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Der Archäologe George Hacker hat seine Familie mitgenommen zu Ausgrabungen in Ägypten. Während er das obskure Grab eines Pharaos untersucht, und dabei durch mysteriöse Vorkommnisse sein Augenlicht verliert, schenkt eine seltsame Frau der Tochter Susie ein Amulett. Zurück in New York zeigt sich, dass Susie mit Hilfe dieses Amuletts offensichtlich Reisen durch Raum und Zeit unternehmen, ja sogar ihren Bruder Tommy dabei mitnehmen kann. Und jeder, der ihr während einer dieser Reisen zu nahe kommt verschwindet spurlos. Derweil Hacker ganz plötzlich wieder sehen kann, erweist sich das Amulett als eine Quelle des Bösen, die Susie fest in ihrer Hand hat. Nur ein seltsamer Antiquar scheint Susie helfen zu können.

Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, mit was für einfachen Mitteln Lucio Fulci Horror erzeugen konnte. Wie simpel es für ihn zu sein schien, den Zuschauer in ein unbehagliches Zwischenreich zu entführen, in welchem er sich zur gleichen Zeit wunderschönen Bildern hingeben kann und einer kratzigen und unangenehmen Geschichte stellen muss. Vor allem diese Bilder, die selbst sperrige oder dumme Stories in wunderschöne und einzigartige Schätze verwandeln konnten, stellen für mich immer wieder kleine Wunder dar. Wo andere Regisseure auf zunehmend widerwärtige Effekte vertrauen (vor allem in den letzten 20 Jahren), nahm Fulci den Zuschauer bei der Hand und zeigte ihm die Schönheit im Grauen, die Magie des Alptraums. Nicht dass die direkten Vorgänger von AMULETT DES BÖSEN nicht mit widerwärtigen Effekten hantiert haben, aber Fulci konnte eben auch anders.

Natürlich ist AMULETT DES BÖSEN prinzipiell hanebüchener Schwachsinn, und offensichtlich sind die Schauspieler entweder völlig lustlos dabei gewesen, oder sie litten unter einem akuten Anfall von absoluter Arbeitsverweigerung. Was Laura Lenzi als Ehefrau von George Hacker hier abliefert spottet jeder Beschreibung, und auch Christopher Connelly hat man schon mal lebendiger und interessierter gesehen. Aber was macht das schon gegen die Magie, die diesen Bildern entspringt. Die von der eindringlichen Musik unterfüttert wird. Und die spätestens von den beiden großartigen Kinderdarstellern Brigitta Boccoli und Giovanni Frezza umgewandelt wird in einen Schrecken, der nicht von irgendwelchen dummen Erklärungen und mühsam konstruierten Interpretationen vernichtet wird, sondern der nur für sich allein steht. Das Böse existiert, und damit ist alles gesagt. Wer meint, dass logische Antworten auf mystische Vorgänge einem Horrorfilm weiterhelfen, der ist bei AMULETT DES BÖSEN völlig falsch. Der Schrecken ruht in sich selbst und greift über auf die Menschen. Dies und die beeindruckenden Bilder, mehr braucht es nicht um eine Atmosphäre des Unwohlseins und der Angst zu erzeugen.

AMULETT DES BÖSEN mag sicher nicht Fulcis bester Film sein, aber er hat reichlich Ausstrahlung und Stimmung. Vor allem Stimmung, denn Fulci vertraut hier, anders als in den Vorgängerfilmen und im fast Back-to-Back gedrehten NEW YORK RIPPER, nicht auf die Darstellung von Blut und aufgerissenem und gemartertem Fleisch, sondern tatsächlich auf Atmosphäre. Bei allem magischen Hokuspokus ist viel Ruhe in diesem Film, und mit besseren Darstellern wären die Angriffe aus dem Zwischenreich sicher um einiges gehaltvoller und intensiver geworden. So wie sich AMULETT DES BÖSEN jetzt präsentiert, bleiben vor allem die Szenen in Ägypten in Erinnerung, genauso wie die Momente in denen das Kinderzimmer voll ist mit Sand. Im Gedächtnis festsetzen tut sich auch der Kollege der Ehefrau, der, wie so viele in diesem Film, spurlos verschwindet, und nur der Zuschauer weiß, dass Luke tot im Sand der Wüste Ägyptens liegt, die Augen weit aufgerissen. Er sah Dinge, die nicht für Menschen gedacht sind. Er hatte sich mit seinen dämlichen Masken ja auch immer über die Augen lustig gemacht …

Die Augen. Fulci definiert diesen Film über die Augen. Ganze Dialoge finden über die Augen statt, immer wieder werden die Augen in den Mittelpunkt der Kameraarbeit gestellt, und wenn es mal keine Augen sind, dann sind es Spiegel. Der Film heißt im Original ja auch übersetzt DAS AUGE DES BÖSEN, was durchaus seinen Grund hat. Und natürlich fällt der arabische Helfer von Hacker in der Pyramide genau so in die Falle, dass die Stahlspieße seine Augen durchbohren.

Witzig auch der Umstand, dass hinter Tommys Bett ein Poster von Winsor McCays Little Nemo in Slumberland hängt. Die Geschichte eines Jungen, der in seinen Träumen Abenteuer erlebt, setzt sich in der Figur des Tommy fort, der über das Amulett ebenfalls reisen kann, genauso wie Little Nemo. Nur halt ein klein wenig weniger märchenhaft. Aber genau solche Momente sind es, die ebenfalls zu dieser erwähnten Magie beitragen.

Auf der anderen Seite ergibt auch nicht alles wirklich Sinn, sind manche Episoden eher schludrig und zusammenhanglos inszeniert. Die Hand auf der Decke, die einen verbrannten Schemen hinterlässt, wirkt im Kontext des Films und seiner Symbole genauso deplatziert wie das Spielzeug das auf der Treppe verteilt wurde. Aber solche Kleinigkeiten müssen wahrscheinlich einfach ignoriert werden zugunsten eines Gesamtbildes, das zeigt was für ein herausragender Regisseur Lucio Fulci mal irgendwann war. Und dass die Filme, an denen er immer und immer wieder gemessen wird, auf keinen Fall für sein Gesamtoeuvre hergenommen werden dürfen, sondern vielleicht sogar nur als kommerziell erfolgreiche Ausrutscher angesehen werden können. AMULETT DES BÖSEN jedenfalls lebt von seinen ruhigen Momenten und der unheilvollen Stimmung, und diese beiden Komponenten kann er richtig gut.

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