Bei Ausgrabungsarbeiten in Ägypten wird der Archäologe George Hacker (Christopher Connelly) in einer eben entdeckten Grabkammer von zwei grellen blauen Lichtstrahlen, die aus der Wand direkt in seine Augen schießen, geblendet. Fast zur selben Zeit bekommt seine kleine Tochter Susie (Brigitta Boccoli), welche den beruflichen Ägypten-Aufenthalt des Archäologen ebenso wie dessen Frau Emily (Laura Lenzi) als Urlaub genießt, von einer mysteriösen blinden Frau ein geheimnisvolles Amulett in die Hand gedrückt, mit den kryptischen Worten "tombs are for the dead". Zurück in New York teilt ein Arzt dem Professor mit, daß die Erblindung glücklicherweise nur temporärer Natur ist; Georges Sehkraft sollte also bald wieder zurückkehren. Doch noch bevor es soweit ist, ereignen sich in der Wohnung der Familie seltsame Dinge. Susie und ihr Bruder Tommy (Giovanni Frezza) verschwinden oftmals spurlos, tauchen aber wenig später ebenso plötzlich wieder auf. Der Boden eines Zimmers ist unerklärlicherweise mit Wüstensand bedeckt, und gefährliche Tiere wie Schlangen und Skorpione bedrohen die verdutzten Bewohner, darunter auch das Kindermädchen Jamie Lee (Cinzia de Ponti). Während sich die Ereignisse langsam aber dramatisch zuspitzen und schließlich sogar Menschenleben fordern, verschlechtert sich der Gesundheitszustand der kleinen Susie rapide.
Nachdem Lucio Fulci (17.06.1927 – 13.03.1996) mit Zombi 2 (Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies, 1979) in mehrfacher Hinsicht einen Volltreffer gelandet hatte, konnte er sich in den folgenden Jahren über mangelnde Arbeit wahrlich nicht beklagen. Und nicht nur das! Fulci lief, unterstützt von einer talentierten Crew, mit der er trotz persönlicher Differenzen perfekt harmonierte, zu absoluter Höchstform auf und haute - beinahe - einen Kracher nach dem anderen heraus. Kaum dachte man, seine Karten lägen alle auf dem Tisch, zog er grinsend ein neues As aus dem Ärmel. Luca il contrabbandiere (Das Syndikat des Grauens, 1980). Paura nella città dei morti viventi (Ein Zombie hing am Glockenseil, 1980). Black Cat (The Black Cat, 1981). ...E tu vivrai nel terrore! L'aldilà (Über dem Jenseits aka Die Geisterstadt der Zombies, 1981). Quella villa accanto al cimitero (Das Haus an der Friedhofmauer, 1981). Lo squartatore di New York (Der New York Ripper, 1982). Alles Werke, die zahllosen Genrefans viel Freude bereiteten und - mehr als fünfunddreißig Jahre später - immer noch bereiten. Manhattan Baby (Amulett des Bösen, 1982) läutete, wenn man so will, die Wende ein; der richtige Sinkflug begann dann mit Conquest (1983). Manhattan Baby hat im Prinzip alles, was auch die Vorgänger haben, mit einer kleinen aber entscheidenden Ausnahme. Fulci verzichtet hier auf exzessiv ausgewalzte Splatter-Set-Pieces.
Sieht man von einer recht heftigen Szene gegen Ende des Filmes ab, ist Manhattan Baby in Punkto Gewaltdarstellungen erstaunlich - um nicht zu sagen: erschreckend - zurückhaltend. Während in den kurz zuvor entstandenen Fulci-Klassikern Augen perforiert, Gedärme hochgewürgt und Leiber aufgeschlitzt wurden, muß man sich hier mit blutenden Wänden, schmerzhaften Schlangenbissen und blutigen Händen begnügen. Ansonsten gibt es jedoch keine sonderlich großen Unterschiede zu den populären Vorgängern, den ungewöhnlichen Plot natürlich außer Acht gelassen. Guglielmo Mancoris Cinemascope-Bildgestaltung ist exzellent (besonders hervorzuheben sind die Eröffnungsszene, die fabelhafte Sequenz mit Susie in der Gewitternacht, sowie die "Snakecam"), Vincenzo Tomassis Schnitt sitzt, Massimo Lentinis Produktionsdesign ist stimmig, Fabio Frizzis (zum Teil recycelter) Score rockt wie gewohnt, und auch an Maurizio Tranis (Zombi Holocaust) Spezialeffekten gibt es wenig auszusetzen. Die Produktion übernahm einmal mehr Fabrizio De Angelis (es sollte seine letzte Zusammenarbeit mit Fulci sein), und das Drehbuch stammte von Elisa Briganti und Dardano Sacchetti. Ihr Skript ist ziemlich wirr, ergibt wenig Sinn und scheint recht plump aus allerlei vielversprechenden Versatzstücken zusammengebastelt worden zu sein, welche sie bekannten Klassikern wie The Exorcist, The Awakening oder Poltergeist entlehnt haben.
