Review

Der tragische Abgesang

Unter Kennern und Wissenden des Gesamtwerkes von Fulci schlummert die Erkenntnis, dass jener Mann vor seiner Glanzzeit, als er sich als Splatterpapst und Pionier etablierte, gar zweifelhaft sich als Ikone emporragte, oder eben als blutgeiler Dilletant verschrien, Filme drehte, die jenseits dieser Kultgrössen, eben unter Kennern höheren Status beweisen, glänzten sie von dem wirklichen Talent des Italomaestros. Diese Zeiten liegen aber weit vor seinen Werken wie dem zweifelhaft morbiden Ein Zombie hing am Glockenseil (1981), dem man gewiss alles anprangern darf, dem schockierend bluttriefenden und verstörenden The Beyond (1981) und auch dem Meisterwerk Woodoo: Zombi 2 (1979), denn sind es gerade diese Zeiten, in denen Fulci Klasse bewies, aber nicht polarisierte, beziehungsweise mit Werken anklopfte, die man heute gerne als wirkliche Glanzstücke eines zwiespältigen Regisseurs beschreibt, aber nicht hervorstachen. Zumindest nicht in dem Sinne, wie es Werke eben genannter, von Ekeleien überstossender Herkunft es tun.

Dabei rede ich gewiss von stilprägenden Filmen wie Nackt über Leichen (1969), Don't torture a duckling (1972), Seven Notes in black (1977) und wenn man denn noch so will seinem unterschätzen Spätwestern Verdammt zu leben - verdammt zu sterben (1975).

Manhattan Baby
, oder wie der deutlich bessere Titel Amulett des Bösen lautet, der hiesige Film hier, gehört zweifelslos in keine dieser zwei Sparten, beweist er tatsächlich nichtmal ansatzweise die Klasse seiner in Vergessenheit geratenen Frühwerke oder die Klasse seiner berüchtigten, heute zum grösstenteil in Deutschland verbotenen Goreeskapaden, die wohl auch zum grössten Teil die Bekanntheit Fulcis ausmachten, die Horrorgemeinde spalteten aber auch für die meisten Anhänger bereicherten, hat er damit, wie wohl die meisten wissen, damit Filme erschaffen, die atmosphärischer, dreckiger und böser nicht sein könnten.

Manhattan Baby klingt zum übermäßigen Teil da ein, wo sein Schaffen Anfang der 90er, in einer Zeit als das italenische Kino eh dem Niedergang geweiht war, mit Schund wie Nightmare Concert, Voices from beyond und Demonia (1990) endete, ziehen sich seine eigentlich schon bekannten Logiklücken in komplette Filmlänge, bloss in einer Art, dass es den geneigten Zuschauer schmerzt, beleidigt und vor den Kopf wirft.

Die Kulisse seines mythologisch angehauchten Produktes ist da anfänglich auch ohne weiteres vielversprechend, liefert geradezu aus filmtechnischer Sicht, in Sachen Optik und Fulcitypischer Kameraführung vertrautes, verspielt seine Karten aber gewiss schon nach kurzer Zeit, denn der Ablauf seiner, eigentlich packenden Storyline etabliert sich traurigerweise in nahezu belanglos - lächerlichen Faktoren, stellt er sich mit Verwendung des Glockenseil - Scores von Fabio Frizzi das erste Armutszeugnis auf. Nichts gegen die Filmmusik von Glockenseil, sie in allen Ehren, ist sie zweifellos grandios, setzt er sie in Momenten ein, die eh schon aufgrund banaler Inszenierung noch mehr gen Lächerlichkeit driften.

Das mag vorallem an der Situation liegen, denn nachdem die Tochter in Agypten von einer mit weissen Augen verschleierten Frau ein Amulett in Hand gedrückt bekommt und der als Wissenschaftler arbeitende Vater ein Grab eines agyptischen Scheichs (whatever) erkundet, sein Gehilfe in als Grabfalle gebaute Dornen fällt und stirbt, tun sich die ersten Lächerlichkeiten auf. Fulci rührt sich nicht um Zusammenhänge oder menschliche Logik, überlasst er das dargelieferte völlig dem Zuschauer und auch der Tod des Mitarbeiters wird von dem Vater ignorierend toleriert als wäre nichts passiert, bis er denn, nach Öffnem eines Siegels von einem blauen Stein, ähnlich dem des Amuletts, unter blauer Strahlen erblindet, um dann in der nächsten Szene wieder vor dem Grab zu stehen, wobei wir dann immer noch nicht wissen, wonach der väterliche Wissenschaftler eigentlich dort suchte. Die Blindheit wohl kaum.

