sellers, den liebenden Familienvater, der mit seinem plötzlich erlangten Weltruhm nicht umzugehen weiß, seinen Kindern aus Wut das Spielzeug zertritt, ihnen kurz darauf großzügige Geschenke macht, nur um sie wie ein diktatorischer Filmemacher vor die Heimkamera zu zerren. Wir bekommen einen irrigen Kindskopf präsentiert, der mit seinem komödiantischen Gespür die Massen zum Lachen bringt, aber eigentlich als ernstzunehmender Chrarakterschauspieler Fuß fassen will. Einen Mann, der eigentlich alles hat, aber nie zufrieden sein kann und seine gefestigte Ehe für eine nie zustande gekommene Affäre mit Sophie Loren eintauscht.

So gerät Hauptdarsteller Geoffrey Rush ("Fluch der Karibik", "München") zum eigentlichen roten Faden der Erzählung. Eindringlich aufspielend, schlüpft er nicht nur in die Rolle des Peter Sellers, sondern auch in dessen Filmfiguren. Seller-Fans werden sicher ihre diebische Freude haben, wenn Rush nochmal den ominösen deutschen Wissenschaftler Dr. Strangelove, Mr. Chance oder eben jenen Clouseau, der Sellers an den Rand der Verzweifelung brachte, aber so etwas wie seine Lebensversicherung darstellte, gibt - und das in beinahe 1:1  rekonstruierten Szenen. Diese dienen jedoch nicht der bloßen Zurschaustellung einer filmhistorischen Korrektheit, vielmehr sind sie ein fundmentales Element in einem Spiel, das die illusionistische Wirkung des Mediums Film selbst reflektiert. In einer Sequenz sitzen Peter Sellers und Stanley Kubrick (Stanley Tucci) in einem fahrenden Auto und streiten über die Arbeiten zu "Dr. Stangelove". Plötzlich stoppt der Wagen, der Regisseur und sein Hauptdarsteller steigen aus - und der Zuschauer merkt erst jetzt, dass sich die beiden vor einer Rückprojektion unterhalten haben, die ihm soeben eine vorbeiziehende Landschaft vorgaukelte.

Immer wieder wird das Geschehen von derartigen Kniffen unterbrochen, die Darsteller wechseln zwischen den einzelnen Szenen die Sets und das Publikum bekommt alles mit. Es scheint, als wollte sich Hopkins eine Hintertür offen lassen, um möglichen Fehlinterpretationen mit einem "Hey, dies ist nur Fiktion" zu begegnen, tatsächlich nutzt er die kurzen Drehpausen, um das gerade Gesehene von Sellers Liebsten kommentieren zu lassen. So melden sich seine Ehefrauen (Emily Watson, Charlize Theron), seine Eltern oder Pink Panther-Regisseur Edward Blake (ein starker John Lithgow) zu Wort und geben uns mögliche Deutungsmuster an die Hand. Der Trick ist allerdings, dass sie in diesen kurzen Unterbrechungen ebenfalls von Rush alias Sellers gespielt werden - womit dem soeben Gesagten wieder jegliche Grundlage entzogen wird.

Und so trifft "The Life and Death of Peter Sellers" gerade dann den Nagel auf dem Kopf, wenn es eigentlich nichts erhellendes über den britischen Mimen zu sagen gibt. Ein Peter Sellers, der vor einem Spiegel ohne Spiegelbild steht. Eine ratlose Mutter, die nach einem Treffen mit ihrem Sohn auf die Frage nach dessen Befinden mit einem lakonischen "Ich habe ihn nicht gesehen" antwortet. Ein Peter Sellers, der nach dem Abspann in seinen Trailer verschwindet und den Zuschauer letztendlich mit einem "Hier gibt es nichts zu sehen" vor der Türe stehen lässt. Aber immerhin war er soeben Zeuge eines außergewöhnlichen Filmerlebnisses, das sich seltsam wohltuend aus dem Einheitsbrei der Biopictures abhebt. (8/10)

Details
Ähnliche Filme