Aber das sollte an und für sich kein Problem darstellen, zeichnete sich doch bereits Fulcis "Zombie-Trilogie" mit einer ähnlich episodenhaften, der gemeinen Logik immer mal wieder ein Schnippchen schlagenden Struktur aus, und dort funktionierte es doch prächtig. Der Unterschied ist vielleicht, daß dieses Driften zwischen real und surreal anmutenden Momenten bei Manhattan Baby auf die Spitze getrieben wurde, ohne dafür auch nur irgendeine Erklärung anzubieten. Ja, ein uralter ägyptischer Dämon scheint hinter den Geschehnissen zu stecken. Aber wieso er so ziel- bzw. planlos vorgeht, steht in den Sternen. Die Stimmung ist bei weitem nicht so dicht, unheimlich und bedrohlich wie bei den Vorgängern, aber sie ist immer noch angenehm diffus und ominös. Leider fällt es etwas schwer, sich mit der Familie Hacker anzufreunden. Ihr seltsam distanziertes Verhalten untereinander - daß ihre Kinder hin und wieder verschwinden, scheint die Eltern z. B. überhaupt nicht zu beunruhigen - überträgt sich auf das Publikum, obwohl die Schauspieler ihre Sachen nicht schlecht erledigen. Giovanni Frezza überzeugt einmal mehr als nervtötende Plage, eine Rolle, die er bereits in Quella villa accanto al cimitero und in I Nuovi barbari perfekt zum Besten gab. Und "Miss Italien 1979" Cinzia de Ponti (Shark: Rosso nell'oceano) sorgt für ein klein wenig zusätzliches Eye Candy.
Und doch kann Manhattan Baby als Gesamtkunstwerk nicht so überzeugen wie artverwandte Alptraumphantasmagorien à la ...E tu vivrai nel terrore! L'aldilà (von Dario Argentos Suspiria und Inferno ganz zu schweigen). Wie bereits erwähnt unterscheidet sich Manhattan Baby gegenüber seinen unmittelbaren Vorgängern nicht nur durch den fast völligen Verzicht auf graphische Gewaltdarstellungen, sondern auch durch die etwas anders geartete Grundstimmung. Die Atmosphäre verlagert sich weg von Horror in Richtung Fantasy, ist somit weniger düster und beängstigend. Die Bedrohung hat diesmal auch kein grauenerregendes "Gesicht"; kein Dr. Freudstein, keine verfaulenden Zombies weit und breit. Davon abgesehen variieren Fulci, Briganti und Sacchetti einige Ideen, die schon in Fulcis "Zombie-Trilogie" eingeflossen sind. Wie Kinder, die durch übernatürliche Ereignisse in Gefahr geraten (bzw. von denen selbst eine Gefahr ausgehen könnte), oder die Einflechtung von Tierhorror ins Szenario, hier in Form von Schlangen, Skorpionen und Vögeln. An den charakteristischen Zooms ins Gesicht der Protagonisten, mit zahlreichen extremen Close-Ups der Augenpartien, herrscht ebenfalls kein Mangel. Aber leider wirkt die Regie ein wenig lustlos, als wäre Fulci nicht ganz bei der Sache gewesen. Vielleicht war er in Gedanken schon bei seinem nächsten Projekt Conquest, von dem sich nicht nur Fulci viel erhoffte.
Der langen Schreibe kurzer Sinn: Bei Manhattan Baby fehlt das mysteriöse, außerweltliche Flair, das einen so geschickt einlullt, es fehlt der suggestive Sog, der einen mit Haut und Haaren in den Film reinzieht. Und ja, es mangelt auch an der alptraumhaft-morbiden Stimmung sowie an den spektakulär-eindringlichen Schockmomenten, mit denen Lucio Fulci die Fans in seinen Spät-Siebziger- und Früh-Achtziger-Jahre-Werken so reichlich verwöhnt hatte. Das mag im ersten Moment für eine große Enttäuschung sorgen, vorwerfen sollte man das dem Film jedoch nicht, das wäre einfach nicht fair. Denn abgesehen davon liefert Manhattan Baby wie gewohnt ab und ist wohl der letzte Film des italienischen Horrormaestros auf qualitativem Top-Level.