Review

„Pass auf dich auf, lass dich nicht von fremden Herrn anreden und verlier kein Geld…“

Die klassischen Münchner „Tatort“-Episoden um Kriminalhauptkommissar Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer), Kriminalhauptmeister Ludwig Lenz (Helmut Fischer) und Kriminalobermeister Josef Brettschneider (Willy Harlander) gingen mit ihrer am 27. Juli 1980 erstausgestrahlten 14. Ausgabe in die vorletzte Runde: „Spiel mit Karten“ wurde von Regisseur Wolf Dietrich inszeniert, der damit, nach einem Drehbuch Theo Regnies, seinen vierten und letzten Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe leistete.

„Ich hab‘ ihn gehasst!“

Hansgünther Geroth (Alexander Allerson, „Teufelscamp der verlorenen Frauen“), Herausgeber eines Münchner Anzeigenblatts, verunglückt nach einem Besuch der Gaststätte „Waldschänke“ mit seinem Auto tödlich. Es stellt sich heraus, dass seine Bremsleitungen durchtrennt worden waren, was die Mordkommission auf den Plan ruft. Kommissar Veigl und Co. ermitteln, dass Geroth regelmäßig auf Pferderennen gewettet hatte und sich diese Leidenschaft offenbar u.a. dadurch finanzierte, dass er eine Kartei unterhielt, in der er minutiös belastendes Material gegen wohlsituierte Mitbürger notierte, um diese im Bedarfsfall mit den Informationen gegen Geld zu erpressen. Die Zahl potentiell Verdächtiger, die ein Motiv gehabt hätten, ist damit ungewöhnlich hoch. Nicht einmal seine Ehefrau Angelika (Ilse Neubauer, „Der Durchdreher“) konnte ihn leiden, woraus sie nach dessen Tod keinen Hehl macht. Und die Erpressungen nehmen kein Ende: Textilfabrikant Paul Kronhoff (Georg Marischka, „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“) wird gedroht, seine Affäre mit einem Au-pair-Mädchen öffentlich zu machen. Und dann wird auch noch in Geroths Redaktion eingebrochen. Viel zu tun für die Münchner Polizei…

„Herr Lenz, Sie sind der beste Indianer vom Münchner Polizeipräsidium!“

Der im Februar und März 1980 gedrehte Fall beginnt in der „Waldschänke“, wo sich das spätere Opfer als wenig sympathischer Stelzbock geriert. Sein tödlicher Unfall wurde beeindruckend inszeniert, die sich daraus entwickelnde Geschichte erinnert mit ihren Topoi jedoch sowohl an den kurz vorausgegangenen Essener „Tatort: Schussfahrt“ als auch den Münchner „Tatort: Maria im Elend“. Veigl, Lenz und Brettschneider arbeiten hier gut zusammen; Brettschneider sucht die Witwe auf, Veigl und Lenz verschlägt’s erst zum Schrottplatz, Veigl anschließend in die „Waldschänke“, wo er auf einen ihm fast schon zu auskunftsfreudigen Gastwirt (Michael Stippel, „Sternsteinhof“) trifft – und Kellnerin Rita (Gaby Herbst, „Caribia“), mit der Geroth angebändelt hatte. Auch sie scheint nicht sonderlich von dessen Ableben betroffen zu sein; der Eindruck, dass Geroth ein recht unbeliebter Zeitgenosse gewesen war, verfestigt sich.

Als Herr Kronhoff sich bei der Polizei meldet, weil er erpresst werde – erst von Geroth, nun mutmaßlich von einem Komplizen – und beim Einbruch in die Redaktion Geroths Karteikarten entwendet werden, ist relativ klar, in welche Richtung die Reise geht, die für die Zuschauerinnen und Zuschauer in erster Linie in Form relativ minutiöser Polizeiarbeit besteht. Interessanter wird es, als Veigl und Co. des Erpressers während einer (ebenfalls ziemlich gut inszenierten) Geldübergabe auf der Autobahn habhaft werden. Dadurch gelangt der Karteikasten auch in die Hände der Polizei – und mit ihm manch brisante Information. Nun gilt es, verschiedene Personalien aus jener Kartei abzuklappern.

Schaute man bislang außer im Prolog permanent der Polizei über die Schulter, reicht uns Regisseur Dietrich im letzten Drittel erstmals Szenen aus Täterperspektive dar. Dieser lange Zeit eher konservative „Tatort“ erhält nun zudem mit dem Umstand, dass etliche Unternehmer Dreck am Stecken haben, einen interessanten, in Ansätzen kapitalismuskritischen Subtext. Ein ganzes Geflecht wird hier schließlich entwirrt. Viel Ermittlungsarbeit also im vorletzten Münchner Fall, immerhin mit etwas Tempo versehen, inszenatorische Höhepunkte aber sind die vereinzelten Spannungsszenen sowie die Stunts. Für eine Kfz-Verfolgungsjagd hatte man gar in langwierigen Verhandlungen, so heißt es, eine Genehmigung eingeholt, um auf einem Autobahnteilstück in der Nähe des Flughafens München-Riem drehen zu dürfen.

Insgesamt kann man einen „Tatort“ wie diesen – abgesehen von der einmal mehr nervenden Sprachbarriere, wenn hier im breiten Bayrisch von der Krachledernen gezogen wird – so anbieten, durchaus auch heute noch, weshalb er sich aufgrund seiner beschriebenen Vorzüge bei 6 von 10 Karteikarten einpendelt.

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