Russland einige Jahre nach Ende des kalten Krieges. Danila (S. Bodrov Jr.), ein eigentlich ziemlich junger Veteran des Tschetschenien-Krieges, und seine Freunde aus der Armeezeit schlagen sich irgendwie durch.
Vom immensen Reichtum der neuen Oligarchen können sie zwar bestenfalls träumen, bittere Armut droht ihnen andererseits ebensowenig.
Mitja, der Bruder eines der beiden Freunde von Danila hat es da schon besser getroffen. Für ihn wurde ein Traum war, denn er spielt in der amerikanischen Eishockey-Liga NHL und hat den Absprung ins vermeintlich gelobte Land geschafft.
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Mitja wurde von seinem dubiosen "Manager" aufs Kreuz gelegt und spielt quasi für lau. Sein Bruder versucht daraufhin von einem lokalen Mafia-Boss, der "Geschäftsverbindungen" in die USA hat, Hilfe zu erbeten. Ergebnis ist, dass er tot von Danila aufgefunden wird.
Auf Grund alter Kameradschaft macht sich Danila auf, um die Verantwortlichen für den Tod seines Freundes zu finden und zu bestrafen.
Von Moskau führt ihn sein Rachefeldzug bis in die USA, wo er vor allem mit dem im Vergleich zu Russland anderen Lebensstil so seine eigenen Erfahrungen macht.
"Brat 2" war seinerzeit in Russland einer der Box-Office-Hits. Manch westlicher Zuschauer wird allerdings kaum verstehen können, dass irgendjemand diesen Streifen auch bloß einem x-beliebigen Hollywood-Film vorziehen könnte.
Aleksei Balabanov`s Film bietet weder Action ohne Ende, noch ist die vorkommende auch nur auf unterstem Hollywood-Niveau umgesetzt. Das Drehbuch ist in Sachen Logik ziemlich löchrig geraten, die filmtechnische Umsetzung lässt oftmals sehr zu wünschen übrig, die Darsteller sind bestenfalls unterstes Mittelmaß usw. usw.
Die Liste der Negativ-Merkmale von "Brat 2" liesse sich noch lange fortsetzen, trotzdem ist der Film wirklich gut.
Wie kann ein Film wie der gerade eben geschilderte denn gut sein wird sich jetzt so mancher Leser hier fragen. Die Antwort ist recht einfach, indem man nämlich die eigentlich mangelbehaftete Story des Films in einer für ein bestimmtes Publikum interessanten, weil wichtigen historischen Zeit ansiedelt und die daraus resultierenden Fragen, Ängste und Wünsche der Menschen auf eine zugängliche Art und Weise aufgreift und darstellt.
Deshalb erwartet den Zuschauer hier auch keiner der typischen Rache-Streifen, sondern eine ganz eigene Mischung aus Drama, Komödie und Action.
Zugegeben, das erste Drittel des Films hat mich echt genervt. Das ganze Mafia-Theater, die paar billigen Action Szenen, die ganze holprige und leicht dilettantische Machart des Streifens in Verbindung mit nervenden Charakteren wie Danila`s Bruder und den allesamt ziemlich steif agierenden Darstellern waren eine echte Geduldsprobe.
Man wartet förmlich darauf, dass der Film in Richtung der erwarteten Rächer-Schiene mit derber Action versehen so richtig abgeht, doch die ganze Chose geht den komplett anderen Weg. Statt derber Action bekommt der Zuschauer einen recht ausführlichen Einblick in Danila`s US-Trip.
An dieser Stelle wird der Film beinahe ein schrulliges Road-Movie. Auf seiner Reise von New York nach Chicago wir Danila mit einem typischen US-Trucker mit Vorliebe für russische Musik, einer dunkelhäutigen TV-Reporterin, der russischen Prostituierten Marilyn alias Dascha sowie deren schwarzen Pimp inkl Gefolge konfrontiert.
Hier und in den Szenen mit Danila`s Bruder zeigen sich dann die eigentlichen Stärken des ganzen Films.
Die Russen, für die die USA das vermeintlich gelobte Land sind, sind im Falle von Danila und Dascha alles andere als begeistert und sehnen die Rückkehr in die Heimat herbei, während Danila`s Bruder vollends durchknallt und großspurig einen auf Al Capone macht.
Was die letzten zwei Drittel des Films dominiert ist die Konfrontation zweier Kulturen, die das Leben aufzeigt wie es nun mal ist. Es gibt überall auf der Welt offene, freundliche und hilfsbereite Menschen wie den US-Trucker. Ebenso gibt es Leute wie Danila, die zu ihren Prinzipien stehen, auch wenn diese von vielen als altmodisch angesehen werden und er dafür von den schwarzen Pimps ordentlich verdroschen wird. Genauso gibt es Menschen wie Danila`s Bruder, der seine rassistische Grundhaltung hier bei jeder Gelegenheit an den Mann bringt.
Gerade die rassistischen Elemente, die "Brat 2" immer wieder aufgreift sind sicherlich ein Grund, weshalb der Streifen hierzulande noch nicht veröffentlicht wurde. Trotzdem sollte man diese hier nicht unbedingt auf die Goldwaage legen, symbolisieren sie doch auch im Kontext des Films eine gedankliche Richtung über die sich der Zuschauer hoffentlich bereits im Vorfeld eine eigene Meinung gebildet haben sollte.
Balabanov´s Film spielt in einer gewissen Grauzone nach dem Ende der Sowjetunion, als sich für Russen plötzlich nie gekannte Chancen auftaten, die allzu oft in bitteren Enttäuschungen mündeten (Dasha und Mitja sind hier als Beispiele anzuführen).
Gerade die Schilderung einer Zeit, in der Eckpfeiler des Lebens für ein Land wie Russland von heute auf morgen plötzlich nicht mehr existierten, macht einen grossen Reiz dieses Films aus.
"Brat 2" ist ein alles andere als ein perfekter Film, die technischen, künstlerischen und finanziellen Mankos sind absolut unübersehbar. Dennoch schafft er es interessierten und offenen Zuschauern einen anderen Blick auf Gegebenheiten zu werfen, die in unserem westlichen Denken eigentlich klar fixiert sind.
Nur dadurch, dass die Sowjetunion damals unterging, bedeutet noch lange nicht, dass alle damaligen Sowjetbürger nichts anderes im Sinn hatten als das "Land der Finsternis" zu verlassen. Genusowenig bedeutet es den Sieg eines vermeintlich besseren, westlichen Systems über ein anderes.
Die Sicht ist hier eine offenere, weil auf die einzelnen Menschen gerichtete mit einer eigentlich simplen Botschaft "Home Is Where The Heart Is". Dies zeigt sich auch am Ende des Films, als Danila und Dascha an Bord des Fliegers gen Moskau den Steward auffordern Wodka auszuschenken, da es schliesslich in die Heimat geht.
In diesem Sinne ein herzhaftes "Na Sdarówje!" auf eine Vielfalt an Ansichten, Empfindungen, Meinungen und Gefühlen, die uns hoffentlich alle bewegen und beschäftigen, letztendlich aber klarmachen, dass wir als Menschen nur zusammen weiterkommen und uns nach unseren Herzen richten sollten, anstatt uns von Politikern und Demagogen irgendwelchen Unsinn eintrichtern zu lassen.