Back in Manhattan, die Diagnose ist Blindheit auf Raten, soll heissen für genau ein Jahr, die Ursache interessiert hier aber zweifelsfrei keinen und das Amulett, dass wohl von wirklicher Wichtigkeit zu sein scheint, interessiert auch keinen, noch nichtmal wo Kleinanni es überhaupt her hat.

Als wär das nicht der einzige Gipfel, versucht uns Fulci hier mit völlig substanzlosen Mitteln eine total lächerliche Geschichte aufzutischen, die aufgrund seiner übernatürlichen Faktoren in Banalitäten versinkt, flickt er völlig zusammenhanglos und ohne erdenklichen Sinn Szenen zusammen, die oftmals zum Lachen, aber meistens eher zum Heulkrampft einladen. Da stehen dann mal Cobraschlangen zur Begrüssung in der Tür, die Hand des Mädchen brennt den Handabruck in die Bettdecke, Skorpione lagern in Kommoden und Fahrstühle stürzen ein, als würde der Teufel persönlich dort wohnen. Das Alles wäre ja nur halb so schlimm, wenn die Personen nicht so tun würden als wäre es ihnen egal, es passiert halt einfach, und in der nächsten Szene ist es vergessen, ohne zu hinterfragen, was dort passierte, oder der Sohnemann, hier der hässliche Dreikäsehoch aus Das Haus an der Friedhofmauer (1980), durch ein belichteten Türrahmen geht, ist wohl "das Licht zum Jenseits" geht, um daraufhin den blinden Vater mit blauen Licht zu attackieren, damit er plötzlich wieder sieht. Ist dann halt so - Friede - Freude - Eierkuchen.

Eins weiss man als Zuschauer aber immerhin. Kleinanny mit dem Amulett ist besessen, von dem Amulett, und hat, vollkommen unfreiwillig etwas ausgelöst, dass man wohl das wirre Kuriositätenkabinett der Lächerlichkeit nennen kann, oder eben dummer Poltergeistklon, wie man denn nun möchte. Doch Poltergeist reicht hier natürlich beiweitem nicht, erfahren wir doch dann tatsächlich, dass Anny vom Teufel besessen ist und ein Exorzist her muss, der sich dann aber bloss als bärtiger Antiquitätenhändler entpuppt um dann, wegen seines Einsatz als Teufelsenttreibers, von seinen ausgestopften Tierchen zerhackstückt zu werden.

Da kommen wir wohl zum letzten Punkt, wohl dem Punkt, der übrig bleibt, wenn der Rest in einem Werk wie diesem versagt, konnten schon zahlreiche bluttriefende Splattereffekte jeden ultralächerliche Filmgurke retten. Aber leider auch hier Ernüchterung pur, bleibts bei auslaufenden Blutmündern, dem Grabfallenmord zu Beginn und der Tierhorroreinlage, die so wohl an die Spinnenszene von The Beyond (1981) erinnert. Die Moral von der Geschicht:

Fazit:
Wirrer und absolut ultratrashiger Fulci ohne Logik und sinnvolle Zusammenhänge im Ablauf. Mitunter die mieseste Entgleisung Fulcis, nach seiner Zeit um 1979 - 1981. Ein Auftakt in Richtung Peinlichkeit und Billigkeit. Kann man eigentlich nur Komplettisten und Trashliebhabern empfehlen, denen gar nichts wehtut. Lieber Poltergeist und Der Exorzist schauen.

36%

Schmunzelattacken: 6/10
Stellungswechsel auf der Couch 5+
Nervfaktor: 3/10 gegen Ende hin wird noch doofer...
Atmosphäre: ohne den Soundtrack 0
Grusel: 0/10

KINDER SIND MONSTER!

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